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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1869

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No. 42
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https://doi.org/10.11588/diglit.29848#0173

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Ao. 42.

^ouutug, 11. April 1869.

Tritter


zayrgaikg.

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2 kr. monatlich.
für die Bcurkc Schwetzingen und Philipps bürg.
Verkündignngsblatt des Amts- und Amtsgerichts-Bezirks Schwetzingen.
Grgsn der öadilchen Aopfmproducentm
(unter Kontrole der laudivirtbschuftlichell Bezirksdirektion Schwetzingen stehend).


Tagesuberftcht.
Schwetzingen, 9. April.
Ein in der Presse nnsgetauchtes Gerücht, Preußen
Lilde ein Uebnngslager am Rheine, lvird
entschieden dementirt. So unverfänglich unter an-
dern Zeitverhältnissen eine solche Lagerbildung am
Rheine wäre, heute würde sie als eiue Hernns-
sordcrung von unsern empfindlichen Nachbarn ange-
sehen werden und darum — meidet allen bösen
Schein!
In München tagt die Kommission zur Aus-
einandersetzung des früheren Bundeseigenthums.
Bayern, als dein Territorialstaat wurde der Vor-
sitz übertragen.
Bor einigen Tagen fand in Worms unter dem
Vorsitz Kirchenrath Dr. Schenkels eine Vorbera-
thung wegen Abhaltung einer evangelischen Kir-
chenversammlung statt, zu der alle Protestanten
Deutschlands eingeladen werden sollen, um ihre
Stellung zum bevorstehenden ökumenischen Konzil in
einer einmüthigen Erklärung zu kennzeichnen. Man
sieht, die ultramontane Bewegung rüttelt auch das
kirchliche Bewußtsein der anderen Consessionen
wach, ooch wird es ihr hoffentlich nicht gelingen,
damit auch eine Schürfung der religiösen Gegen-
sätze herbeizuführen.
Der Ausfall der Wahlen in Ungarn ist der
Regierung ziemlich ungünstig gewesen und droht
das Au-rgleichungswerk zu gefährden. Man beab-
sichtigt nun die Polen zu gewinnen, um die Ver-
sassuugspartei zu verstärken; diese machen aber ihren
Anschluß und ihre Mitwirkung von besonderen
Konzessionen abhängig, welche wieder einer Beein-
trächtigung der andern Nationalitäten gleichkommcn.
Es ist eben die alte Experimentalpolitik, die im
Kaiserstaate unaufhaltsam kreist!
Die Freundschaftsbezeigungen zwischen dem
Kaiser von Desterreich und dem König von Iw-

Meuöete 6 I.
Novelle von Hermann U h d e.
(Fortsetzung.)
Tic Sonne stand bereits lange am Himmel, als Fer-
dinand von Wartenau erwachte. Fröhlich glänzte ein
Heller, heiterer Herbsttag in das trauliche Gemach, lustig
huschten die glitzernden Strahlen des goldenen Lichtes an
den Wänden hin und her, in buntem Wechselspiele auf-
und abtanzcnd. Ein srischcr Wind, balsamisch gewürzt mit
den süßen Düsten des Waldes, kosete mit den am geössncten
Fenster stehenden Blumen, und wonnig erfüllten deren lieb-
liche Wohlgerüche das kleine Zimmer, den Kranken mit
ihrem feinen Aroma berauschend. Geblendet von dem Hel-
len Lichte, schloß Ferdinand sogleich die Augen wieder, und
einige Müuüen ruhte er noch, zwischen Schlaf und Wachen,
in jenem cigcnthümlichen, traumähulichen Zustande, welcher
uns unmittelbar vor dem völligen Eintritt des Bewußtseins
oft beschleicht, und in welchem wir, ohne uns zu regen, ohne
ein Zeichen des Lebens geben zu können, dennoch Alles g.-
nau wahrnchmcn, was um uns vorgeht.
Deutlich hörte Ferdinand den vielstimmigen Gesang
der Hirten, das Girren der Turteltäubchcn, das Rauschen
des durch seine Schleusen drängenden Baches, das ewig

lieu mehren sich uud nehmen nachgerade einen bei-
nahe demonstrativen Charakter au. Nach dem
Vorgehen der Herrscher bleiben nun wohl auch die
Nationen nicht zurück uud die österreichische uud
italienische Tagespresse fließt gegenseitig in Freund-
sehaftsversicherungen über. Das Sprichwort: „Pack
schlägt sich, Pack vertrügt sich," scheint somit nicht
nur im gemeinen, sondern auch im höhern, ja
selbst in: Leben der Staaten seine Anwendung zu
finden.
Frere-Orban, der belgische Finanzminister, wel-
cher in der bekannten Eisenbahnaffaire den Fran-
zosen die famose Nase drehte, ist jetzt in Paris
eingetroffen, um die belgischen Interessen im
Schooße der gemischten Kommission persönlich zu
verfechten. Die Pariser haben gewaltigen Respekt
vor dem Manne, der ihrem Herrn uud Meister die
Stange zu halten wußte und Frere-Orban ist der
Held des Tages.
Die sklavischen Minister beabsichtigen Tom Fer-
nando als König vorzuschlagen und bereiten den
großen Coup in Privatbesprechungni bei einer exquisi-
ten Habanna oder Manilla vor. Für den Fall der Vor-
geschlageue kcinenAnklang findet, haben sie noch einige
andere Kronkandidaten in der Tasche, mit denen sie
aufwarten können.
Die spanische Negierung hat im Vereine mit
dem Verfassungsausschuß den Beschluß gefaßt,
keine Aittrüge zuzulassen, welche den Verfassungs-
entwurs wesentlich ändern, nnd den Geist der Ver-
söhnlichkeit, der ibm ausgeprägt ist, verscheuchen
könnten.
Die Verbindung des atlantischen Oceans mit
dem stillen Weltmeere durch die Herstellung der
Pacisiebahn rückt ihrer Vollendung immer näher.
Die Strecke von St. Francisco bis Newyork be-
trügt nicht welliger als 3100 engl. Meilen, welche
der Schienenstrang zu durchlaufen hat.

gleiche, taktmäßige Geklapper einer Mühle; und in dieses
bunte Lärmen und Treiben mischte sich ganz in der Nähe
das fröhlich heitere Jauchzen einer unschuldigen Kinderbrust,
welche hell und lustig in die frische, blaue Luft des pracht-
voller Herbstmorgcn hinein jubelte.
Dies Alles im Verein ließ das Andenken an die
glücklichen, seligen Tage, welche — ach! — so weit hinter
ihm lagen, mächtig wieder in ihm ausstchen; mit erstickter
Stimme murmelte er den Namen seines Sohnes und den-
jenigen seiner Gemahlin; eine Thräne quoll langsam aus
seinem geschlossenen Auge hervor, und schlich leise und un-
bemerkt seine Wange hinab. Krampfhaft fing fein Busen
an, sich zu heben und plötzlich sich ermannend, richtete sich
Ferdinand rasch von seinem Lager auf, einen erstaunten
Blick rings um sich werfend. Er war in seinem eigenen
Hause, in dem Schlosse seiner Väter, unter dem Dache,
welches so lange sein Glück, sein Alles geschirmt. Er er-
kannte die Gegenstände alle, welche ihn umgaben: einer nach
dem andern schien ihm, wie ein alter, treuer Freund, ein
trauliches „Willkommen!" — zuzuwinkcn; seine Bücher,
seine Gemälde, die wohlbekannten Tapeten, die Möbeln,
und all die tausend Kleinigkeiten, welche die Orte, die wir
bewohnen, uns erst recht heimisch und behaglich machen.
Er griff mit der Hand nach der Stirne, wie Jemand,

Das Riesenwerk, welches seinen Zug über un-
absehbare Prairien, durch öde Wüsteneien, über
Schneegebirge zu nehmen hat, wohin selbst Wasser
und Feuerungsmaterial mitgeführt werden müssen,
erfordert auch ungeheure Mittel, die zum Theil
durch Aktien, zum Theil durch Staatszuschüsse bei-
gebracht werden.
Briefe ans neuerer Zeit theilen mit, daß die
Benützung der vollendeten Strecken durch starke
Schneefälle auf Hunderte von Meilen hin unter-
brochen sei.
Bade n.
—Schwetzingen, 8. April. Gestern
Nachmittag traten aus Einladung des Herrn Bür-
germeisters die Mitglieder der Friedhoskommission,
sowie Gemeinderath und kleiner Ausschuß zusam-
men, um wegen der nun unabweiSlich gewordenen
Anlage eines neuen Begrüvnißplatzes zu berathen und
zu beschließen. Nachdem das Ergebnis; der bishe-
rigen Verhandlungen und Erhebungen bezüglich der
Lage, des Bodens und Umsangs des in Aussicht
genommenen Platzes zur Kenntniß der Versammel-
ten gebracht worden war und der größt). Bezirks-
arzt die Dringlichkeit der Anlage nachgewiesen hatte,
beschloß man mit Stimmenmehrheit, das der Ge-
meinde gehörige Gelände, genannt „Kellerswingert-
gewann", an der Mannheimer Straße, welches
den herrschenden Winden abwärts liegt, Sandboden
enthält und nicht quellig ist, als das geeignetste
zur Anlage des neuen Friedhofs zu verwenden.
Es machten sich zwar im Schooße der Versamm-
lung Bedenken geltend wegen der etwa einer Vier-
telstunde betragenden Entfernung, welche insbeson-
dere die Leichenbegleitung erschwere; allein die nä-
her gelegenen Gelände, welche in Vorschlag gebracht
wurden, namentlich zunächst der Lindenallee und
am Grenzhoser Wege wurden theils wegen der
Nähe der Stadt, theils wegen der Bodenbcschaffen-
heit nicht für geeignei erachtet und wird es deß-

der sich zweifelnd fragt, ob er die Laune eines Traumes
erschaue, ober der Spiclball eines Blendwerks sei. Als er
das Haupt wandie, erblickte er seine Gemahlin und den
alten Arzt, welche ihn beide lächelnd beobachteten.
Nun mein lieber Herr Graf, sagte der greise Doktor
in humoristischem Tone, — es scheint ja, als ob cs heute
Morgen besser mit Ihnen geht. Tie Krisis ist gut übcr-
standen, wir sind glücklich im ersehnten Hafen — aber nicht
viel fehlte, so wäre unser Schifslcin jämmerlich gestrandet.
Wit waren den grausen Ufern des Schattenreiches schon sehr
nahe!
Und Sie — Sic haben mir meinen thcurcn Ferdinand
gerettet! unterbrach Clementine mit einen: innigen Tankes-
blick den Sprecher.
Ich? scherzte der Arzt weiter. Ah — Sie irren sich,
meine Gnädige! Ter Herr Graf hat sich selbst gerettet! —
A!s er Charons Nachen sah, übcrkam ihn eine so große
Lust zun: Leben, daß er geschwind wieder umwaudte und
den achcrontischcn Ufern entfloh. Und wenn ich daran
denke, wie viel Grund nnd Ursache unser Patient hat, sich
in diesem Leben höchst glücklich und zufrieden zu fühlen, so
muß ich gestehen, daß ich an seiner Stelle mich wahrscheinlich
ebenfalls bedacht hätte, so ohne weitere Umstände mich nieder-
zulegcn, und mir nichts, dir nichts zu sterben! (Forts, folgt).
 
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