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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1869

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No. 43
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https://doi.org/10.11588/diglit.29848#0177

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Mittwoch, 14. April 1869.

>0. 43.

Dritter Jahrgang.

Erscheint Sonntag,
Mittwoch und
Freitag.
Alle Postanstalten nnd
Boten nehmen Bestel-
lungen an.

»ökalt
gen und Philippsburg.


snr die Bezirke Schwetzin

Prei s: '/jährlich 45lr.
per Post bezogen 56 tr.
Anzeigen werden die
dreispaltige Zeile oder
deren Raum mit nur
2 kr. berechnet.
Die Boten erhalten
2 kr. monatlich.

Verkündigungsblatt des Amts- und Amtsgerichts-Bezirks Schwetzingen.
Organ der badischen Kopfenproducenten
(unter Kontrole der laudwirthschuftlichen Bezirksdirektion Schwetzingen stehend).

— a — Kriegsbesürchtungerr.
Nicht nur im Alltagsleben, sondern auch in
der Politik herrscht „Aprillenwetter". Während
der politische Horizont nach allen Seiten hin um-
düstert ist und eine drückende Schwüle herrscht,
durchbrechen Friedensbotschaften gleich den warmen
belebenden Strahlen der Sonne das drohende Ge-
wölle, doch ihnen folgen schnell wieder — finstern
Wolkenschatten ähnlich, die über sonnige Wiesen-
gründe Hingleiten — Kriegsbefürchtungen!
Es ist eine Zeit zum Tollwerden! Die Völker
fenfzen nach Frieden und Ruhe; sie haben Nöthi-
geres und Besseres zu thun, als sich nichtiger na-
tionaler Eifersüchteleien wegen auf einander zu
werfen und. sich zu zerfleischen. Das öffentliche
Vertrauen soll sich wieder festigen. Die Scholle
will bestellt sein, Industrie, Handel und Gewerbe
bedürfen der Zeit und Ruhe, dou ihren schweren
Wunden zu genesen und dennoch — trotz der
Summe dieser Forderungen — keine Aussicht
auf eine dauernde Erhaltung des Weltfriedens;
fortwährend Gefährdung der europäischen
Ruhe!
Die Großmächte sind auf's Eifrigste bestrebt,
sich in Vermehrung der Wehrkräfte, in der Viel-
fältigkeit und Vervollkommnung der Kriegswerkzeuge
und Mordwaffen zu überbieten; die kleinern Staaten
sind gezwungen, nach- und mitzuthun, um sich
ebenfalls auf der „Höhe ihrer Zeit" zu halten
und so sehen wir denn in unfern Tagen die
Mächte Europa'» in Waffen starrend; Eifersucht
und Mißtrauen überall! Die Mittel, welche dieser
Zustand auf die Dauer hin erfordern würde, sind
zu gewaltig, als daß es so bleiben könnte; die
Lage ist so geschraubt und unhaltbar, daß eine
allgemeine Entwaffnung oder ein europäischer
Krieg die Folge dieser unheilvollen Kraftüberbie-
tungen fein muß!

M e n S e le ö t.
Novelle von Hermann U h d e.
(Fortsetzung.)
Mein Ferdinand — mein Alles! wattote sich setzt die
Gräfin leidenschaftlich zärtlich zu ihrem Gemahl, — wie
viele trllbe Stunden, wie viel Sorgen und Angst hast Tu
uns bereitet! Tu kanntest in deinem Fieber nicht einmal
Trine treue Güttin! — Nicht wahr, jetzt aber erkennst Du
mich wieder — Du fühlst mein Herz licbcdürstend an dem
Deinen schlagen, mein Anblick jagt Dir keine Furcht mehr
titt? — Ach, ich lebe ja nur für Dich — ich würde sterben
ohne Deine Liebe.
— Erlauben Sie Loch ein wenig Ihren Puls; wol-
len doch sehen, was der heute sagt! warf der Doktor wieder
ein, indem er Ferdinands Hand ergriff.
Nun, Doktor? fragte so unbefangen als ihr Möglich
Wat, Sie junge Gräfin, welche sich auf einen Wink des
Arztes erhob und ihre Liefe Erregung zu bcMeinern suchte.
Nun, gnädige Frau — cntgegncte der Greis — dieser
Puls zagt deutlich, daß noch vor Ablauf vou acht Tagen
unser Herr Traf munter Und gesund zu unser Auer Freude
in seinem prächtigen Parke spazieren gehen wird, baß er
aber füt jetzt einstweilen nichts sehnlicher wünscht, als daß
Ihre schöne Hand ihm eine kräftige Bouillon kredenze, zu
welchet er öffenbar großen Appetit häi, —

Und die Gerüchte für und wider!
Wie schwirren sie durch die Presse, kaum cmsge-
tancht, abgeläugnet, nochmals in Umlauf gesetzt
und nochmals abgeläugnet, so geht es Tag für
Tag! Hoffnungen wechseln mit Befürchtungen,
erregen Ekel, Ueberdruß an dem politischen Ge-
triebe und stumpfen das öffentliche Interesse für
Krieg nnd Frieden ab.
Plötzlich taucht das Gerücht einer französifch-
österreichisch-italienischen Allianz, deren Spitze gegen
Preußen gerichtet fein soll, auf; man widerlegt,
moygen kehrt es bestimmter und mit Details aus-
geschmückt wieder, man zweifelt, man giebt zu. . .
Die Sache gewinnt an Wahrscheinlichkeit durch die
auffallende Annäherung zwischen den Cabinetten
von Wien nnd Florenz, die sicher keinen persön-
lichen, sondern politischen Beweggründen entspringt!
Abermals Zweifel! Aber weshalb? Ist nicht
schon Unglaublicheres dagewesen?!
Weiter: Preußen läßt das Festnngsglacis von
Mainz, Baden jenes von Rastatt rasiren. Welcher
Bader hat die öffentliche Meinung damit über
den Löffel b.irbirt? Ferner: Preußen bilde ein
Uebungslager am Rheine! . . . mit andern Worten,
ziehe Truppen gegen Frankreich zusammen!
Weiter: Frankreich ruft seine Mannschaften
zur Fahne. Sümmtlichen Eisenbabnverwaltnngen
werden Ofsiciere beigegeben. In Cherbourg wird
die Panzerflotte arinirt, die regelmäßigen Oarni-
sonswechfel unterbleiben, wie vor dem .Krimkriege
und vor denk italienischen Feldzug. Die franzö-
sische Presse wird zur Mäßigung in ihren Ausdrücken
gegen Preußen angewiesen, u. ihr ebenso die Pflicht
anferlegt, alle militärischen Bewegungen zu ver-
schweigen . . . .!
Ferner, Preußen sehe den Sturm nahen und
werfe den unnützen Ballast über Bord; das
heißt: künde den süddeutschen Staaten die Lchntz-

Jtt diesem Augenblicke trat Ferdinands alter Kammer-
diener herein. Er näherte sich dem Lager seines Herrn und
erkundigte sich, wie derselbe sich heute befinde, genau, als
ob er gestern und täglich gekommen sei, dieselbe Frage an
den Arzt zu richten.
Ferdinand fand keine Worte. Er sah die Umstehenden
Einen nach dem Andern sprachlos an; er glaubte zu träu-
men. — Heftig begann er zu zittern, und indem er fischend
umherbl'Ste, winkte er rasch mehrmals mit der Hand — er
wurde verstanden.
Elementine eilte zum Fenster, durch welches man die
fröhlich jauchzenden Laute der heiteren Kindcrstimme ver-
nommen, und hinabschauend ries sie die einfachen Worte:
„Mein lieber Bruno, komm doch heraus und wünsche dein
Papa einen guten Morgen P — welche indcß auf den Kran-
ken wirkten wie ein elektrischer Schlag, (konvulsivisch zit-
ternd starrte er mit weit aufgerisscnen Augen und angehal-
tettem Athen: nach der Thür . . . wenige Sekunden und
diese öffnete sich.
Raschen Schrittes kam ein lebhafter kleiner Knabe in
das Gemach tzeremgehüpst, eilte auf das Bett zu, kletterte
hinauf, schlang freundlich lächelnd seine weißen Aermchcn
um Ferdinands Nacken und sagte zutraulich: „Guten Mor-
gen, mein lieber Papa!'
Et war es . . cZ war Bruno. — Selbst das scharfe

und Trutzbündnissc, um seiner Verpflichtung,
die süddeutschen Grenzen zu decken, überhoben zu
sein . . . .!
Dies Alles und noch weit mehr bespricht die
Presse! Tragen's nur die Frühlingslüste über
die Alpen? Sanfte, kosende Weste von Frankreich
herüber?!
Wir waschen die Hände in Unschuld, wenn
morgen schon in Folge dieser Auszählung von
bedenklichen Anzeichen die Börsen eine Baisse er-
leiden; aber Scherz bei Seite, die Situation ist
verteufelt ernst und die nächste Zeit muß eine
Entscheidung bringen.

Tagesübersicht.
Schwetzingen, 12. April.
Die Störche suchen die alte Heimath auf; die
Menschen trachten, ihr zu entgehen ! Aus den östli-
lichen Landestheilen Preußens treffen auffallend zahl-
reiche Caravanen Auswanderer in Bremen und
Hamburg ein, welche sich nach Amerika cinschiffen.
Jedenfalls auch ein „Zeichen der Zeit!"
Steuervorlageu, lautet die Tagesordnung des
nordd. Reichstags; das Bundesdesizit muß gedeckt
und ein Mittel gesunden werden, dessen Wieder-
kehr zu verhindern. — Der Bundestag hat den
Antrag Sachsens auf Errichtung eines obersten
Handelsgerichthofes in Leipzig angenommen.
Die demokratische „Zukunft" weiß von einer
vertraulichen Eröffnung, die van Berlin nach
Karlsruhe gelaugt sein soll, zu berichten, wonach
man die Lösung des Schutz- und Trutzbüuomsses
anstrebe. Dasselbe Blatt eröffnet uns eine Per-
spektive aus die Auflösung des deutschen und die
Bildung eines süddeutsch-schweizerischen Zollvereins.
Es ist unglaublich, aus welche Irrwege Parteiver-
ranntheit leiten kann!

Auge einer Mutter hätte sich täuschen lassen. Hier war das
Kind, welches wir an jenem verhängnißvollcn Tage vor uns
sahen, wo es Ferdinand vou Wartenau nach dem Schlosse
des Grafen Norburg niitgebracht. Es waren Vruno's blaue,
klare Augen, welche träumerisch in feuchtem Schimmer er-
glänzten — es war derselbe frische, rosige lächelnde Mund,
dieselben goldblonden Haare, welche wie ein Heiligenschein
sein liebliches Gesichtchen umrahmten: — derselbe Schnitt
der Nase, dieselbe Farbe der Haut, durch welche azurblau
die feinen Adern hindurchschimmerten — dieselbe Statur —
derselbe Wuchs — dieselbe Stimme!
Regungslos, ganz in den Anblick des Kleinen verlo-
ren, unfähig, eine Sylbe hervorzubringen, schaute Ferdinand
die Erscheinung an, und betastete mit gieriger, zitternder
Hand den Körper des Kindes. — Plötzlich riß er mit ra-
sender Hast das Röckchen auf, womit dasselbe bekleidet war,
und als er sah, daß die Brust des kleinen Wesens weiß und
glatt war wie Elfenbein, daß sie auch nicht die geringste
Spur einer Narbe oder einer Verletzung durch die, wie er
geglaubt hatte, Lodtbringendc Kugel zeigte, brach er, unfähig
sein Erstaunen zu bcmeistern, und den Eindrücken, welche
so urplötzlich aus ihn eingcstürmt waren, erliegend, zusam-
men, indem er das Kind, welches er fest umschlungen bielt
krampfhaft an seine Brust drückte.
— Als Ferdinand von Wartenau wieder zum Leben
 
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