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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1869

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No. 88
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https://doi.org/10.11588/diglit.29848#0358

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Anioniewicz, stellte diese Anzeige den: Hrn. Dr.
Sigmund Gebhardt zu, einem jungen sehr talent-
vollen Untersuchungsrichter, der sich alsbald mit
dem Staatsanwalts Kendierski verständigte und zum
Bischof Galecki sich begab mit der Bitte, er möge
ihm den Eintritt in das Kloster gestatten. Der Bi-
schof erklärte dem Untersuchungsrichter, die Anzeige
durfte auf einer einfachen Mystifikation beruhen;
als jedoch der Vertreter der Gerichtsbehörde in ihn
drang er möge ihm geistliche Assistenz geben, er-
klärte der Bischof, er gebe die Erlaubniß als päpst-
licher Delegat und subdelegirte den päpstlichen Prä-
laten Spital, einen sehr intelligenten und würdi-
gen Priester. Das Kloster der Karmeliter Bar-
füßler! nnen liegt in einer der schönsten Vorstädte
Krarau's, der sogenannten Wesola, in der Nähe
des botanischen Gartens und des Observatoriums
längs einer langen, prachtvollen Seitenalle. An
schönen Sommerabenden prsmeniren die Krakauer
hier. Zuerst trat in das Kloster Pater Spital,
ihm folgte die gerichtliche Kommission, der die
Pförtnerin anfangs den Eintritt zu verweigern
suchte, sodann jedoch gewähren ließ, als Dr. Geb-
hardt sich auf die Erlaubniß des Bischofs stützte
und Herr Spital dies bestätigt. Der Untersu-
chungsrichter sagte sofort der Pförtnerin: „Ich bin
hieher gekommen, um die Nonne Barbara Ubryk
zu sehen und zu sprechen." Diese Worte machten
auf die Pförtnerin einen fürchterlichen Eindruck.
Sie wankte einige Schritte zurück und sagte: „das
ist nicht möglich", und alsbald wollte sie sich
mit einer andern Nonne entfernen, was der Un-
tersuchungsrichter verhinderte, indem er beide
Schwestern festhalten ließ und ihnen erklärte, er
verbiete ihnen im Namen des Gesetzes von der
Stelle zu rühren. Gefolgt von den Nonnen be-
gab sich hierauf die Kommission in den oberen
Korridor, woselbst eine der Nonnen den Unter-
suchungsrichter zu der Zelle der „Schwester" Bar-
bara geleitete. Die Zelle befindet sich am äußer-
sten Ende des Korridors zwischen der Speisekam-
mer und der Kloake, hat ein vermauertes Fenster,
ist mit einer hölzernen Doppelthür versehen, an
der eine verschiebbare Oeffnung angebracht ist, durch
welche wahrscheinlich Speisen verabreicht werden.
Durch eine kleine, freigelassene Fensternische fällt
dann und wann ein Lichtstrahl in diesen unheim-
lichen Kerker. Man öffnete die sieben Schritt lange
und sechs Schritt breite Zelle. Es füllt schwer,
den Anblick zu beschreiben, den dieses Jnquisitions-
stückchcn im 19. Jahrhundert gewährte. In einem
finstern, verpesteten, an eine Kloake angrenzenden
und seiner Bewohnerin als Kloake dienenden Loche
saß oder vielmehr kauerte auf einem Strohlager
ein gauz nacktes, verwildertes, halb
wahnsinniges Weib, welches bei dem un-
gewohnten Anblicke von Licht, Außenwelt und Men-
schen die Hände faltete und jämmerlich flehte: „Ich
bin hungrig, erbarmet Euch meiner, gebt mir

mit betreßten Dienern und Vorreitern, die sich nur schncckm-
artig auf der Landstraße fortbewegen können; dann die Hand-
somes für 2 Personen und die unzähligen Eigenfnhrwerke
der schlichtbürgerlichen Familien, deren Gespann im alltäg-
lichen Kreislauf zum Erwerbe dient, die aber heute an Ge-
schäfts nicht denken, und im Bewußtsein der vollen Gleich-
berechtigung den Lord, der hinter ihnen fährt, absolut nicht
vorbeilassen mit seinem Vierspänner. Dis gewöhnlichen
Cabs sind seltener vertreten, denn die halbe Million, die au§-
zieht, läßt immer noch 2siz Will, in der Stadt zurück, deren
Verkehr gleichfalls vermittelt sein will. Wer keine Damen
bei sich hat, kommt besser fort mit einer der Eisenbahnen,
die heute Zug auf Zug von den Stationen im Süden und
Westen der Riesenstadt die heranströmenden Schaaren be-
fördert für 7H5 Schilling hin und zurück; fo Schreiber
dieses von der Viktoria-Station, zu der aber erst eine kleine
Reise in London selbst mit der Metropolitan (unterirdische
Bahn) zu machen ist. Den Proviant zum unvermeidlichen
ikiolr niolr hat mit ebenso kundiger als sorgender Hand
cme der englischen Frauen besorgt, deren Gemahl mit von
der Partie ist: gut aber viel, nach Landes Sitte; es fehlt
nichts, bis zum Salze herunter ist Alles vorgesehen und in
die schwarzen Taschen vertheilt, deren Jeder von uns dreien
eine übernimmt, mit strenger Verantwortlichkeit wegen Bruch

Fleisch und ich werde gehorsam sein . . ." Diese
Kammer, welche nichts außer einem Haufen Stroh,
aller Art Unrath und einer Schüssel mit verfaul-
ten Kartoffeln, aber sonst gar nichts, keinen Ofen,
nicht Bett, nicht Tisch noch Stuhl enthielt, diese
Kammer, welche kein Sonnenstrahl und kein Herd
erwärmte, hatten die unmenschlichen Schwestern
als Wohnungsstülte für eine ihrer Kolleginnen
auserkoren, und sie daselbst durch einundzwan-
zig Jahre, seit 1848, eingesperrt gehalten.
Durch einundzwanzig Jahre gingen die grauen
Schwestern an dieser Zelle vorbei und keiner von
ihnen war es in den Sinn gekommen, sich des
armen Opfers zu erbarmen. Halb Mensch, halb
Thier, mit kothigem Leibe, mit schlotternden, dür-
ren Beinen, eingefallenen Wangen, mit ganz ge-
schorenem, schmutzigem Kopfe, jahrelang nicht ge-
waschen, kam ein fürchterliches Wesen zum Vor-
scheine, wie es selbst Dante in seiner stärksten
Einbildungskraft nicht zeichnen konnte. Die ein-
gefallenen Augen auf Einen Punkt gerichtet, so
kniete das jammervolle Opfer im Kloster der Car-
meliterinnen. Der Untersuchungsrichter befahl so-
fort, der Barbara Ubryk ein Hemd zu geben und
holte selbst den Bischof Galecki. Beim Anblicke des
Opfers war der Bischof tief gerührt, versammelte
die Nonnen nnd machte ihnen die heftigsten Vor-
würfe über ihr unmenschliches Verfahren. „Ist
das eure Nächstenliebe? Auf diese Weise wollt
ihr ins Himmelreich kommen? Ihr Furien, nicht
Weiber" — so sprach der erzürnte Bischof, nnd
als sich die Frauen entschuldigen wollten, donnerte
er sie an: „Schweigt, ihr Elenden, fort aus mei-
nem Angesichte! Ihr, die ihr die Religion schän-
det .. . Fort!" . . . Der anwesende Beichtvater
Pianttiewicz, ein alter Priester, wagte einzuwenden,
die geistliche Behörde habe von dem Unfug gewußt,
worauf der Bischof und der Prälat Spital ihn
Lügen straften und ihn ermahnten, er möge seine
Seele nicht durch Verleumdungen noch mehr be-
laden. Der Bischof suspendirte sofort den Beicht-
vater und die Oberin, welche aus einem altehr-
würdigen polnischen Adelsgeschlechte stammt und
auf ihre, so hoch geachtete Familie einen solch gro-
ßen Schandfleck wirft. Der Bischof befahl, die
Barbara Ubryk in eine Zelle zu führen, sie anzn-
kleideu nnd zu Pflegen. Nicht ohne Widerstreben
erfüllte die Oberin diesen Auftrag. Als die Bar-
bara Ubryk hinausgeführt wurde, fragte sie ängst-
lich : „Ob mau sie nicht mehr in ihr Grab zurück-
führen werde" — und befragt, warum sie einge-
fperrt war, gab sie zur Antwort: „Ich habe das
Keuschheitsgelübde gebrochen, aber diese da" —
sich mit fürchterlicher Geberde und wildem Sprunge
gegen ihre Kolleginnen wendend — „sind auch
nicht rein, sind auch keine Engel." Auf den Beicht-
vater sprang sie zu und schrie: „Du Bestie!"
Hier folgten einige Ausdrücke, welche der Anstand
wiederzugeben verbietet. Die Untersuchung ist in

oder Lacks, insbesondere aber wegen xioir xoekots der em-
sigen Jsdustrieritter beiderlei Geschlechts, die wie Schmeiß-
fliegen umherschwärmen, unkenntlich in der oft eleganten
Verkleidung, mit der sie sich zu Ehren des Derbytages maskirt
haben, „kiek xooiüets de^urs" (Warnung vor Taschen-
dieben) rufen die Anschläge aus allen Stationen Einem ent-
gegen ; darum die Taschen zu und den Rock festgeknöpft und
dann erst fort mit dem Strome auf der Südwestbahn, über
die Häuser hinweg, über die Themse, an Vatterseapark vorbei,
und bei Clapham Junction durch Tunnel und über Viadukte,
die, zwei, drei neben und über einander liegend die Kreuz
und die Quer dis Knäuel der Schicncnstränge zusammen-
schnüren, aber ebenso sicher wieder lösen, unter Verantwort-
lichkeit der Gesellschaft, in britischer Ruhe. Wehe auch der
Gesellschaft, wenn ein Unfall passirt! Der Doktor neben mir,
mein deuschcr Freund, droht mit einer Klage auf 4000 Pf.
St., sollte ihm eine Rippe zerbrochen werden, und fordert
mich auf, ein Gleiches zu thun in fothamm Falle. Kontu-
sionen und Beulen freilich, die auch Vorkommen können,
werden nicht so gut vergütet; nun hoffentlich wird die Gesell-
schaft unter allen Umstünden ihr Geld sparen wollen, denn
auf dem Zuge sind an 1000 Personen, wenn nicht mehr,
was immerhin eine Lheure Suppe geben könnte, vollends,
wen sich alle so hoch taxiren möchten wie der Doktor. So

Vollem Zuge, stößt aber auf viele Schwierigkeiten
wegen der strengen Klausur, der der Orden der
Carmeliterinnen unterliegt. Der Zutritt ins Klo-
ster ist erschwert, die Nonnen sind stark verschleiert,
so daß der Untersuchungsrichter nie wissen kann,
mit wem er spricht. Die Oberin gibt an, die
Ubryk wäre seit dem Jahre 1848 als wahnsinnig
eingesperrt und das auf ärztliches Anrathen ; sie
beruft sich jedoch auf einen Arzt, der eben im Jahr
1848 das Zeitliche gesegnet hat, während der ge-
genwärtige Arzt Dr. Babrzynski seit sieben Jahren
im Kloster prattizirt nnd die Ubryk nie zu Gesicht
bekam.
Krakau, 24. Juli, Die Untersuchung in
der Klostcr-Affaire nimmt nicht den erwünschten
raschen Verlauf; sie wird erschwert durch starke
Klosterklansur. Diese Affaire gestaltet sich zur
Prinzipienfrage, wobei an den Unterhandlungen
mit den geistlichen Behörden wegen Einvernehmung
der Nonnen und wegen der Klosterrevision sehr
leicht die Untersuchung scheitern kann. Man erwar-
tet allgemein, der Justizminister werde für Krakair
eintreten; die Erbitterung ist riesig nnd findet in
den heutigen Blättern ihren Ausdruck. Die Nonne
Barbara Ubryk wurde gestern von dem Kloster ins
Irrenhaus transportirt, daselbst jedoch unbegreif-
licher Weise den grauen Schwestern zur Pflege
übergeben. Barbara Ubryk, auf welche gestern
die ungewohnte Lnfteinathmung ungeheuer wohl-
thätigen Eindruck machte, zittert beim Anblick von
Nonnen. Die Aerzte haben die Hoffnung nicht
aufgegeben, Barbara werde die Besserung wieder
gewinnen. Es heißt der Bischof werde das Kloster
aufheben.
Krakau, 24. Juli. Gestern, Mitternacht
fand vor dem Kloster der Carmeliterinnen ein be-
deutender Auflauf statt. Man versuchte das Klo-
ster mit Gewalt zu stürmen und die Nonnen zu
vertreiben, und zwar gingen diese Versuche von
Bürgern, nicht vom Pöbel aus. Die Fensterschei-
ben wurden eingeworfen.
A u s l a u d.
Paris, 25. Jnli. Der „Peuple Francais"
das eigentliche Organ des Kaisers, zieht heute
wieder gegen den Parlamentarismus zu Felde,
was in einem Momente sehr bezeichnend ist, wo,
wie so Viele sich einbilden, die französische Regie-
rung auf dem Punkte steht, eine parlamentarische
zu werden. So sagt er z. B.: „Das Land ist
jener Bezeichnungen überdrüssig, die häufig irr-
thümlich, immer aber haarfpaltig und wandelbar
sind, wie: parlamentarische Opposition, „Tiers-
parii", linkes Centrum, rechtes Eentrnm, und es
würde sicher die Bedeutung eines Ministeriums
nicht verstehen, das man ihm unter den genannten
Etiquetten vorführte. Linkes Eentrnm, rechtes
Centrum, welche sonderbare Worte, welche bizarren
Nuancen in einem Lande des allgemeinen St'lMM-

gleichen sich bei dem Mangel jeder behördlichen Kontrole für
die Sicherheit des Dienstes dis Interessen doch immer wie-
der aus.
(Fortsetzung folgt.)

Verschiedenes.
(Ein Mißverhältniß.) Ms die Fürstin Metter-
nich jüngst ihrem Gemahl eine Rechnung ihrer Putzmacherin,
die 2250 Frcs. betrug, überreichte, bezahlte sie derselbe, aber
nicht ohne folgende Bemerkung: „Meine Liebe, ich bemerke,
daß in demselben Verhältniß, wie Deine Hüte kleiner werden,
der Preis derselben sich vergrößert; eines Tages wird die
Putzmacherin nur die Rechnung bringen/
— In Newcastle ist einem dortigen Blatt zufolge ein
Mädchen am Aussatz gestorben, dm es durch seinen Chignon
gefangen hat. Dieser gefährliche Putz war vermuthlich aus
Haaren gefertigt, welche zu diesem Zweck von den Hospi-
tälern und Kirchhöfen des Orient» cingeführt werden.
(Hohes Alter.) In Montreux ist eine 106 Jahre alte
Engländerin, Frau Smith, gestorben. Sie schrieb ihre
Erhaltung den Milchbädern zu, welche sie Tag für Tag «som-
mers und Winters nahm.
 
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