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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 10.1910/​1911

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Redaktioneller Teil
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Riess, Paul: Zur Geschmacksbildung des Kaufmanns
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Rothe, Friedrich: Anteil der Künstler am Wertzuwachs, II
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https://doi.org/10.11588/diglit.52067#0227

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heft ^6.

Die Werkstatt der Kunst.

2^9

winnung einer Geschmacksbildung gebe ich vorläufig die
rohen Umrisse eines Systems, das vorerst eine Anwendung
durch den feinfühligen, in der Praxis erfahrenen Künstler
und Pädagogen finden muß, wenn es als brauchbar und
zweckentsprechend angesehen werden soll. Gerade der innere
Ausbau dieser rohen Umrisse, die Spezialisierung der Lehr-
form und des Lehrstoffes, kann erst durch weitere Versuche
erreicht und zu einem Leitfaden für Unterrichtszwecke ge-
staltet werden, was ich hier gab, erscheint auf den ersten
Blick etwas kompliziert, die Praxis wird jedoch ergeben,
daß sich vieles vereinfachen, ändern und vereinigen läßt.
Aus der Praxis geschöpft und für die Praxis be-
rechnet, wird sich bald die Lebensfähigkeit meiner Lehr-
und Lernmethode ergeben. Ueberlassen wir getrost diese
ganze Materie dem Künstler, der ja auch sonst, und gerade
in unserer Zeit, unser Führer und chelfer ist. Es gilt
heute an die Tat heranzutreten und vorerst in irgendeinem
größeren Kulturzentrum, das reiche geschmackliche Vorbilder
und eine gute Schülerresonanz zur Verfügung hat, in die
weitere Erprobung der Lehrmethode und des Lehrstoffes
einzutreten. Als zweite Aufgabe wäre dann in Geschmacks-
bildungskursen die Heranbildung von Lehrern ins
Auge zu fassen.
UnteU cter Runlller am Mertzuxvacks. H
Mit dem von Herrn Georg Hermann ausge-
sprochenen und in Heft wiedergegebenen Wunsche,
die Künstler an der Wertsteigerung ihrer verkauften
Werke zu beteiligen, stimme ich vollkommen überein.
Der von ihm angeregte weg ist aber nicht gangbar.
Zunächst verkennt Herr Hermann die Sachlage,
wenn er bei dem Vergleich zwischen Schriftsteller und
Künstler die ungünstige Lage des Künstlers darauf
zurückführt, daß das Urheberrecht des Schriftstellers
weiter ausgebaut sei. Abgesehen davon, daß die
Beteiligung des Schriftstellers am Erlöse seiner Werke
nicht eine Frage des Urheberrechts, sondern des Ver-
lagsrechts ist, kommt für die Beteiligung an der
Wertsteigerung des Originals das Urheberrecht über-
haupt nicht in Frage, da dasselbe ja auch beim Ver-
kauf des Originals mangels besonderer Vereinbarung
dein Künstler verbleibt.
Wenn nun Herr Hermann vorschlägt, daß alle
Verkäufe eines Kunstwerks in notarieller Form ab-
geschlossen werden sollen, um eine Kontrolle über
den Handel zu ermöglichen, so würde dies m. L.
die Lage des Künstlers nicht verbessern, sondern aufs
schwerste schädigen, weil eine derartige Formvorschrift
den ganzen Handel mit Kunstwerken lahmlegen
müßte. Sollte etwa bei jeder Kunstauktion ein Notar
zugegen sein, in jeder Kunstausstellung und in jeder
größeren Kunsthandlung ständig ein Notar stationiert
werden, um die Verkäufe sofort beurkunden zu können?
Zst der Notar nicht gleich zur Stelle, so werden recht
wenige Verkäufe zustande kommen, da einerseits
nicht viele Käufer Lust haben werden, sich noch zum
Notar zu begeben, und andererseits erfahrungsgemäß
recht viele Käufer sich auf dem Wege zum Notar
die Sache noch anders überlegen und im letzten
Augenblick vom Geschäft zurücktreten. Erfahrungs-
gemäß übt jede Erschwerung der Form eines Rechts-
geschäfts die schädlichste Wirkung auf den Verkehr

aus. wer aus Erfahrung weiß, wie oft der Künstler
den Kauflustigen nicht einmal um Unterzeichnung
einer kleinen Kaufbestätigung zu bitten wagt, aus
Furcht, daß ihm dann der Kauf gereuen würde,
der wird jede Erschwerung des Verkaufs nach Mög-
lichkeit zu vermeiden suchen, wenn sie dem Kauf-
lustigen irgendwelche Unbequemlichkeiten verursacht.
Dazu kommt weiter, daß der Kunsthandel diese er-
hebliche Verteuerung in vielen Fällen gar nicht tragen
könnte, weil die Notariatskosten oft in gar keinem
Verhältnis zu dem geringen Preise des Originals
stehen. Man denke an Zeichnungen, Ansichtskarten
u. dgl., die doch ebenfalls Kunstwerke sind und des-
halb der Formvorschrift ebenfalls unterliegen würden.
Dazu kommt weiter, daß die notarielle Form den
Künstler gar nicht in die Lage versetzen würde, einen
Anteil an Wertzuwachs zu fordern, weil er von dem
vertragsschlusse ja keine Kenntnis erlangen würde.
Eine Benachrichtigung durch den Notar würde un-
möglich sein, weil dem Notar Name und Adresse
des Künstlers nicht bekannt sind.
Dieser weg ist also nicht gangbar. Es wird
aber überhaupt schwer sein, einen weg zu finden,
der zum Ziel führt, ohne den Handel mit Kunst-
werken unerträglich zu belästigen. Das erste Er-
fordernis wäre stets eine Registrierung der Kunstwerke,
weil ohne eine solche das Schicksal des einzelnen
Werks nicht verfolgt werden könnte. Man könnte
hier an die Schaffung einer Zentralstelle denken,
bei der jeder Künstler seine Werke unter gleichzeitiger
Niederlcgung einer Reproduktion anmelden kann,
ohne zu einer solchen Anmeldung genötigt zu sein,
wird dann auf den: Original die Registrierung bei
der Zentralstelle kenntlich gemacht, so könnte die
Gültigkeit des Verkaufs eines registrierten Werks
von der Anzeige an diese Zentralstelle abhängig ge-
macht werden, die von dem Verkäufer auszugehen
hätte und ihm keine besonderen Unbequemlichkeiten
verursachen würde. Die Zentralstelle hätte dann nach
Eingang der Anzeige einen bestimmten Prozentsatz
der Wertsteigerung vom Verkäufer einzuziehen und
an Staat und Künstler abzuführen. Die Unterlassung
der Anzeige, die Angabe unrichtiger Verkaufspreise
u. dgl. müßte unter Strafe gestellt werden, um
eine Umgehung der Vorschriften möglichst zu ver-
hindern.
Auf diese oder ähnliche weise ließe sich mög-
licherweise der Gedanke, den Künstler an der Wert-
steigerung seiner Werke zu beteiligen, verwirklichen.
Zch verkenne aber nicht, daß auch einer derartigen
Regelung, die ich natürlich hier nur in ganz groben
Zügen angegeben habe, sehr erhebliche Bedenken
entgegenstehen und das auch oie Ausführung be-
deutende Schwierigkeiten verursachen würde.
Berlin, den Januar sHsp
Or. KrieckricU I^otKe, Rechtsanwalt.
Syndikus der Allgemeinen Deutschen Knnstgenossenschaft.
 
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