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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 10.1910/​1911

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Redaktioneller Teil
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Wagner, Otto: Ueber Kunsterziehung
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Die Münchener Akademie der bildenden Künste als Hochschule
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https://doi.org/10.11588/diglit.52067#0643

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Heft §6.

Die Werkstatt der Runst.

635

M. Olbrich und Adolf Böhm zu berufen, akzeptiert worden
wäre.
Da es von Amts wegen nicht möglich ist, die Qualität,
den Werdegang, die künftige Betätigung und die Schaffens-
grenze eines Künstlers zu beurteilen, Künstlerqualitäten
überhaupt schwer zu bestimmende, sehr oft recht variable
Größen find, so wird sich die Staatsverwaltung bei Be-
rufung von Künstlern immer in höchst unsicherer Lage be-
finden. Diese Lage wird noch dadurch wesentlich mißlicher,
als der Born, aus welchem die Staatsverwaltung ihre
künstlerische Ueberzeugung zu schöpfen gezwungen ist, sich
nicht stets in gleicher Frische erhalten kann.
Ls liegt daher der Gedanke nahe, ein Nittel zu er-
sinnen, welches diese Möglichkeit zuläßt. Die Richtigkeit
der Wahl bei Berufung eines Künstlers als Lehrer kann
durch einen vom Verfasser schon vor einem Jahrzehnte ge-
machten Vorschlag einer einwandfreien Verwirklichung be-
deutend näher rücken. Dieser Vorschlag geht dahin, die
Kun st lehrkräfte nur auf die Dauer von fünf Jahren
zu binden. Nach Ablauf dieses Termins steht es selbst-
verständlich der Unterrichtsverwaltung frei, eine Wieder-
ernennung auf weitere fünf Jahre und so fort zu voll-
ziehen. Empfiehlt sich ein solcher Vorgang überhaupt für
alle Hochschullehrkräfte, so wird er für die Kunsthochschulen
geradezu zur Bedingung. Es ist klar, daß durch eine solche
beständige Neubelebung die besten Resultate erzielt werden
müssen und auch der angedeutete offizielle Wertmesser wird
durch einen solchen Vorgang tadellos funktionieren. Bei
der Wahl von Kunstkräften hört eben die Sache
auf, eine Unterrichtsangelegenheit zu sein, son-
dern sie wird zur Kunstfrage."
Oie Müncbener Akaäemie cler bilclenäen
Künste als Z)ock?ekule
Die Akademie der bildenden Künste, die be-
kanntlich zu ihrem toojährigen Jubiläum im Mai tstOst
zur Hochschule erhoben wurde, hat nunmehr unterm
8. August auch die bezügliche Organisation erhalten. Die
allerhöchste Verordnung läßt der freien künstlerischen Be-
tätigung, der Entwicklung der Eigenart freien Spiel-
raum. Ansprüche an einen bestimmten Grad von Bildung
werden nicht erhoben; es braucht auch niemand einen be-
sonderen Nachweis zu erbringen, wie er seine Bildung er-
reicht hat. Maßgebend für die Aufnahme ist lediglich die
künstlerische Begabung, die aus den vorzulegenden Arbeiten
ersichtlich ist. Dadurch unterscheidet sich die neue Orga-
nisation der Münchener Kunstakademie wesentlich von der
der Kunstakademie zu Berlin und Wien; erstere verlangt
den Linjährig-Freiwilligen-Berechtigungsschein, letztere das
Absolutorium einer Mittelschule. Die Anforderungen der
Münchener Kunstakademie werden entsprechend ihrem Hoch-
schulcharakter gesteigert und auch die Aufnahme und die
Prüfung der eingereichten Arbeiten wird eine strengere
werden als bisher. Ueber den Charakter und die Aufgabe
der Akademie sprechen sich die Verordnung und die Satzungen
dahin aus, daß die Akademie als Hochschule der Malerei,
Bildhauerei und Graphik die Aufgabe hat, junge Männer,
welche die bildende Kunst als Lebensberuf gewählt haben,
jene Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln, deren sie
zur selbständigen erfolgreichen Ausübung des Künstler-
berufes bedürfen. Als Grundlage des Unterrichts wird
das Studium nach der Natur festgehalten. Dieser Natur-
unterricht ist ein praktischer und ein theoretischer. Für
den praktischen Unterricht sind die Naturklassen und die
Komponierklassen bestimmt. Erstere haben die Aufgabe,
den Studierenden vor allem ein gründliches Verständnis
der Form zu vermitteln und sie zugleich durch praktische
Uebungen in der Technik des Zeichnens, Malens, Model-
lierens oder der graphischen Kunst auszubilden. In den
Naturklassen arbeitet der Studierende gemeinsam nach der
Natur, insbesondere nach lebenden Modellen. In die
Komponierklassen werden nur Studierende mit einem vor-

gerückten Grad von Können ausgenommen. Hier sollen
sich die Studierenden unter Leitung des Professors im Ent-
werfen und Ausführen von Werken eigener Erfindung
üben; die Komponierklassen sollen also den Studierenden
zur selbständigen Ausübung der Kunst hinüberleiten, zur
Selbständigkeit erziehen. Den Professoren ist dabei zur
Auflage gemacht, den Unterricht nach freiem künstlerischen
Ermessen unter tunlichster Berücksichtigung der künstlerischen
Fähigkeiten und Neigungen ihrer Studierenden zu erteilen.
Ls wird also die Anpassung des Lehrers an den Schüler
gefordert. Das bisher bestandene Klassensystem ist voll-
ständig verschwunden; jetzt sind alle Klaffen — mit Aus-
nahme der Komponierklasse — Naturklassen, die einen ge-
rneinsamen Unterricht haben, und nur nach Modellen
arbeiten. Eine Ergänzung des Unterrichts in den Natur-
und Komponierklasfen ist der theoretische Unterricht, mit
dein nach Bedarf praktische Uebungen verbunden werden
können. Er besteht in Vorträgen über allgemeine Geschichte,
besonders Kulturgeschichte, über Kunstgeschichte unter be-
sonderer Berücksichtigung der die KuÜurentwicklung be-
dingenden Kulturverhältnisse, über Anatomie der Menschen,
verbunden mit Zeichnen nach anatomischen Präparaten,
Anatomie der Tiere, über darstellende Geometrie, Per-
spektive und Schattenlehre, über Architektur (Bauformen
und einfache Entwürfe) und über Malmaterialienkunde;
letzteres Hilfsfach ist vollständig neu einbezogen und soll
die jungen Leute besser mit ihrem Handwerkszeug vertraut
machen. Bisher waren die Vorlesungen fakultativ, nun-
mehr sind die Vorlesungen über darstellende Geometrie,
Perspektive, Schattenlehre und Architektur obligatorisch und
wird über die Beherrschung dieser Fächer ein Zeugnis aus-
gestellt. von besonderer Wichtigkeit ist die Bestimmung,
daß das erste Jahr des Studiums an der Akademie als
Probejahr gilt. Auf Grund der Arbeiten während des
Probejahres entscheidet das akademische Kollegium über
die Zulassung zum weiteren Studium; bei ungenügenden
Leistungen kann die Fortsetzung der Studien verweigert
werden. Die definitive Aufnahme in die Akademie findet
erst nach einem Jahre statt. Der Besuch der Komponier-
klasse ist in der Regel aus drei Jahre beschränkt. Nach
dem Probejahr wird auch ein Zwang aus den Besuch der
Vorlesungen nicht mehr ausgeübt. Die Aufnahme eines
Studierenden in den verband der Akademie geschieht fortan
durch die Immatrikulation, welche in der Regel nur
jungen Männern bewilligt wird, die das Lebensjahr
erreicht, das zo. Lebensjahr nicht überschritten haben.
Nach erfolgter Immatrikulation, die in ähnlicher Weise
geschieht wie an der Universität, und nach Erlegung der
vorgeschriebenen Gebühren erhält jeder Studierende ein
Exemplar der Satzungen und eine auf feinen Namen
lautende Legitimatiouskarte. Die Dauer der Inskription
ist wesentlich gekürzt worden; sie beträgt nur tH Tage,
und zwar sind die ersten Tage eines Semesters hierzu
bestimmt. Für das Wintersemester t9N/l2 kommen also
die Tage vom y. bis mit 2t- Oktober als Inskriptionstage
in Betracht. Das Wintersemester beginnt am 2. Montag
im Oktober und schließt mit dem Samstag vor der Kar-
woche, das Sommersemester beginnt am Montag nach der
Osterwoche und endet Mitte Juli. Die Gebühren sind
vollständig neu geregelt und bestehen in der einmaligen
Immatrikulationsgebühr, welche für Deutsche 20 Mk., für
Ausländer HO Mk. beträgt (bisher je 20 Mk.), in dem
Semestergeld von 35 Mk. für Deutsche, von 70 Mk. für
Ausländer (bisher 32 Mk. und 62 Mk.) und in den Bei-
trägen zum Krankenhaus (2 Mk. für das Wintersemester,
t Mk. für das Sommersemester) und zur Unfallversicherung
(50 Pf. pro Semester). Die Immatrikulationsgebühr und
das Semestergeld sind lediglich staatliche Gebühren, ein
Kollegiengeld wie an der Universität wird an der Akademie
nicht erhoben; es ist also der Unterricht kostenlos. In den
Bestimmungen über Erlaß des Semestergeldes ist insofern
eine bemerkenswerte Aenderung eingetreten, als Ausländer
nun nicht mehr um Erlaß des Semestergeldes uachsuchen
können; doch kann das akademische Kollegium für bedürftige,
 
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