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Die Gartenkunst — 3.1901

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Heerwagen, Leo: Bayreuth, Eremitage und Fantasie, [1]
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DIE GARTENKUNST

1

III, I

Gärten Deutschlands.

Bayreuth, Eremitage und Fautasie.

Von Leo Heerwagen, Dresden.

Wie’s Fantasie nur wünsclit, so fügen
G-ebäude nnd Bäume liier sicli zum reizenden
Bild, zaubernd zur Walirheit den Traum.

König Ludwig.

Die grolse Zeit der beiden Fürstentümer Bayreuth und
Ansbach ist längst entschwunden und einst selbständige
Residenzen sind jetzt stille Provinzialhauptstädte geworden.

Das „Vom Fels zum Meer“ der Hohenzollern streift
auch etwas in die Vergangenheit des alten brandenburgi-
schen Markgrafentums hinein; aus diesen Gegenden zogen
die Vorvorderen des neuen deutschen Kaiserreiches ost-
wärts. Im Münster des fränkischen Städtchens Heilsbronn
beflndet sich ihre Ahnengruft und in den Schlössern von
Bayreuth und Ansbach erscheint ihre Ahnfrau, die Gräfln
von Orlamünde, als Verkünderin jeder wichtigen Verände-
rung im Hause Hohenzollern.

Bayreuth ist eine herrliche, sonnige Stadt, die heute
noch Zeugnis davon giebt, dafs sie darauf angelegt war,
die Hauptstadt eines Fürstentums auf Jahrhunderte zu
bleiben und die es doch ertragen kann, dafs sie das nicht
geworden ist, d. h. die nicht so wie manche andere, im
Mifsverhältnis aus dem Nichts hervorkommandierte Stadt,
nun zur Ruine geworden, sondern die den Stolz einer
reichen Vergangenheit mit der Thatkraft einer strebsamen,
vorwärts eilenden Gegenwart zu vereinen gewufst hat.
Man mufs nur die breiten, von stattlichen Gebäuden ein-
gefafsten Strafsen durchwandern, die Schlösser mit ihren
Höfen und Gärten betrachten, das in goldener Pracht er-
strahlende Opernhaus sich erschliefsen lassen, und man
hat heute noch den gewaltigen Eindruck einer echten und
rechten Fürstenstadt, auf der der Hauch noch nicht be-
nommener Vornehmheit ruht.

Bayreuth liegt vor uns da wie ein aufgeschlagenes,
reich illustriertes Werk, in dem der Rokokostil seine
Triumphe feiert.

Die eigentliche Glanzperiode Bayreuths fällt in die
Regierungszeit des prunkliebendenKürfürsten Georg Wilhelm>
der auch den Grundstein zur Vorstadt St. Georgen legte.
Unter ihm wurde der dortige grofse Wreiher zu einern
über 125 ha grofsen See umgewandelt und mit Flaggen-
und Kanonenboten ausgestattet. An seinem Ufer entstand
nicht nur ein stattliches Schlofs, sondern auch die be-
rühmte Ordenskirche, in welcher die Kapitel des Ordens
de la Sincerite abgehalten wurden, aus denen dann der
rote Adlerorden hervorging.

Als besondei’s beachtenswert für architektonische
Studien ist die gotische Kirche und das alte Schlofs aus
dem 15. Jahrhundert hinzustellen. Vor dem letzteren steht
die Statue König Maximilians II. und ist dieselbe mit ele-
ganten, der Umgebung angepafsten Gartenanlagen umgeben.
Dann das Standbild eines Dichters, der Bayreuth seine
Heimat nennen darf: es ist Jean Paul, umgeben von

Die Gartenkunst,

reizenden Schmuckanlagen, die in ihrer Anordnung mit dem
den Platz halbumgebenden Gymnasium im Rokokostil einzig
auch in ihrer Zweclimäfsigkeit dastehen dürften.

Alles ringsum blüht und duftet; alte Thore und sonstige
historische Erinnerungen sind eingerahmt von blumen-
reichen Anlagen, die wie ein blühender Kranz gleichsam
das Bild eines verehrten Ahnherrn umgeben. Besonders
macht aber der alte Friedhof mit seinen erhabenen Denk-.
mälern in dunklen Cypressenhainen aufjedes für Romantik
empfängliche Gemiit einen gewaltigen und eigentümlich
wehmütigen Eindruck. Freundlicher dagegen gruppieren
sich die zahlreichen Villen, welche sich behaglich mit ihren
Gärten an die sa.nften Anhöhen schmiegen. Und nun
kommen draufsen noch die herrlichen, allerdings auch nur
2 Millionen Gulden kostenden Gebäude, Gärten und Wasser-
künste der

„Eremitage“

hinzu; hier hatte dann die Markgräfin auch und zwar in
schönster, das damalige Original noch übertreffender Kopie,
was Sanssouci dem königlichen Bruder war.

Man sagt zwar, der französische Gartenstil sei eine
geniale Schändung der Vegetation, die halb von der Archi-
tektur, halb von der Politilc inspiriert sei; man wird aber
hiernach sehr leicht zu der Überzeugung gelangen, dafs
die damalige Kunst etwas Besseres, Aparteres schaffen
mufste, als die gemeine Natur mit ihren sich immer gleich-
bleibenden Formen, die man sich schon längst iiberdrüssig
gesehen hatte. Diesem Grundsatze hatte auch die Eremitage
ihren glänzenden Aufschwung zu verdanken.

Dieser herrliche und im wahren Sinne des Wortes
königliche Besitz liegt etwa eine Stunde von der Stadt
entfernt; eine schattige Lindenallee führt uns an der Villa
Wagner und an der grofsen Kriegsschule vorüber zu
demselben. Mitten auf dem Wege dahin steht die sog.
„Rolbvenzelei“ wo Jean Paul mit der „Rollwenzelin“ dichtete..

Hier in der Nähe erbaute 1715 Markgraf Georg Wilhelm
auf einer nahe dem Dorfe St. Johannis gelegenen waldigen
Anhöhe ein Jagdschlofs, schuf den vom Markgrafen Christian
anfänglich zu einem Tiergarten bestimmten Wald in einen
Garten um, legte in den übrigen Teilen dieses Waldes
8 Eremitenhäuser an und benannte hiernach die Anlage
„Eremitage“.

Eine dieser Klausen, mit einem Türmchen und einer
Glocke versehen, war für den Markgrafen bestimmt. Im
Sommer hielt sich dieser hier mit einer lcleinen Gesellschaft
auf und man lebte nach gewissen Regeln; trug braune
Kutten und Hüte, wandelte mit Stäben und Flaschenkürbissen
in der Hand umher und speiste aus irdenen Geschirren
mit hölzernen Löffeln. Nur auf ein vom Schlofsherrn ge-
gebenes Glockenzeichen trat die „fromme Gesellschaft“
zusammen, um prozessionsartige Spaziergänge in den An-
lagen zu unternehmen. Es mochte dies wohl einen bizarren
Eindruck gemacht haben.

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