Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Gartenkunst — 3.1901

DOI Heft:
Nr. 12
DOI Artikel:
Schubarth, Leo: Die Jubiläums-Ausstellung für Industrie und Gewerbe in Riga aus Anlaß des 700jährigen Bestehens der Stadt Riga
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22265#0242

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
III, 12

DIE GARTENKUNST

22 B

Ausstellungsanlagen.

Die Jubiläums-Ausstellimg fiii* Iudustrie und Gewerbc iu
Riga aus Aulafs des 700jährigen Bestehens der Stadt Riga.

Yon L. Schubarth, Garteningenieur, Reval.

(Mit 5 Abbild.)

Im Jahre 1201 wurde Riga von Bischof Albert aus
Bremen gegründet. Der kluge Bischof hatte'den Ort für
die Gründung einer Stadt gut gewählt: im Herzen der
baltischen Provinzen an der Miindung der Düna, eines
grossen schiffbaren Flusses, der das Bindringen bis tief
ins Innere des Landes ermöglicht.

Den Kreuzrittern waren die Kaufleute gefolgt und
unterhielten einen schwunghaften Handel mit den Einge-
borenen. Den Charakter einer Handelsstadt hat denn Riga
auch beibehalten, obgleich die vielen Fabrikschornsteine
deutlich genug beweisen, dafs auch die Industrie in hoher
Bliite steht.

Der Zweck der Ausstellung ist es, die Fortschritte
zunächst Rigas, dann aber auch der gesamten Provinzen
in Industrie und Gewerbe dem Besucher vor Augen zu
führen.

Für die Verwirklichung der Ausstellung ergaben sich
wie immer bei derartigen Gelegenheiten zwei grosse
Schwierigkeiten: Platzwahl und Mobilmachung der grossen
dazu benötigten Geldsumme. Dank dem Entgegenkommen
der Staats- und Stadtbehörden, sowie der Opferwilligkeit
der Bürger wurden die Schwierigkeiten beseitigt, und die
Ausstellung kam zu stande und zwar im Centrum der Stadt
auf der sog. Esplanade. Letztere ist ein grofser trapez-
förmiger, von einer schönen zweireihigen Linden-Allee urn-
säumter Piatz, der bisher als Exerzierplatz diente und seines
traurigen Aussehens wegen den Einwohnern schon lange
ein Dorn irn Auge war.

Architekt und Gartenkünstler haben hier Grofses ge-
leistet. Überall erheben sich moderne phantastische Bauten,
und die staubige Sändbüchse ist in einen blühenden Garten
verwandelt.

Eine erfreuliche Stellung nimmt die Gärtnerei zu den
übrigen Zweigen der Ausstellung ein, da sie in jeder Be-
ziehung als gleichberechtigt der Industrie und dem Gewerbe
zur Seite steht und ihr dieselbe Aufmerksamkeit von allen
Schichten der Bevölkerung entgegengebracht wird, wie
jenen,

Die Gärtnerei steht aber auch in ihren Leistungen
keineswegs den anderen Zweigen der Ausstellung nach,
sondern bildet eine nicht unbedeutende Vervollständigung
des Gesamteindruckes.

Besonders erwälinenswert sind die Erzeugnisse von
drei Rigaer Firmen: C. W. Schoch hat ein wirklich ge-
diegenes Sortiment Formobst, Rosen, Gehölze, Blatt- und
Blütenpflanzen, in anschaulicher Weise geordnet, vorgefiihrt,
Krefsler ist hauptsächlich mit selbstgezogenen Kalthaus-
pflanzen, namentlich gutgezogenen Lorbeeren und Buxus
vertreten, während in der Binderei Goegginger den ersten
Platz behauptet.

Die Gartenlcunst.

Die gärtnerische Ausschmückung des Ausstellungs-
Platzes ist von Herrn Stadtgarten-Direktor Kuphaldt aus-
gefiihrt worden und zwar in der denkbar reichsten und
vollkommensten Weise.

Auf der ca. ha messenden Esplanade wurden schon
im Herbst 1900 die Arbeiten in Angriff genommen, die
Wege (ca. 3‘/2 ha) sind sämtlich befestigt und alle freien
Plätze in saftige Rasenflächen verwandelt worden, auf denen
in zweckentsprechender Weise Baum-, Strauch- und Blumen-
gruppen verteilt sind. Es sei bemerkt, dafs wolil selten
derartig verhältnismäfsig grofse Flächen zu gärtnerischen
Zwecken abgegeben werden und dem Gartenkünstler so viel
freie Hand gelassen wird, wie es hier der Fall war. Daher
ist aber auch das Bild ein derartig vollständiges. Nirgendwo
trifft der Blick des Beschauers eine brachliegende Stelle,
überall sind auch die unschönen Wände durch geeignete
Pflanzung gedeckt.

Besonders zwei Teile sind eines genaueren Eingehens
wert: die Gartenbau-Abteilung und das Parterre am Haupt-
eingange (Prunkgarten).

Das prachtvolle Material, das hier zur Bepflanzung ver-
wandt worden ist, fesselt besonders den Gartenfreund. Zur
Verwendung gekommen sind winterharte Coniferen; Gruppen
von Jlex laurifolium, Taxus baccataerecta, Thujaoccidentalis
und Hoveyi, Chamaecyparis pisifera plumosa, aurea,
filifera u. s. w.

Für den Gartenkünstler aber sind die in moderner
Linienführung gehaltenen Blumenstücke undStrauchgruppen
von weit gröfserem Interesse. Bemerkenswert ist, dafs die
Blumenstücke und Strauchgruppen auch vertikal proflliert
sind, so dafs die im Grundrisse breiteren Flächen höher als
die sclimalen gehalten sind. Die Methode ist s'ehr zu
empfehlen, da beim Voriibergehen das Bild immer wechselt
und sich imrner wieder neue reizvollo Silhouetten für den
Beobachter bilden.

Herr Stadtgarten - Direktor Kuphaldt ist rneines
Wissens einer der Ersten, der es versucht hat, moderne
Forrnen zu verwenden, und zwar mit dem günstigsten
Erfolge.

Ehe ich zur Bepflanzungsangabe übergehe, sei es mir
vergönnt, einiges über die moderne Linienführung zu er-
wähnen. Es ist viel hin und her gestritten worden, ob die
modernen Formen auf dem Gebiete der Gartenkunst ver-
wendbar sind. Aber es ist stets beim Streiten geblieben.
Soweit mir bekannt, hat es bisher keiner gewagt, sie anzu-
wenden, sei es aus Unkenntnis der genannten Stilart, sei
es aus Furcht, sich lächerlich zu machen. Immer und
immer wieder werden „die guten althergebrachten Formen“
in Anwendung gebracht. Diese bestehen denn häuflg aus
unmotiviertem Schnörkelwerk, haben aber daher den Vorzug,
einer Kritik in Bezug auf Stilreinheit zu entgehen.

Die modernen Formen sind für unser Material wie ge-
schaffen. Nirgendwo scharfe, schmale Spitzen und über-
mäfsige Einschnürungen. Lange Linien in flachen, aber
docii schönen Kurven verlaufend, hin und wieder bruchartig

32
 
Annotationen