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Die Gartenkunst — 3.1901

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Jung, Hermann Robert: Franz Heinrich Siesmayer
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III, 2

DIE GARTENKUNST

2J

Nachruf.

Franz Heinricli Siesmayer j.

(Mifc Bildnis.)

„Nach dcm Eincr ringt,

Also ilim gelingfc,

Wenn Manneskraffc und Hab,
Ihm Gott 7-iun Willen gab.

(Gocfchc )

Um die Mitternachtsstunde des 22. Dezember 1900
verstarb zu Bockenheim in einem Alter von nahezu 83 Jahren
der Königlich Preufsische Gartenbaudirektor Franz
Heinrich Siesmayer.

In dem Heimgegangenen ist ein Mann von
uns geschieden, dessen Hand in Deutsch-
iands Gauen unendlich viel Schönes in der
Natur geschaffen, dessen Namen der Ge-
schichte deutscher Gartenkunst fiir alle
Zeiten erhalten bleibt; er war ein Meister,
dessen Schöpfungen ebenbiirtig mit den
Werken eines Sckell und Lenne genannt
zu werden verdienen. Der Verstorbene
war ein Genie in des Wortes vollster
Bedeutung; aile Fährlichkeiten der
Existenz, alie Hindernisse und Schran-
ken, die sich seinem Streben entgegen
zu setzen versuchten, verstand er zu
bezwingen oder zu überbrücken. Mifs-
liche Gegenströmungen aller Art, die teil
weise in politischen und finanziellen Zeit-
verhältnissen ihre l'rsache hatten, drohten in
den ersten Jahren seine geschäftliche Thätigkeit
zu vernichten, doch gelang es seinem rastlosen
Schaffen, sich in
mühevollem Rin-
gen zur Stufen-
ieiter reicher und
dankenswerter
Erfolge empor zu
schwingen, wie
sie nur wenigen
der auserwählten

Jünger Floras beschieden waren. Von Jugend
auf an eine regsame Thätigkeit gewöhnt,
kannte sein Geist und Wille keine Fesseln; der
W ahlspruch:

„Nur vorwärts, nicht verzagt,

Nicht viel nacli rechts und links gefragt,

Mit Gott gewagt!“ —

ist ein Spiegelbild seines ganzen Wesens, in dem sich ein
männlich ernster Charakter voli Thatkraft und Energie,
aber auch reich an Herzensgüte und liebreicher Ftirsorge
um die Seinigen offenbarte.

H. Siesmayer ging aus einer harten Schule des Lebens
hervor; um die Mitte des vorigen Jahrhunderts, unter der

Die Garfcenkunst.

Last kleinstaatlicher Pedanterie, wie sie die heutige
Generation nie gekannt und hoffentlich niemals erleben
wird, gründete er in bescheidenen Grenzen ein landschafts-
gärtnerisches Geschäftsunternehmen, welches sich im Ver-
lauf der Jahrzehnte zu einem der ersten Etablissements
Deutschlands emporgehoben. Was Sckell und Lenrie unter
landesherrlicherProtektion, unterEnthebung aller finanziellen
Sorgen in ihrer gesicherten Lebenssteilung geschaffen, das
unternahm Siesmayer mit darnals ungekanntem
Wagemut als freier unabhängiger Geschäfts-
mann — er ist, somit als das Vorbild des
heute bltihenden landschaftsgärtnerischen
Geschäftsbetriebes zu betrachten.

Franz Heinrich Siesmayer war am
26. April 1817 als zweitältester Sohn des
Kunstgärtners Jakob Philipp Siesmayer
aus Niederselters „auf dem Sande“ bei
Mainz geboren. Ain 1. April 1832 trat
der Verstorbene in die Handeisgärtnerei
von Sebastian und Jakob Rinz (Vater
und Sohn) in Frankfurt als Lehrling
ein. Nach einer zweijährigen Lehrzeit
verblieb er noch weitere 6 Jahre im
Geschäfte als Gehilfe thätig, woselbst
er sich insbesondere die Freundschaft
seines eigentlichen Lehrmeisters Sebastian
Rinz (Stadtgärtner von Frankfurt undSchüler
des bekannten Guiollett) erwarb, unter dessen
Leitung Siesmayer als Zeichner, sowie bei Aus.
führung der Wiesbadener Kuranlagen (1836), der

hei’zoglichen Aue
bei Biebrich
u. s. w. thätig
war. Das Streben
nachSelbständig-
keit veranlafste
jedoch den da-
mals 23jährigen
jungen Mann am
1. Mai 1840 ein eigenes Geschäft
in einem kleinen gemieteten
Garten Bockenheims zu eröffnen.
Dieser Etabiierung stellten sich
zu Anfang fatale Hindernisse
entgegen; der damalige Kurfürst
von Hossen hatte eine Kabinetts-
ordre an die Bockenheimer Poiizei
erlassen, wonach ein jeder, der sich bezüglich seiner Mittel
nicht genügend ausweisen konnte, die Stadt in kürzester
Frist zu verlassen habe. Auch Siesmayer war der Aus-
weisung verfallen, wenn nicht der menschenfreundliche
Polizeichef Bücking in besserer Einsicht den kurfürstlichen
Befehl entkräftigt hätte. Von 1842 ab vereinigte sich

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