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Die Gartenkunst — 3.1901

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Nr. 9
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Preiffer, Carl: Einige Winke bei der Gehölzvermehrung durch krautartige Stecklinge
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DIE GARTENKUNST

183

III, 9

Gehölzzucht.

Eiuige Winke bei der Gehölzvermehrung durch kraut-
artige Stecklinge.

Yon Garteninspektor Carl Pfeiffer, Köstritz.

Eine grofse Zahl unserer Gehölze läfst sich am vorteil-
haftesten durch krautartige Stecklinge vermehren und wird
dieses Vermehrungsverfahren auch stets sehr gern An-
wendung finden. Hierbei beobachtet man jedoch oft, dafs
sehr viele Gärtner wohl durch krautartige Stecklinge ver-
mehren, nicht aber den Erfolg erzielen, der bei dieserVer-
mehrungsart erzielt werden mufs. Worin sind nun die Mängel
zu suchen? Der weitaus gröfste Teil der Gärtner hat, teils
bewufst, teils unbewufst, die Gewohnheit, möglichst zwei
Pliegen mit einer Klappe zu schlagen; es wird erstrebt,
auf gleichem Raum zur selben Zeit aus dem vorhandenen
Material recht viele Stecklinge zu erziehen. Zu diesem
Zwecke werden oft 50—60 cm lange Triebe von den Mutter-
pflanzen geschnitten und alle Teile bis zum ganz verholzten
Rest zur Vermehrung benutzt; die Folge davon ist, dafs
nur die jiingsten Teile wurzeln, die anderen Kallus bis ins
Unendliche bilden, und das Resultat ist sehr ungiinstig:
nur ca. x/3 der Stecklinge ist bewurzelt. Die Schuld wird
nun zunächst auf das Vermehrungsbeet, die Witterung, die
Behandlung und dergl. geschoben, was ja unter Umständen,
wie wir später sehen werden, auch seine Berechtigung
haben kann. In erster Linie gehe ich bei der Vermehrung
der Gehölze durch krautartige Stecklinge von dem Stand-
punkt aus, das zarte, junge Holz zu verwenden, denn
nur jiingste, zarte Teile eines Triebes haben das geeignete
Zellengewebe, rasch und gründlich Wurzeln zu bilden. Der
junge zarte Pflanzenteil ist gewaltsam von der Mutterpflanze
getrennt, ihm also sein Nährboden, seine Mutter, entzogen
worden. Er strebt nu'n nach Selbständigkeit, bezw. dahin,
sich am Leben zu erhalten; dies lcann ihm aber nur dann
gelingen, wenn er rasc.h versucht, Organe zu bilden, die
ihn zu einer selbständigen Pflanze machen. Ich sage rasch,
denn es mufs thatsächlich rasch gehen, weil dieser junge
Teil, der bis dahin fast ausschliefslich aus Reservestoffen
aufgebaut wurde und erst wenig Baustoffe selbst erzeugte,
keinen Vorrat in sich birgt: er rnüfste zu Grunde gehen.
Allerdings kann er sich noch eine Zeitlang halten, weil
ihm durch die beigebrachte Schnittwunde Wasser zugeführt
wird und auch in der umgebenden Luft reichlich Peuchtig-
keit enthalten ist, doch ist dies nui’ eine kurze Zeit, die
wir aber durch unser Zuthun noch abzukürzen vermögen.
Es mufs also unter den gegebenen Umständen recht rasch
eine Bewurzelung erfolgen, was auch leichter möglich ist
als beim alten Holze, weil hier folgende Umstände in Be-
tracht kommen. Bei der Bildung der Wurzel an zarten,
krautartigen Stecklingen ist eine vorherige Kallusbildung
durchaus nicht notwendig, obwohl man gewohnt ist, an-
nehrnen zu müssen, dafs eine Wurzelbildung nur stattfindet,
wenn die Kallusbildung vorausgegangen ist. Der kraut-
artige Steckling hat das zarte, zur Vermehrung geeignetste
Gewebe, die Teilung der Zellen erfolgt bei ihm ohne wei-
teres und im Anschlusse daran auch die Wurzelbildung.

Zum Aufbau neuer Wurzeln sind aber Baustoffe erforder-
lich; da diese beirn krautartigen Stecklinge nicht vorrätig
vorhanden sind, wie es beim Holzsteckling durch das Vor-
handensein von Reservestoffen der Fall ist, so mufs eine
Möglichkeit geschafien werden, die Baustoffe zu erzeugen.
Wir lassen also Baustoffe schaffen, indem wir den Blättern
die günstigen Verhältnisse geben, Rohstoffe in Pflanzen-
substanz umzuwandeln; dies wird nur möglich, wenn
den Stecklingen möglichst viel Licht zugeführt wird, da
nur bei ausreichender Lichteinwirkung eine solche Thätig-
keit stattfinden kann. Wir ziehen nun hieraus die prak-
tische Folgerung, den Gehölzstecklingen eine Lage dicht
unter Glas und möglichst wenig Schatten zu geben; wir
kommen dadurch von der alten Methode ab und erreichen
ganz andere Erfolge. Dadurch, dafs wir die Stecklinge
weniger beschatten, kann durch die günstige Wirkung des
Lichtes mehr Baustoff erzeugt werden und die Wurzeln
sind rascher gebildet. Wir komrnen bei diesem Verfahren
zu aufsergewöhnlichen Vorteilen, an die sich noch eine
ganze Zahl solcher anreihen lassen. Nun kann wohl bei
manchem Vermehrungsgärtner der Gedanke wach werden,
dafs da, wo Pflanzensubstanz in den Blättern erzeugt werden
soll, auch Rohstoffe in das Blatt gefördert werden müssen:
es mufs also zunächst etwas aufgenommen werden und
dann ist dieser Vorgang möglich. Wir können auch that-
sächlich beobachten, dafs eine solche Aufnahme stattfindet,
denn durch eine Schnittwunde eines jungen Stecklings
kann genügend Wasser aufgenommen werden, so dafs die
Bildung der für die ersten Wurzeln erforderlichen Baustoffe
leicht erfolgen kann. Diese Arbeit des unselbständigen
Stecklings erleichtern wir nun dadurch, dafs wir die Luft
in dem Stecklingsraum möglichst feucht halten, denn be-
kanntlich verdunsten grüne, im Wachstum befindliche
Pflanzenteile und Blätter in trockener Luft mehr, weil sie
bestrebt sind, sich die erforderliche kühle Luft zu schaffen,
um sich vor dem Verbrennen zu schützen. Diese Ver-
dunstungsarbeit geht oft soweit, dafs derartige Stecklinge
welk werden, sofern nicht genügend feuchte Luft geschaffen
wii’d. Daraus geht nun hervor, dafs die Luftfeuchtigkeit
eine nicht unbedeutende Rolle spieft, zumal ein solch
grüner Pflanzenteil nur dann mit Erfolg wachsen kann,
wenn er sich in einem gewissen straffen Zustande befindet,
und dieses erreichen wir durch regelmäfsiges Spritzen.
Letzteres wird nun umso öfter und gründiicher zu erfolgen
haben, je weniger beschattet wird, und je weniger dann
beschattet wird, umsomehr unterstützen wir die Bildung
feuchter Dämpfe und einer erhöhten Temperatur, die bei
den krautartigen Stecklingen von äufsert günstiger Ein-
wirkung ist. Wir ersehen aus dem Gesagten, dafs ein zu
dichtes Beschatten und mangelhaftes Bespritzen die Erfolge
erhebfich schmälern kann, doch wollen wir auch noch auf
das Steckholz und seine Beschaffenheit in kurzen Worten
zurückkommen. Schon vorher sagte ich, es sei unbedingt
erforderlich, nur zartestes Holz zu nehmen; eS scheint nun
aber der Gedanke sehr nahe zu liegen, wo soll man das
ganze Vermehrungsmaterial hernehmen. Es dünkt uns, als
müfsten wir die Triebe erst lang werden lassen, um dann
alle Zwischenteile verwenden zu können, kommen dann
 
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