Die Gartenkunst — 3.1901
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https://doi.org/10.11588/diglit.22265#0023
DOI Heft:
Nr. 1
DOI Artikel:Trip, Julius: Über gärtnerische Anlagen in mittleren Städten, [1]: stenographischer Bericht eines Vortrages, gehalten am 11. Juni 1900 auf dem Städtetage des Hannoverschen Städtevereins in Hannover
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III, 1
DIE GAKTENKUNST
13
Der See im Bois de Bonlogne. Nacli einer Photographie.
(Siehe Abhandlung: Gartenstudien aus Frankreich.)
rungenschaften auf dem Gebiete der Kunst und Wissen-
schaft, der Industrie und Technik, als vielmehr die .Port-
schritte auf dem allgemeinen Gebiete der Humanität und
speziell in der staatlichen Pörderung des Volkswohles die-
jenigen Paktoren, welche dem Jabrhundert besonders in
seiner zweiten Hälfte ihren Stempel aufdrücken. Es ist
daher auch wohl sicher kein Zufall, dafs die Entwickelung
der städtischen gärtnerischen Anlagen mit diesen Bestre-
bungen und Errungenschaften Hand in Hand gegangen ist
und die Einsicht sich in den mafsgebenden Kreisen immer
mehr Bahn bricht, dafs diese Entwickelung eine unum-
gängliche Notwendigkeit in hygienischer und socialer Be-
ziehung ist. Allerdings sind die meisten Anlagen aus
dem Bestreben entstanden, mit der wachsenden Wohl-
habenheit der Gemeinde das städtische Gebilde zu ver-
schönern, aber immer mehr macht sich doch in den
weitesten Kreisen a.uch in den kleineren Städten heute der
Gedanke geltend, dafs die ästhetische Notwendigkeit doch
hinter der hygienischen, hinter dem allgemeinen socialen
Wert der Anlagen zurücksteht. Man darf daher die öffent-
hchen gärt.nerischen Anlagen keineswegs als Luxus an-
sehen, sondern sie sind vielmehr als Bedürfnisfrage zu
behandeln, die ebenso ernst zu prüfen ist, wie andere
moderne Wohlfahrtseinrichtungen, deren die Neuzeit eine
ganze Menge gebracht hat. Unsere Anlagen sind erzeugt
worden durch den Zeitgeist und im Sinne des Zeitgeistes;
denn dieser ist es und nicht der vielbeliebte rückschritt-
liche in Vergleich mit der sog. guten alten Zeit, der das
Bediirfnis der jeweiligen Kulturepoche feststellt. Von
dieser Erkenntnis ausgehend, dafs unsere Anlagen eine
unumgängliche Notwendigkeit geworden sind, wollen wir
nunmehr in einen Vergleich treten, wieweit das Bedürfnis
in kleineren Städten mit dem in gröfseren Städten überein-
stimmt und inwieweit das Bedürfnis der kleineren Städte
von dem der Grofsstädte abweicht.
Man könnte nun zunächst in dieser Beziehung ein-
wenden, dafs das Streben nach Licht und Luft, nach
idealisierter Natur, nach Gelegenheit zur Erholung für
Jung und Alt in den kleineren Städten weniger ftihlbar
und dringend sei, wie in den meisten gröfseren Städten.
Man kann dieser Einwendung wohl im grofsen und ganzen
Recht geben. Allerdings ist das Bedürfnis dort in dieser
Hinsicht nicht so grofs wie hier, aber es ist dennoch aus
einem anderen Gesichtspunkte wenn nicht ebenso dringend,
so d.och auch im hohen Mafse vorhanden. Denn abge-
sehen davon, dafs auch sehr viele unserer älteren kleineren
Städte — ich nenne z. B. Goslar — sehr dicht bevölkerte
Viertel haben, denen Lic’nt und Luft fehlt und deren Be-
wohner Erholungsanlagen ebenso notwendig habeti, wie
die Bewohner enger Viertel unserer Grofsstädte, so werden
ausgedehnte Anlagen auch in kleineren Städten aufser-
ordentlich erwünscht sein, weil sie ein Moment sind, die
DIE GAKTENKUNST
13
Der See im Bois de Bonlogne. Nacli einer Photographie.
(Siehe Abhandlung: Gartenstudien aus Frankreich.)
rungenschaften auf dem Gebiete der Kunst und Wissen-
schaft, der Industrie und Technik, als vielmehr die .Port-
schritte auf dem allgemeinen Gebiete der Humanität und
speziell in der staatlichen Pörderung des Volkswohles die-
jenigen Paktoren, welche dem Jabrhundert besonders in
seiner zweiten Hälfte ihren Stempel aufdrücken. Es ist
daher auch wohl sicher kein Zufall, dafs die Entwickelung
der städtischen gärtnerischen Anlagen mit diesen Bestre-
bungen und Errungenschaften Hand in Hand gegangen ist
und die Einsicht sich in den mafsgebenden Kreisen immer
mehr Bahn bricht, dafs diese Entwickelung eine unum-
gängliche Notwendigkeit in hygienischer und socialer Be-
ziehung ist. Allerdings sind die meisten Anlagen aus
dem Bestreben entstanden, mit der wachsenden Wohl-
habenheit der Gemeinde das städtische Gebilde zu ver-
schönern, aber immer mehr macht sich doch in den
weitesten Kreisen a.uch in den kleineren Städten heute der
Gedanke geltend, dafs die ästhetische Notwendigkeit doch
hinter der hygienischen, hinter dem allgemeinen socialen
Wert der Anlagen zurücksteht. Man darf daher die öffent-
hchen gärt.nerischen Anlagen keineswegs als Luxus an-
sehen, sondern sie sind vielmehr als Bedürfnisfrage zu
behandeln, die ebenso ernst zu prüfen ist, wie andere
moderne Wohlfahrtseinrichtungen, deren die Neuzeit eine
ganze Menge gebracht hat. Unsere Anlagen sind erzeugt
worden durch den Zeitgeist und im Sinne des Zeitgeistes;
denn dieser ist es und nicht der vielbeliebte rückschritt-
liche in Vergleich mit der sog. guten alten Zeit, der das
Bediirfnis der jeweiligen Kulturepoche feststellt. Von
dieser Erkenntnis ausgehend, dafs unsere Anlagen eine
unumgängliche Notwendigkeit geworden sind, wollen wir
nunmehr in einen Vergleich treten, wieweit das Bedürfnis
in kleineren Städten mit dem in gröfseren Städten überein-
stimmt und inwieweit das Bedürfnis der kleineren Städte
von dem der Grofsstädte abweicht.
Man könnte nun zunächst in dieser Beziehung ein-
wenden, dafs das Streben nach Licht und Luft, nach
idealisierter Natur, nach Gelegenheit zur Erholung für
Jung und Alt in den kleineren Städten weniger ftihlbar
und dringend sei, wie in den meisten gröfseren Städten.
Man kann dieser Einwendung wohl im grofsen und ganzen
Recht geben. Allerdings ist das Bedürfnis dort in dieser
Hinsicht nicht so grofs wie hier, aber es ist dennoch aus
einem anderen Gesichtspunkte wenn nicht ebenso dringend,
so d.och auch im hohen Mafse vorhanden. Denn abge-
sehen davon, dafs auch sehr viele unserer älteren kleineren
Städte — ich nenne z. B. Goslar — sehr dicht bevölkerte
Viertel haben, denen Lic’nt und Luft fehlt und deren Be-
wohner Erholungsanlagen ebenso notwendig habeti, wie
die Bewohner enger Viertel unserer Grofsstädte, so werden
ausgedehnte Anlagen auch in kleineren Städten aufser-
ordentlich erwünscht sein, weil sie ein Moment sind, die