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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

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1./2. Augustheft
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Pelka, Otto: Die Tätigkeit des Landes-Gewerbe-Museums in Stuttgart
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Wächtler, Leopold: Scheren-Schnitte
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0555

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Maß von Aufmerksamkeit und psychologischem Ver-
ständnis und im Zusammenhange damit von Verant-
wortlichkeitsbewußtsein erfordert. In dieser Beziehung
ist das Stuttgarter Museum schlechthin von Vorbildlich-
keit. Die allgemeinen Richtlinien, die für die Bestellung
dieses Arbeitsgebietes maßgebend sind, zeichnet
Pazaurek in der Einführung mit den Worten: „Weitaus
die Hauptsache aber bleibt für uns naturgemäß die För-
dcrung jeder Art kunstgewerblichen oder kunst-
industriellen Schaffens sowie die Hebung des Verständ-
nisses für künstlerische Wertarbeit in möglichst weiten
Kreisen, womit aucli die entsprechendc Beratung der
kommerziellen Vermittler zwischen beiden Hand in
Hand geht.“

Die Mittel der Praxis, die zur Erreichung dieses
Zicles dienen, sind iti erster Linie die A u s s t e 11 u n -
g e n , die in pausenloser Folge Jahr für Jahr in reich-
stcr Abwechslung die verschiedenartigsten Anregungen
der breitcsten Oeffentlichkeit vermittcln, wobei der
Gegenwart der Vortritt gelassen wird. Ihre Zalrl belief
sich 1925 auf 30, 1926 auf 37 und 1927 auf 33.

Der unmittelbaren Förderung des Kunstgewerbes
dienen die durchweg großen, sich auf das ganze deut-
sche Sprachgebiet erstreckenden Wettbewerbe,

deren Ergebnisse öffentlich zugängig gemacht werden
und somit auch der Vertiefung des Geschmacksurteils
auf Seiten der Verbraucherschaft nützen konnten.

Das wichtigste Werbemittcl ist und bleibt selbst-
verständlich die persönliche Fühlungnahme mit dem
Publikum, und seine ncugierige Freude am Schauen und
Hören zum Verständnis zu vertiefen ist die gar nicht
zu überschätzende Bedeutung der Vorträge und
Führungen durch einzelne Museumsabteilungen
und die Ausstellungen. In der Bcrichtszeit wurden, un-
gerechnet die Führungen, von auswärtigen Reidnern
11 und von den Beamten des Museums 30 Vorträgc
innerhalb des Museums und vor auswärtigen Zuhörern
gehalten. Die Einrichtung der Wandervorträge
mit Lichtbildern, die in Württemberg an alle
Interessentenkreise kostenlos ausgeliehen werden,
wurde in den 3 Jahren 14 mal in Anspruch genommen.

Wirft man zum Scliluß noch einen Blick auf die
literarische T ä t i g k e 11 der Museumsbeamten,
übcr die eine Bibliographie von neun enggedruckten
Seiten unterrichtet, so formt sich die Summe der Einzel-
eindrücke zu einem glänzenden Bilde, zu einer
Apotheose opferfreudiger Arbeit am Volksganzen.

Scbe^en ^ Scbnitt e

oon

Leopold VOäcbtlev z LolpBtg

[jas lnteresse am Scherenschnitt ist in den letzten
Jahren auffallend gewachsen. Während der
Scherenschnitt früher in der Hauptsache nur in Lieb-
haber- und Sammlerkreisen Beachtung fand — von der
schon immer vorhandenen Vorliebe der Laien für bc-
stimmte Scherenschnittmotive sei hier abgesehen —
findet er jetzt in der Kunstwelt allgemcin Interesse. Er
hat in manche Kunstausstellung und Kunstzeitschrift,
die sich noch vor wenigen Jahren vor ihm ver-
schlossen, Fingang gefunden. Doch dauerte es geraume
Zeit, bis er sich diese Stellung verschaffte, und noch
lieute behandelt ihn ein 'I'eil der Kunstwelt mit Vorsicht,
wenn er sich nicht überhaupt vor ihm verschließt.

Der Grund zu dieser Zurückhaltung und späten
Anerkennung liegt darin, daß sich von jeher mit keiner
anderen Technik so viele Laien befaßten wie mit dem
Scherenschnitt. Tausendfach fordert ja das täglichc
Leben vom Menschen, mit der Schere umzugehen, ganz
unabhängig von irgendwelcher zeichnerischen Gebun-
denheit. Warum sollte nicht dieses allen so vertraute
Wcrkzeug bei vielen manuell Begabten eine iiber den
Alltagsforderungen stehende Haudhabung finden?
Solclie Laienscherenschneider, kunstfertige Dilettanten
oder wie man sie nennen mag, stellen gewöhnlich
Handwerk gleich Kunstwerk. Recht zierliche Blättchen

und haarfeine Gräschen — es gibt Schnitte von 2 bis
3 cm Länge mit 6 bis 8 Figuren und mehreren Bäumen
— also technische Feinheiten, hielt man für den Höhe-
punkt der Kunstleistung. Mit der einseitigen Bewer-
tung dieser Fertigkeit würde der Scherenschnitt natür-
lich aus dem Bereiche der Kunst ausgeschaltet werden,
uud das mußte lcider auch mit Recht in der Vcrgangen-
heit geschehen. Trotzdem erlangten manche Laien-
scherenschneider vergangener Jahrhunderte eine ge-
wisse Berühmtheit oder wenigstens große Bekanntheit.
Sie wurden eben geschätzt, weil sie vcrstanden, aller-
lei Objektc (Inhalt und künstlerischer Wert gleichgültig)
m i t d e r S c h e r e auszuschneiden, und nocli heute
macht die Menge die Handwerker zum „Künstler“ in-
folge ihrer Virtuosität im Schneiden.

Wenn diese allzu ansprechenden und allzu zicr-
lichen Schnitte von einem Tcil des Publikums als die
höchste Kunst des Scherenschneidens gepriesen wer-
den, so ist es kein Wunder, wenn diejenigen, die höhere
Anforderungen an ein Kunstwerk stellen, mit diesen
Schnitten die ganze Gattung des Scherensclmittes
grtmdsätzlich ablehnen. Aus diesen gegensätzlichcn
Meinungen entsteht selbst bei vielen Kunstverständigen
und Kritikern eine gewisse Unsicherheit im Urteil. Ich
weiß aus eigener Erfahrung und habe von anderen

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