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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 128-140 (2. November - 30. November)
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und

Land.

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Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzeile/

«M 128. Dienstag den


** Rede des Abg. Bissing in der Wahlreform-
Debatte am 28. Okt?)
Meine Herren! Als ich erfuhr, daß der Abg. Näf zum Bericht-
erstatter über den vorliegenden Gesetzentwurf von Ihrer Commission
erwählt sei, war meine Hoffnung auf eine durchgreifende Umgestal-
tung unseres total veralteten Wahlsystems auf den Gefrierpunkt her-
abgefunken. Durfte ich doch wenig Geneigtheit hiezu von einer
Commission erwarten, die gerade denjenigen Abgeordneten zum Or-
gan ihrer Anschauungen wählte, der am unzweideutigsten und feind-
seligsten von Allen im Kreise seines Wahlcollegiums sich gegen diese
Reform ausgesprochen hatte, und zwar aus einem Beweggrund, der
hier nicht mit Stillschweigen übergangen werden darf, weil er der
rothe Faden geworden ist, der sich durch seinen ganzen Bericht hin-
durchzieht, — es ist die Angst, meine Herren, die den Abg. Näf
leitet, die Angst vor den sogenannten Ultramontanen, die leicht die
Oberhand erhalten könnten, wenn man auf die Wahlfälschung im
Sinne des Grafen Bismarck verzichtet habe. Man kann dabei nicht
offener zu Werk gehen, als es von Seiten des Herrn Berichterstat-
ters geschehen ist: er nennt den Einstuß der kirchlichen Opposition
auf das Volk einen „naturgemäßen" und macht gleichwohl derselben
einen Vorwurf daraus, daß sie diesen Einfluß mit der „größten
Energie" geltend mache. Mit vornehmer Geringschätzung wird das
Volk dabei mit dem Ausdruck „die Massen" bezeichnet, die durch den
ganzen Bericht hindurch mit souveränster Verachtung im Sinne des
englischen votinZ eattls behandelt werden, ein Ausdruck, den ein
zartbesaitetes Residenzblatt wörtlich mit „Stimmvieh" in's Deutsche
übersetzt hat. Er habe nichts gegen die directe Wahl, heißt es in
seinem Bericht (S. 3), „wenn einmal der Beweis geführt ist, daß
die Massen die politische Reife erlangt haben". Als ich diesen Satz
las, konnte ich nicht umhin, an die Entstehungsgeschichte der sogen,
neuen Aera zu denken, wo ein solch' „grotesker Wechsel" stattfand,
wie ihn der Herr Staatsminister soeben bezeichnet hat. Nicht ohne
ein wehmüthiges Gefühl mußte ich mich daran erinnern, wie damals
die Volksherrschaft auf breitester Grundlage, soweit das monarchische
Princip es nur gestattet, proclamirt wurde, — weil der Beweis ge-
*) Durch Beschluß der Kammer werden die Reden dieser wichtigen Sitzung
in einem stenographischen Berichte herausgegeben und den Blättern beider Par-
teien zugestellt werden. Da dieses noch einige Zeit in Anspruch nimmt, hat
einstweilen der Abg. Bissing seine Rede nach den ihm vorliegenden Notizen aus -
gearbeitet und zur Verfügung gestellt. Die Redaction.

2. November 1869.
liefert war, daß die Massen reif seien; wie die Selbstverwaltung
des Volkes auf den Schild gehoben wurde, weil die Masten reif
seien; wie aus Baden ein Freiheitsstaat geschaffen werden sollte, der
an der Spitze der Civilisation einhermarschiren und Deutschland für
die Idee des Volksstacttes erobern sollte, weil die Massen reif da-
zu seien; wie selbst ein damals hochgefeierter badischer Minister und
Diplomat einen Kaisetthron für diese Schöpfung in lockender Aus-
sicht sah, weil die reifen Massen ihn durch moralische Eroberung
erringen würden, — und nun auf einmal erklären die Schöpfer die-
ser paradiesischen Zustände das Alles für eine kuta, uroi-Zarm, ihren
ehemals angebeteten Volksminister für einen Tantalus, der die la-
chenden Aepfel nicht zu pflücken vermochte, die vorher reifen Mas-
sen werden wieder unreif und das Wort Göthe's vom Zeitgeist
kommt wieder zu Ehren:
„Es ist im Grund der Herren eig'ner Geist,
In dem die Zeiten sich bespiegeln."
Ganz natürlich! Die Massen sind mündig und reif, so lange
sie Halleluja rufen, so lange sie Fackelzüge bringen und Lorbeer-
kränze winden, — sie werden blinde Nieten, die die Treffer nur ein-
hüllen, wenn sie der Rausch verlassen und der Katzenjammer sie er-
kennen läßt, daß Alles eine optische Täuschung war! Dann ist die
Reife der Massen eine Velleität und von all den schönen Errun-
genschaften bleibt nichts übrig — als die Kaserne!
So kommt denn der Commissionsbericht in Uebereiustimmung
mit der Anschauung der Regierung zu dem Ergebniß, daß die
indirekte Wahl beizubehalten sei, daß also die Massen wohl die
Reife besäßen, eine Anzahl durch Geld und größeren Geschäftsbe-
trieb in der Gemeinde hervorragende Männer zu wählen, aber
nicht den Abgeordneten selbst, zu dem sie in keine unmittelbare
Beziehung treten, der ihnen vielmehr wie ein Fremder in die Ferne
gerückt sein muß. Sie sind und bleiben unmündige Kinder, denen
das Wahlcollegium als Vormund und Sprechorgan dient, — sie
sollen an den Wahlmännern Kindsmägde behalten, die sie zur
Urne führen. Für dis großen Verhältnisse des Zollvereins sind
sie reif, — für die näher liegenden, weniger unverständlichen und
einfacheren Verhältnisse der engeren Hmnath reicht ihr beschränkter
Unterthanenverstand nicht aus!
M. H.! Indem ich mich in vollkommener Uebereinstimmung
mit der Minderheit Ihres Ausschusses für das direkte Wahlrecht
erkläre, bedaure ich lebhaft, daß eine anderweitige Einthei-
lung der Wahldistrikte nicht beliebt wurde, die mir, um

Gesetzentwurf,
dic Rechtsverhältnisse und die Verwaltung der Stiftungen betreffend.
I. Abschnitt. Allgemeine Bestimmungen.
(Fortsetzung.)
§ 8. Die mit der Verwaltung von Stiftungen betrauten Behörden oder
Personen und die Aufsichtsbehörden haben darauf zu achten, daß das Stiftungs-
vermögen im Grundstock ungeschmälert erhalten bleibe. Die Vermögenserträg-
nifse dürfen, vorbehaltlich des der Staatsregierung in § 9 dieses Gesetzes ein-
geräumten Rechtes, zu andern als den stiftungsgemäßen Zwecken nur insoweit
verwendet werden, als sie nach allseitiger Erfüllung der Stiftungszwecke hiezu
verwendbar bleiben. Jede derartige Verwendung bedarf der Zustimmung der
staatlichen Aufsichtsbehörde.
ß 9. Wenn die fernere Erfüllung der Zwecke einer Stiftung nicht mehr
möglich ist, oder wenn der Fortbestand und die fernere Wirksamkeit der Stif-
tung aus irgend welchen Gründen als dem Staatswohl nachtheilig angesehen
werden müssen, so ist die Staatsregierung berechtigt, das Vermögen derselben
einem andern öffentlichen Zweck zu widmen, bei dessen Bestimmung sie dem
ursprünglichen Willen des Stifters thunliche Rücksicht tragen wird. Üeber das
kirchliche Stiftungsvermögen kann in solcher Weise nur nach vorheriger Ver-
nehmung der Kirchenbehörde verfügt werden.
§ 10. Die Leitung des Stiftungswesens einschließlich der Entscheidung,
von wem eine Stiftung zu verwalten und die Stiftungsgenüffe zu vergeben
seren, ist Sache der Verwaltungsbehörden. Eine gerichtliche Entscheidung durch
den Verwaltungsgerichtshof kann verlangt werden 1) über die Frage, ob Stif-
tungen kirchliche, weltliche oder gemischte seien, wenn darüber zwischen den
obersten staatlichen und kirchlichen Aufsichtsbehörden im einzelnen Falle eine
Verständigung nicht erzielt wird, 2) über die beim Vollzug der Trennung ge
mifchter Stiftungen (§ 4 und 5) zwischen den genannten Aufsichtsbehörden sich
ergebenden Streitigkeiten, 3) über die Rechtsgiltigkeit der von dem Stifter auf
den Grund eines Gesetzes (§ 6 und 7) über die Verwaltung einer Stiftung
getroffenen besonderen Anordnungen, endlich 4) über das Vorhandensein der
Mungsgemäßen Voraussetzungen zur Theilnahme an Stiftungsgenüffen.

II. Abschnitt. Ueber die Rechtsverhältnisse der weltliche»
Stiftungen.
Ueber die Verwaltung der weltlichen Ortsstiftungen.
I. Von den regelmäßigen Organen der örtlichen
SL if Lungsverwaltungen.
§11. Die Verwaltung der weltlichen, ausschließlich nur zum Vortheile
von Angehörigen oder Bewohnern einzelner Gemeinden oder mehrerer Gemein-
den eines und desselben Amtsbezirks bestimmten Stiftungen, mit Ausnahme
derjenigen, welche dem öffentlichen Volksschulunterricht gewidmet sind, wird den
beteiligten Gemeinden übertragen. Aenderungen in der Begrenzung eines
Amtsbezirkes begründen keine Aenderung in der Organisation einer Stiftung,
welche einmal als eine örtliche behandelt worden ist.
§ 12. Das Vermögen dieser Stiftungen darf mit dem Gemeindevermögen
nicht vermischt, sondern muß durch die dazu berufenen Organe gesondert ver-
waltet werden.
§ 13. Die Verwaltung besorgt in den Gemeinden regelmäßig der
Gemeinderath. Seine Stelle vertritt bei Stiftungen, deren Vortheile
sich nur auf die Angehörigen oder Bewohner eines einzelnen einer Gemeinde
zugehörigen Ortes erstrecken, der für den letzteren bestellte Ortsverwal-
tungsrath. Dieser wie der Gemeinderath sind zur Führung der Verwal-
tung kraft ihres Gemeindeamtes verpflichtet, und für dieselbe ebenso wie für
ihre übrige Dienstführung verantwortlich.
§ 14. Die von dem Gemeinde- oder Ortsverwaltungsrath zu besorgende
Verwaltung erstreckt sich mit folgenden Ausnahmen auch auf die stiftungsge-
mäße Verwendung der Stiftungserträgnifse: 1) Bei Stiftungen, deren Erträg-
nisse ganz oder theilweise zur Vertheilung unter die Ortsarmen oder unter
die Armen einer Confession bestimmt sind, geschieht diese Vertheilung durch
die örtliche Armenbehörde (Armenrath, — § des (projectirten) Gesetzes
über die Armenpflege), welcher zu solchem Zwecke die nach dem jährlichen Vor-
anschlag zur Verkeilung erübrigenden Stiftungserträgnisse zur Verfügung zu
stellen sind. 2) Die zum Vortheile von Schülern an Lehranstalten gestifteten
Stipendien verleihen auf den Vorschlag des Gemeinde- oder Ortsverwaltungs-
raths in allen Fällen die Schulbehörden. Die vorstehenden Bestimmun-
gen gelten auch für diejenigen Stiftungen, deren Verwaltung nach Htz 19—27
einem besonderen Stiftungsrathe übertragen ist. (Fortsetzung
 
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