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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1869

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No. 92
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https://doi.org/10.11588/diglit.29848#0373

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Zmls-WrkündigrmgsUatt für den Bezirk Schwetzingen.


Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beigabe S o n n t a g s b l a tt. - Alle Postanstaltcn und Boten nehmen Bestellungen an. — Preis vierteljährlich I fl. 15 kr.
- Anzeigen, die dreigespaltene Petitzeile oder deren Raum 3 kr.

Baden.
Mannheim, 5. August. Nachdem bei den
hiesigen Wahlmänuerwahleu in den 5 ersten Di-
strikten die Vorschläge der Nationalliberalen die
Mehrheit der Abstimmenden erhalten, hat im 6.
und 7. Distrikt die demokratische Partei gesiegt.
Heute Nachmittag wählt der 8., etwas zweifelhafte
Distrikt.
Deutschland.
Berlin, 6. August. Der Wes. Ztg. wird
von hier geschrieben: „Die chinesische Regierung
sucht in Berlin Beamte zur Anstellung im himm-
lischen Reiche. Sie verlangt für ihr Zollparla-
ment junge deutsche Philologen mit guter Gymna-
sial- und Universitätsbildung. Bisher wurden in
China bei der Zollerhebung und Verwaltung in
den Häsen praktische Leute aller Nationen ange-
stellt, die verschiedene Sprachen beherrschten und
natürlich auch chinesisch verstanden. Die Zolldirek-
tion Hai diesen Usus, Leute ohne Rücksicht aus
ihre Vorbildung anzustellen, für ungenügend be-
funden, und stellt jetzt junge Gelehrte, und zwar
deutsche an, die durch ihre Studien die Garantie
geben, daß sie das Chinesische in anderer Weise
erlernen, als die bloße praktische Uebung es mög-
lich macht. Letztere soll namentlich nicht ausrei-
chen, die amtliche Korrespondenz zn führen. Wäh-
rend der ersten drei Jahre hat der deutsche Ge-
lehrte, der bisher vielleicht nur von den römischen
xuUliLurä und xortiborss gehört hat, das chine-
sische Zollrecht praktisch, die chinesische Sprache
aber theoretisch und praktisch zu erlernen, um sich
alsdann einer Prüfung zn unterwerfen, nach deren
glücklichem Bestehen ihm eine glänzende Carriere
winkt. Die Gehälter, und zwar nicht blos für
die eigentliche Anstellung, sondern auch für die
Probezeit, sind nach den bescheidenen deutschen Be-

griffen kolossal zn nennen. Jedenfalls tauscht der
junge Kandidat als chinesischer Zöllner nicht mit
jedem Direktor eines alten, gut dotirten deutschen
Kloster-Gymnasiums. Unter mehreren Gelehrten
hat hier Dr. Hirth (Bruder des bekannten Her-
ausgebers der Annalen) den Ruf nach dem himm-
lischen Reiche durch die Vermittlung des Statisti-
kers Dr. Engel angenommen. Uebrigens steht an
der Spitze des s chinesischen Zollwesens ein Eng-
länder, Mr. Hart, und dieser chinesische Pommer-
Esche mag der eigentliche Urheber des neuen Sy-
stems sein, die chinesischen Zollbeamten aus deut-
schen Philologen.zu rekrutiren.
Oeftreichische M ona r ch i e.
Wien, 6. August. Ein Preßprozeß ersten
Ranges steht in Aussicht. Die Wiener „Vorstadt-
zeitnng" hat eine Mittheilung über die Schändung
eines zwölfjährigen Mädchens im hiesigen Kloster
der Redemptoristen (eines der „Gesellschaft Jesu"
nahe verwandten Ordens) veröffentlicht. Der öster-
reichische Provinzial dieses Ordens erklärt jene
Mittheilung für eine Erfindung und fordert die
Redaktion der „Vorstadtzeitung" zum Widerruf auf.
Die Redaktion widerruft jedoch nicht, sondern er-
widert, daß der Einsender der bezüglichen Mitthei-
lung die vollständige Nichtigkeit aufrecht erhält und
sich bereit erklärt, unter Namhaftmachung aller
Personen und Detaillirung aller Umstünde für die
Wahrheit einzustehen. Da nun der Redemptoristen-
Provinzial gedroht hat, falls der Widerruf ver-
weigert werde, „auf gerichtlichem Wege die ange-
tastete Ehre seiner Kongregation zn wahren", so
sieht man in Wien dem Ausgang dieser Kloster-
geschichte mit größter Spannung entgegen. Die
Sache würde vom Geschwornengerichte verhandelt
werden, jedoch mit theilweiser Ausschließung der
Oeffentlichkeit.

Krakau, 3. Angnst. Die Untersuchung der
Krakauer Kloster-Affaire wird mit aller Energie
geführt. Die bis heute aus derselben gewonnenen
Details, von denen sich, wie begreiflich, die mei-
sten der Oeffentlichkeit entziehen, werfen ein schreck-
liches Licht auf den Zustand der geistigen Ver-
wilderung, die in jenem Nonnenkloster herrschte.
Die Vorsteherin des Klosters, Marie Wenzyk, ist
seit ihrem 20. Jahre, heute bereits 16 Jahre im
Kloster. Alan sieht es ihren weichen Zügen kaum
an, welche Grausamkeit und Härte jenes Weib be-
herrscht , wenn sie selbst kaltblütig zugesteht, sie
habe früher aus Mittheilungen einzelner Nonnen
erfahren, daß Barbara Ubryk als verrückt einge-
sperrt sei, sie habe selbst (trotz ihres 16jährigen
Aufenthaltes im Kloster und trotzdem, daß sie be-
reits zweimal Oberin war !) blos zweimal in ihre
Zelle gesehen und sie daselbst belassen, weil sie die
Ubryk so von ihrer Vorgängerin übernommen und
weil der Ordensgeneral aus Rom verboten habe,
die Kranke anderswohin zu geben! Wenn mög-
lich, so klingen die Aussagen der zweiten inhaftir-
ten Nonne, der Theresia Kozierkiewiez, noch empö-
render und roher. Man sieht es diesem Weibe
an, daß es bereits 38 Jahre seines Lebens im
Kloster verlebte. Wie diese Nonne, die viermal zn
je drei Jahren Klostervorsteherin war, behauptet,
sei Barbara Ubryk im neunten Jahre seines Auf-
enthaltes im Kloster „unruhig" geworden, habe
öfters an spasmatischen Anfällen gelitten und sei
daher in Haft gebracht worden. Weil die Aerzte
die Schädlichkeit des Lichtes für sie anerkannten,
so hätte man das Fenster in der Zelle bis auf
eine kleine Oeffnung vermauern lassen — eine Ar-
beit, die, nebenbei bemerkt, der frühere Kloster-
gürtner Casimir Gregorizyk im Anfang der bereits
verstorbenen Vorsteherin Zdziarska vornahm. Um
auf die „liebe Schwester" Kozierkiewiez zurückzn-


Kaiscr Paul iwu Rußland.
Historische Skizze von C. Nissel.

(Schluß.)
Paul hatte und glaubte an Visionen, in Folge einer
derselben er auch an der Stelle des Sominerpalastes seiner
Mutter, der in Eile und zwar „auf Befehl des Himmels"
niedergerissen wurde, mit ungeheurem Kostenaufwand einen
neuen bauen ließ, der dem heiligen Michael gewidmet wurde,
und den Paul bezog, in vierzig Tage darauf sein tragisches
Ende darin zu finden.
Paul hatte sich vorgenommen, der eigentliche Reformator
Rußlands, überhaupt der erste Mann seiner Zeit zu wer-
den, nur war die Welt, die sich in seinem Hirn spiegelte,
eine außer dem Bereich der Möglichkeit liegende. Er wußte
sich etwas Großes, als man ihm das Meisteramt des ab-
gelebten, verkommenen Malteser-Ordens übertrug, aber seine
Anstrengungen, dem Orden neuen Glanz zn verleihen, schlu-
gen in's Lächerliche um. Als oberster Befehlshaber unbesieg-
barer Heere, wollte er die Franzosen und ihre Verbündeten
züchtigen, aber die von Suwarow in Italien errungenen
Vortheile gingen in der zweitägigen mörderischen Schlacht Lei

Zürich wieder verloren. Als die Kunde zu Paul's Ohren
kam, das sein stolzes Heer vernichtet, aufgelöst und flüchtig
sei, schäumte er vor Wuth, und sein Despotenwahn steigerte
sich bis zum Paroxismus. So wurde auf feinen Befehl
jeder fehlende Offizier degradirt, gleichviel, ob derselbe todt,
verwundet oder gefangen lag. Eine verrückte Negicrungs-
Maßregel jagte die andere, und selbst das kaum von dem
ersten Anhauch der Kultur berührte russische Volk, das ge-
wöhnt war, feine Herrscher abgöttisch zu verehren, diese blind
gehorchende, halb bewußtlose Masse, die sogar einen Iwan
den Schrecklichen geliebt hatte, begann, seinen Zaren zu fürch-
ten und zu hassen. Besonders hatte Paul's Umgebung Ur-
sache, zu zittern und auf ihrer Hut zu sein, denn sie schwebte
in steter Gefahr vor seinen blchesglcich hervorbrcchenden
Herrscherlaunen. Es war ein Zustand unerträglichster Art,
und um diesem ein Ende zu machen, griff man zu dem in
Rußland in dergleichen Fällen gebräuchlichen Mittel, der
Verschwörung. Allerdings beabsichtigte man Anfangs weiter
nichts, als Paul zu zwingen, dem Thron zu Gunsten seines
Sohnes Alexander zu entsagen. Man macht sogar den Ver-
such, Alexander selbst für diesen Plan zu gewinnen, da er
zu den Personen gehörte, die Paul fürchtete und haßte, aber
der Großfürst weigerte sich und wies das Ansinnen mit Ent-
rüstung von sich. Da man aber weder zurück konnte, noch

wollte, so mußte man vorwärts gehen. Mitten unter dem
tollen Jubel und den Festlichkeiten des russischen Karnevals
hatte sich diese Verschwörung gebildet, deren Seele der von
Paul zwei Jahre vorher in den Grafenstand erhobene
General-Gouverneur von Petersburg, Peter Pahlen, der
unter Katharina II. in russische Dienste getretene Hanno-
veraner Levin August von Bennigsen, der letzte Günstling
Katharina's, Fürst Platen Zubow und dessen Bruder Niko-
laus Zubow waren. Nachdem es den Verschworenen ge-
glückt, den dem Kaiser ergebenen Ober-Kammerherrn und
Minister Grafen Rostopschin von der Person des Kaisers zu.
entfernen, konnten sie zur Ausführung ih:es Plans schreiten.
In der Nacht des 24. März 1801 fand jener berüchtigte
Kampf im dunkeln Schlafzimmer des Kaisers statt, in welchem
dem halb erwürgten Paul von Nikolaus Zubow aus Ver-
sehen die Schläfe zerschmettert wurde. Bei der Kunde von
dem plötzlichen Tode des Kaisers athmete Rußland, wie von
ungeheurem Alpdruck erlöst, frei auf und lobte die Thal,
obgleich Paul's Mörder keine Brutusse waren, die edelster
Patriotismus zu ungeheuerster That angespornt. Man freute
sich, von unerträglichem Joch erlöst zu sein, und keine zür-
nende Stimme erhob sich zur Anklage fluchwürdiger That,
und als der Graf Münster sich bedauernd zu einem der
russischen Großen über die entsetzliche Katastrophe äußerte,
 
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