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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1869

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No. 92
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https://doi.org/10.11588/diglit.29848#0374

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kommen, so gestand sie selbst, daß die Ubryk in
der Zelle, in der man sie fand, 20 Jahre Ange-
brachte, ins Irrenhaus jedoch nicht übertragen
wurde, weil der General ans Rom dies untersagte
und sie selbst der Meinung war, Barbara Ubryk
werde nach dem 50. Jahre „ruhiger" wer-
den! Gibt es etwas Gräßlicheres, als jenen Stumpf-
sinn eines Weibes, das da hofft, mit einer circa
30jährigen Einkerkerung eine „unruhig" gewordene
Nonne „ruhiger" zu machen? und sind schon diese
wenigen hier miigetheilten Details geeignet, den
höchsteigenen Ausspruch des Bischofs Galecki über
die Carmeliterinnen: „Ihr seid Furien und keine
Weiber!" in eklatantester Weise zu bestätigen, so
dürfte dies noch in erhöhtem Grade der Fall sein,
wenn sich die heute dem Untersuchungsgerichte zu-
gekommene, leider anonyme Anzeige bewahrheiten
sollte, daß Barbara Ubryk, wenn selbe in ihrem
Kerker lärmte, öfter von zwei oder drei Nonnen
und dein Beichtvater durch körperliche Mi ß-
handlung zur Ruhe gebracht zu werden pflegte.
Es ist übrigens nicht ganz zutreffend, daß die
Ubryk bei ihrer Auffindung frische Spuren von
Mißhandlungen an sich trug. Am Körper zeigten
sich wohl zahlreiche Blutunterlaufungen, jedoch
gingen die Ansichten der Aerzte auseinander, ob
diese nicht durch das Liegen und Knieen auf har-
tem Boden entstanden seien.
Der Geisteszustand der Barbara Ubryk hat
sich bedeutend gebessert. Hauptsächlich ist ihre gei-
stige Verwilderung, die eine Folge der so langen
Einsamkeit zu sein scheint, von ihr gewichen. Seit
einigen Tagen spricht sie in zusammenhängender
Rede und beginnt ihre traurige Lage zu vergessen.
Auch ist sie gegenwärtig ein Muster von Reinlich-
keit und hat eine fast kindische Freude, wenn man
ihr weiße Wäsche gibt. Man constatirte ferner,
daß seit ihrem Aufenthalt im Jrrenhause dieselbe
weder Wäsche noch Bettzeug beschädigte. Was
die Nahrung betrifft, ist sie fast wählerisch gewor-
den. Sie wartet geduldig ab, bis man ihr die-
selbe dareicht, und verschluckt sie nicht wie bisher
mit Heißhunger.
Gestern besuchte der Bürgermeister Dr. Dietl
die Unglückliche und gab seiner Verwunderung
Ausdruck, daß an ihrem Gesichte trotz der ihr durch
so viele Jahre zu Theil gewordenen grausamen
Behandlung noch Spuren früherer Schönheit zu
bemerken sind.
Ausland.
Stockholm, 28. Juli 1869. ^
Die prachtvolle schwedische Hauptstadt, ohnedieß
im Sommer das Ziel so vieler Reisenden, weist
in diesen Tagen eine ganz unerhörte Lebhaftigkeit
des Fremdenzuflusses auf. Soeben, Abends 5
Uhr, findet in der Schloßkirche die Vermählung
de- dänischen Thronerben mit der schwedischen Kö-
nigstochter statt. Ganz Stockholm ist auf den

gab dieser die denkwürdige und bezeichnende Antwort:
„Was wollen Sie? Das ist unser großer Freiheits-
brief : die Tyrannei — gemäßigt durch den Meuchelmord!"

Die Grudenexplosiou im Plauen'scheu
Grunde.
— Dresden, 3. Nug. Gestern früh 4 Uhr fuhren
die Bergleute, wie es auf allen andern Kohlengruben im
Plausn'fchen Grunde geschieht, auch in die beiden, am Fuße
des Windberges gelegenen, zu den frhrl. Burgker'schen Werken
gehörigen 'Nachbarschachte: „Segen Gottes" und „Hoffnung"
bei Potschappel. Von den 446 Arbeitern, welche nach und
nach in die Tiefen niederstiegen, waren sehr viele am Sonntag
Abend vorher bei einem Füßchen Bier noch recht heiter ge-
wesen und hatten keine Ahnung, daß sie mit dem nächsten
Morgengrauen ihrem Tode entgegengehcn würden. Noch
weilten sie keine halbe Stunde in den Uber 1000 Fuß tiefen
Gängen, als sich mit Blitzesschnelle das unten angesammelte
GaS entzündete und zwar mit solcher Macht, daß es alle
Sichcrheitsthüren, welche die Ventilation vermitteln und
zugleich die Verbreitung des Wasserstoffs beschränken, sofort
zertrümmerte und den ganzen unterirdischen Bau derart er-
schütterte, daß er zusammcnstürzte und beide Förderschächtc

Beinen, malerisch sind die Schiffe im Hafen,
unter denselben eine Anzahl Kriegsschiffe, auf-
gestellt , die Masten reich mit Flaggen bewim-
pelt. Jetzt ertönt auf allen Schiffen und aus den
Batterien Kanonendonner und lebhaftes Hurrah
erschallt bis zu den umliegenden Höhen hinauf.
Die Verbindung der beiden Königshäuser ist vol-
lendet. Schon am vorigen Freitag war der Ein-
zug der dänischen Köuigsfamilie erfolgt, und mit
demselben mehrte sich der Zuzug aus allen Theilen
Schwedens, durch die mancherlei Festlichkeiten,
Paraden u. s. w. angelockt. Ein stattlicher Dampfer
aus Riga brachte einen großen livlandischen Ver-
gnügungszug, welcher den wackern, unter dem
moskowitischen Drucke so schwer duldenden Deut-
schen von jener Seite als eine Demonstration ge-
gen Rußland und für Schweden ausgelegt wird.
Ihr Dampfer hat dicht unter dem Nationalmuselim
sich vor Anker gelegt; die Kabinen dienen auch
während des hiesigen Aufenthalts als Wohnung.
Seither folgten nun Tag für Tag die Festlich-
keiten in den in reichster Fülle Stockholm um-
gebenden Lustschlössern und Parkanlagen: Ulriks-
dal, Drottningholm, Gripsholm u. s. w. Bekannt-
lich baut eine gewisse dänische Partei große Plane
aus diese Heirath des einzigen Kindes des jetzigen
schwedischen .Königs mit dem Glücksburger Erben;
der ächte Däne denkt sich die skandinavische Union
als die neue Herrschaft Kopenhagens über die
Meere und Länder und unter den letzteren auch
immer noch über unser deutsches Schleswig. Der
Schwede ist nüchterner, ruhiger dabei. Er sieht
die Heirath als ein Familienereigniß an und
schreibt ihr keine politischen Folgen zu; steht doch
auch die, bereits gleich allen nordischen Herrscher-
familien auf den reichen Plätzen der Hauptstadt
üppig durch Standbilder verherrlichte Dynastie
Bernadotte noch reichbelaubt in den Wildern des
Kölligs da! Ueberhaupt ist in Schweden noch
nicht vergessen, was es in vielen Jahren von
Dänemark erduldet. Morgen Abend gibt die Stadt
Stockholm zu Ehren der Neuvermählten ein großes
Ballfest mit den großartigsten Vorbereitungen in
der Börse. Diese Börse liegt dicht hinter der
strahlenden Königsburg im Gewühle des altstock-
holm'schen Stadttheils am Sortorg (großer Markt),
wie höchst unrichtig der düstere, heute noch unheim-
liche, blos 200' lange und 120' breite Platz heißt.
Hier sah, von der Stelle der jetzigen Börse, dem
damaligen Rathhanse, ans, am 8. Nov. 1520 der
Wütherich des Nordens , der Däne Christiern II.,
dem „Blutbad von Stockholm" zu, der schrecklichen
Abschlachtung von 94 der edelsten Schweden, deren
Blut den ganzen Markt bedeckte! Es mag hente
nicht der Tag sein an jene schreckliche Thal zu er-
innern, aber wer kann über die Stätte derselben
schreiten, ohne an sie zu denken! — Mehr und
mehr, das ist unverkennbar, sieht sich Schweden
zu Deutschland hingezogen. Man sieht in dem

verschüttet wurden. Dies war das Werk eines Augenblicks,
der Hunderte Müttern und Kindern den Gatten, Vater und
Ernährer raubte! Ein herzzerreißendes Bild an der Nnglücks-
stäite! Großväter, Großmütter, Frauen und Kinder standen
händeringend, weinend und schreiend an den Barrieren, die
sie von dm beiden Schächten fern hielten, um die 24 Mann,
die ununterbrochenan der Rettung ihrer Kameraden arbei-
teten, nicht zu stören. Der Jammer wurde durch diese
Rettungsversuche noch erhöht, als es nach unendlicher An-
strengung gelang, drei der Unglücklichen ans Tageslicht zu
bringen und die von Hoffnung, Angst und Thrünen erfüllten
Blicke der in einiger Entfernung harrenden Menge die bis
zur Unkenntlichkeit verstümmelten Leichen gewahrten. Nur
drei von den 446 Arbeitern waren dem schauerlichen Grabe
entronnen und diese Glücklichen waren drei dem Tagesschacht
zunächst postüt gewesene Bergsungen. Sie eilten in Angst
so schnell als möglich die schief aufsteigende Ebene, durch die
aus Schienen die Berghunde hercingclafsen und herausgezogcn
werden, empor. Die hcrausgcbrachten Todten und die drei
Bergsungen waren die Letzten unter den Anfahrendcn und
dem Ausgang am nächsten. Tiefer unten lag Alles in
Trümmern und Rettung außerhalb der Grenzen momen-
taner menschlicher Macht; den von Seiten der gegenwärtigen
Fachmänner wurde ausgesprochen, daß vielleicht 4—6 Wochen

Deutschland, das sich zum Staate ermann!, Leu
einzigen wirklichen Schutz gegen Rußland. An
Deutschland ist Schweden durch seinen gestimmten,
hauptsächlich in dem reich aufblühenden Gothen-
burg reprüsentirten Handel gekettet. Die neue
Gestaltung Deutschlands wird von den meisten
Schweden, wenn sie auch an Militärlast u. dgl.
keine Freude haben, als eine nothwendige und
dauernde angesehen und es ist für den Deutschen
ein wohlthuendes Gefühl, wahrzuuehmen, wie sein
Vaterland, vor wenigen Jahren noch verachtet und
beim Ausbruch dänischer Wirren von der kleinsten
dänische,! Corvette an jedem Küstenorte bedroht,
heute dort gefürchtet, hier geachtet und hochgeschätzt
dasteht. Es ist dies eine Thatsache, welche jeder,
der vor Jahren im scandinavischen Norden war
und hente wieder hinkommt, als eine vorhandene
anerkennen muß, und welche auch denen Stoff zum
Nachdenken geben kann, die selbst mit den heimi-
schen Zuständen nicht zufrieden sind. — Wenn
wir von den Festlichkeiten der Woche unfern Aus-
gang genommen haben, so wollen wir zum Schluffe
zu einem anderen Feste kommen, welches den
schwedischen, dem deutschen so vielfach nahestehenden
Volkscharakter von seiner liebenswürdigsten Seite
zeigt und zumal für den Angehörigen der Hei-
math Schillers und Uhlnnds ganz ungemein an-
sprechend ist: zu dem Bellmauusfeste am 26. Juli.
Bellmaun ist oft der schwedische Anakreon oder
Beranger oder Uhland genannt worden. Der
schwedische Volkssänger 1840 zu Stockholm geb.,
1795 gest., war bei aller Aehnlichkeit mit Meistern
anderer Nationen doch von einer alleinstehenden
Eigenart; er war vor allem bedeutend durch die
Verbindung des Dichters und Musikers, er war
ein Improvisator, ein Sänger, der alle Freuden
und Leiden seines Volkes mit glücklichstem Geiste
erfaßte und künstlerisch gestaltete: das Volksleben,
die Freiheit, das Vaterland. Er ist heute noch der
populärste Dichter des Landes. Seine Weisen
sind allbekannte Volksweisen geworden. Am 26.
Juli 1829 war im Djürgarden (Thiergarten), dem
herrlichen Park auf einer der Inseln Stockholms,
Bellmanns collossale Erzbüste, ein Werk des schwe-
dischen Bildhauers Byström, enthüllt worden.
Seither ist der 26. Juli der jährliche Bellmanns-
tag. Es ist ein Fest, am ehesten mit den schwä-
bischen Schiller- und Liederfesten vergleichbar, aber
ungleich volksthümlicher. Tausende strömen hinaus
in den prachtvollen, von der See bespülten Wald,
nicht bloß die Vergnügungsplätze sind dicht besetzt,
sondern der ganze Wald um die Büste; da
lagern die Familien auf den Felsen, unter den
Eichen und Tannen; auf den breiten Wegen fahren
im langsamen Schritt die Wagen der vornehmen
Stockholmer dahin, alle Stünde nehmen ihren
Antheil. Nun ertönt am Denkmal Musik. Eine
eigene Gesellschaft von Schriftstellern, Künstlern
u. s. w., der Bellmannsorden hat sich gebildet, um

vergehen dürften, ehe es möglich würde, zu den Verschütteten
zn gelangen!! Von den Beamten befinden sich sechs (zwei
Obersteiger und vier llntersteiger) mit in der Grube; unter
den Letzteren die drei Brüder Bär. Welche Gewalt die
Explosion entwickelt hatte, sah man auch an den auf der
erwähnten schiefen Ebene herausgeschleuderten „Hunden",
kleine Karren, die mit zusammengebogenen 14/s Zoll starken
eisernen Achsen ziemlich Zu Tage lagen.

Verschiedenes.
— (Zu was die Blattern gut sind.) In dem Orte K.
des Amtsbezirks B. sollte ein Mann gepfändet werden.
Was thut er in der Noth? Er geht Nachts an das HauT
eines Blatternkranken, nimmt das bezirksürztliche Plakat,
fort und heftet es an seine Hausthüre. Als Morgens der
Diener der Gerechtigkeit anklopfen will, fallen ihm die
schrecklichen Worte in's Auge: Hier herrschen die Blattern.
Nmkchren und reißausnehmen war Eins. Wie lange in-
dessen das Mittel, sich „mit fremden Federn zu schmücken"
Vorhalten wird, kann sich der Pscudoblatternkranke wohl am
besten vorstellen.
 
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