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Die Gartenkunst — 3.1901

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Nr. 8
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Klawun, Paul: Eine Stätte der Gartenkunst in der deutschen Ostmark
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https://doi.org/10.11588/diglit.22265#0166

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152

DIE GARTENKUNST

III, 8

3. Urnenlialle des „Yereins für Feuerbestattung“ im Treptower Park.
Originalaufnahme für „Die Gartenkunst“.

auf dem Gebiete der Gartenkunst so gut wio alles im Argen
lag, zu leisten vermochte, das kanri nur ernstlich wiirdigen,
wer die Verhältnisse vorher gekannt hat. Hier fand sich
endlich ein reiches Arbeitsfeld für eine energische Kraft,
die, ausgerüstet mit eisernem Pleifs und zielbewufstem
Können, ihr Bestes einsetzte, um Projekte auf Projekte
auszuarbeiten und diese zur Begutachtung und flnanziellen
Genehmigung einer Körperschaft vorzulegen, der bisher
die städtische Gartenkunst meist nur in der Rolle des
Aschenbrödels erschienen war. Auf ein Mal verlangte auch
das Aschenbrödel nach seidenen Kleidern und kostbaren
Blumen, um wohlgeriistet im Kreise ihror bevorzugten
städtischen Mitschwestern erscheinen zu können, denen
man diese Attribute weiblicher Anmut und Grazie schon
längst hatte zu teil werden lassen. Und man gab.

Mit einem heiter'en, einem nassen Auge sah die Posener
Stadtvertretung diese Pülle neuer Ideen auf sich einstürmen.
Mit freudiger Genugthuung empfand man, wie schön die
Stadt im neuen, anmutig dekorierten Kleide sich ausnehmen
müsse, obwohl sich ein bitteres Gefiihl der Freude zu-
gesellte, dafs diese moderne Toilotte auch erhebliche Opfer
erheische. Jedoch auch hier kam der Appetit beim Essen.

Beschränkte man sich im ersten Jahre darauf, die
Glacis-Anlagen zu vervollständigen und nur an den schlimm-
sten Stellen die bessernde Hand anzulegen, so begann
bereits im zweiten Jahre eine ganz energische Thätigkeit,
zunächst kleinere Plätze neu zu schaflen und namentlich

hier Blumenschmuck in künstlerischem Arrangement zu
geben. Ich erwähne hier nur das kleine Blumeneiland,
welches man mit glücklicher Hand auf dem Viktoriaplatz
geschaffen, gleichsam ein heiteres Parbenspiel gerettet aus
dem Strafsenlärm. Derartige wolilgelungene kleine Beispiele
gartenkünstlerischen Schaffens riefen natürlich bald ein
lebhaftes Interesse im Publikum wach und förderten die
Opferwilligkeit der Stadtväter nicht unerheblich. Galt es
doch bereits im dritten Jahre, ein gewagtes Kunststück
zli unternehmon und an die totale Umgestaltung der
Wilhelmsstrafse zu gehen. Seit langen Jahren bildete
dieser breite, dem imposanten Wilhelmsplatz vorgelagerte
Promenadenzug die Hauptflanierstraf.se der Posener liebes-
frohen Jugend, die sich nicht leichten Herzens ihren bevor-
zugten Sammelpunkt, wo namentlich an heiteron Sommer-
sonntagen ein frischpulsierendes Leben die konzertierende
Militärkapelle umwogte, kampflos schmälern zu lassen ge-
dachte. Andererseits boten die alten Kastanienbäume mit
ihrem bereits Mitte Juli verdorrenden Blattschmuck .einen
trostlosen Anblick, so dafs in der Umgestaltung gerade
dieses bedeutungsvollen Strafsenzuges die aufstrebende
Posener Gartenkunst ihre zunächst wichtigste und vor-
nehmste Aufgabe erkennen mufste. Man hat sie mit
grofsem Geschick in geschmackvoller, ja fiir die immerhin
bescheidenen Verhältnisse einer mittleren Provinzialstadt
geradezu grandioser Weise gelöst, in dem man in die Mitte
ein langgestrecktes, in üppigstem Blumenschmuck prangen-
 
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