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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1869

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No. 145
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https://doi.org/10.11588/diglit.29848#0585

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Donnerstag, 9. Dezember 1869. A». 145. Dritter Jahrgang.


Amts-Werkündigungsölatt für dm Bezirk Schwetzingen.


adische Hapfenfeitung.

Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beigabe Sonntagsblatt. — Alle Postanstalten und Boten nehmen Bestellungen an. -- Preis vierteljährlich 1 fl. 15 kr.
Anzeigen, die dreigespaltene Petitzeile oder deren Raum 3 kr.

Baden.
* Schwetzingen, 9. Dec. Der auf heute
Abeud in der Gaa'schen Brauerei auberaumte 2.
Bürgerabend dürfte voraussichtlich wieder stark
besucht werden, da der Gegenstand, welcher bei
dieser Veranlassung zur Sprache gelangt, die Ar-
mengesetzgebung, ein sehr wichtiger, das Wohl der
Gemeinde berührender Faktor in der Kette der
Gemeindegesetzgebung ist. — Die älteren Bestim-
mungen, welche theils veraltet, theils unzulänglicher
Natur sind, machen die zeitgemäße Aenderung
dieses Zweiges der Gemeindegesetzgebung zu einer
unabweisbaren Forderung.
Die Erörterung dieser Tagesfrage dürfte da-
rum auch Jedem, der sich für das Gemeindewesen
interessirt, willkommen fein.
Deuts chland.
Beelin, 4. Dec. Diesen Nachmittag 5 Uhr
sind der Bundeskanzler Graf Bismarck und dessen
Gemahlin von Varzin hier eingetroffen, um sich
nach Bonn an das Krankenlager eines ihrer dort
studirenden Söhne zu begeben. Die Krankheit ist
in Folge einer Verwundung bei einem Säbelduell
entstanden. Erst nachdem in dem Verlauf des
Leidens eine gefährliche Wendung eingetreten war,
ist von dem ganzen Vorgänge den Eltern Kunde
gegeben worden, und zwar geschah dieß auf fol-
gendem Wege. Der Oberpräsident meldete dem
Unterstaatssekretär v. Thile die in der Krankheit
deS jungen Grafen hervorgetretene gefährliche
Wendung, v. Thile meldete dieß dem Könige,
und der König benachrichtigte den Grafen Bis-
marck telegraphisch und forderte ihn auf, nach
Bonn zu eilen.

Oefterreichische Monarchie.
Triest, 3. Dec. Die „Triest. Ztg." enthält
folgende Mittheilungen aus Catiaro:
Die Nachrichten vom Schauplatze des Aufstan-
ds? sind nichts weniger als tröstlich. Unsere
Truppen haben allerdings an Terrain gewonnen,
aber mit allzu schweren Opfern, die mit den Er-
gebnissen in keinem Verhältnisse stehen. Zudem
werden die Insurgenten, der Milde der Zivil- und
Militärbehörden gegenüber, immer trotziger und,
wenn es möglich wäre, immer wilder. Die Ver-
stümmelungen, welche noch vor wenigen Tagen an
einigen Soldaten verübt wurden, sind die Antwort,
welche die Kannibalen dem Grafen Auersperg
gaben, der viele Dutzende von Gefangenen ganz
straflos freiließ und heimschickte. Wir können die
Politik des Truppenkommandanten, Grafen Auers-
perg, nur beklagen, der die Rebellen durch Groß-
muth und Milde zu entwaffnen hofft. Man könnte
eben so gut Hyänen mit Blumensträußen zu zäh-
men versuchen. Wir wünschen nur, daß einige
der Unglücklichen, die den Insurgenten in die
Hände gefallen und von ihnen auf das gräßlichste
verstümmelt worden sind, photographirt und diese
Bildnisse unter den zivilisirten Nationen Europa's
verbreitet würden, damit die Gesinnungen dieser
Helden des Panslavismus gehörig bekannt würden
und die Zukunft, welche Europa erwartet, wenn
die Träume des nordischen Riesen in Erfüllung
gehen sollten, Allen vor die Augen träte.
Ausland.
Papis, 4. Dec. Der gesetzgebende Körper
hat gestern die Prüfung der Mandate in Angriff
genommen. Etwa 30 Wahlen sind zur öffentlichen
Berichterstattung vorbereitet, von diesen werden
14 ernstlich angegriffen werden. Gleich zu Beginn
der Sitzung geschah das Langerwartete: Rochefort

begehrte das Wort. Als er zu sprechen begann,
rief man ihm zu, er solle die Tribüne besteigen.
Er erwiderte jedoch, er habe nur einige Worte zu
sagen und dieselben würden keine „umstürzenden"
sein. Er erinnerte alsdann, daß die beratenden
Versammlungen in Frankreich zum Oeftern von
denjenigen verrathen worden seien, welche dieselben
zu bewachen hätten, ohne daß die Präsidenten
etwas daran zu ändern vermochten, und verlangte,
es solle künftig der Nationalgarde, die aus Bür-
gern und Wählern zusammengesetzt ist, der Dienst
im gesetzgebenden Körper übertragen werden. (Jetzt
wird derselbe von den Linientruppen versehen.)
Der Vorschlag Rocheforts ward vom linken Cent-
rum und von der Linken unterstützt. Die Rechte
versuchte zu lachen, worauf Gambetta mit seiner
Löwenstimme ihr zurief: „Lachen Sie, meine
Herren, es wird eine Zeit kommen, wo man Ihr
Lachen für albern erklärt." Rochefort sprach kiar,
einfach und mit vielem Takt, was um so mehr
bemerkt wurde, als nachher ein politischer Gegen-
füßler von ihm gleichfalls seine Jungfernrede hielt,
Clement Duvernois, der sich durch seine Heftigkeit
hervorthat; Rochefort blieb sich offenbar bewußt,
in welcher Umgebung er spreche, während Duver-
nois von dem Präsidenten an die Regeln parla-
mentarischer Schicklichkeit erinnert werden mußte.
Duvernois hatte allerdings als Berichterstatter für
die Wahl des Herrn v. Saint-Hermine (Vendee)
eine schwierige Stellung, denn er hatte im Namen
seiner Abtheilung eine faule Sache zu vertheidigen.
Dazu war die Abstimmung beinahe einem politi-
schen Votum gleich zu achten; die Ollivieristen,
welche zur Rechten übergetreten sind, empfinden
seit zwei Tagen offenbar eine gewisse Reue über
ihren Schritt. Sie suchen mit dem linken Cent-
rum wieder anzuknüpfen und benützen gern eine
günstige Gelegenheit, mit den liberalen Fraktionen

Eine russische Ehe.
Aus der letzten Zeit der Leibeigenschaft.
Von Sl. von K.

(Schluß.)
»Wie denn, mein gnädiges Fräulein — verwundet —
der Kopf abgerissen — bei Gott — ganz — todt —" Er
athmete tief auf. .. »Natalie Dmitriewna,' fuhr er mit fester
Stimme fort, »was soll ich meinem Herrn sagen, — er
harrt mit Ungeduld auf Ihre Antwort/
Da erhob Natalie mit leuchtendem Blick den Kopf und
rief:
»Sage dem Fürsten, guter Mann, ich erwarte
ihn!'
»Gott sei gelobt,' hauchte der Soldat, »eS ist ge-
lungen!'
Unterdessen hatte Natalie in ein Fach gegriffen -.
»Hier, für deine Mühe,' sprach sie freundlich und
reichte ihm ein Goldstück.
»Diese Mühe laß' ich mir nicht lohnen, Natalie Dmi-
ttiwna!' rief dec Soldat, das Goldstück abwehrend, ,be-

halten Sie Ihr Geld — oder — lassen sie dafür eine
Messe lesen — für die arme Seele des armen Nikolai —
soll ich aber eine Gunst von Ihnen erhalten," fuhr er zö-
gernd fort, »nun — so —'
»Sprich, sprich, war wünschest Du,' ermuthigte ihn
Natalie.
»Erlauben Sie mir — Ihre Hand zu küssen.'
»Herzlich gern," rief Natalie, ihm die weiche, feine
Hand reichend.
Einen Augenblick schwankte der Soldat — dann faßte
er die ihm dargebotene Hand, drückte sie fast leidenschaftlich
an die bebenden Lippen und ohne wieder auf Natalie zu
blicken, stürzte er aus dem Zimmer. —
So langsam er zu Natalie gegangen war, so lief er
jetzt mehr, als er ging; der schwache, hinfällige Mann schien
seine letzten Kräfte an diesen geflügelten Gang zu wenden.
Beinahe besinnungslos stürzte er in das Zimmer seines
Herrn, der über seine Bläffe erschrak.
.Fürst!' rief er athemlos, »Natascha-Natalie
Dmitriewna — erwartet Sie — gehen Sie — schnell —
Alles — gut — —' Mit diesen Worten sank er zusammen
— ein Blutsturz entströmte den: bleichen Munde.
Doch noch einmal rief ihn die liebevolle Pflege seines

Herrn ins Leben, noch einmal schlug er die treuen Augen
auf und lispelte wie im Gebet:
„Gott, Gott, — gnädig und von großer Güte — läßt
mich!sterben — auf daß ich kein Lügner sei!"
Und sich zum Fürsten wendend, der ihm voll Er-
staunen zuhörte:
»Erinnern Sie Natascha — — Natalie Dmitriewna
— eine Messet lesen, für den armen Nikolai Sokoloff —
Fürst — mein geliebter, — gütiger Herr — Sie werden
sie haben — glücklich sein — zufrieden!"
Und eine Leiche lag er da, bis in den Tod die treue
Seele, die einst das Leben ihres Herrn mit jihrem Leben
— jetzt sein Glück durch ihren Tod erkauft batte!
Die Melancholie der Komiker.
Die Extreme berühren sich — ist ein bekannter Wahr-
spruch — und die Geschichte von dem sterbenden Clown,
der, den Tod im Herzen, das Publikum lachen macht, oder
besser, die Thatsache, daß Molier, ein eben so bedeutender
Komiker als Dichter, noch eine Stunde vor seinem Tode
dem Parterre ein nimmer endendes Gelächter durch sein
 
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