Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 14.1914/1915
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https://doi.org/10.11588/diglit.55564#0071
DOI Heft:
Heft 6
DOI Artikel:Redaktioneller Teil
DOI Artikel:Pfeiffer, Richard: Deutscher Stil: eine Abrechnung
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XIV, Heft 6.
Die Werkstatt der Kunst.
63
Redaktioneller Teil.
Deutscher Stil.
Eine Abrechnung.
von Richard Pfeiffer, Professor an der Kgl. Kunstakademie in Königsberg i. pr.
„Oer Deutsche läuft keine größere Gefahr,
als sich mit und an seinen Nachbaren zu
steigern. Ls ist vielleicht keine Nation ge-
eigneter, sich aus sich selbst zu entwickeln."
Goethe.
Schwer liegt die Hand des Krieges auf uns Künst-
lern. Eins aber hat er uns gebracht, was uns unver-
lierbar ist, wie auch des Ringens Ausgang sei, ein
Großes: Klarheit über uns selbst und die größte, über-
wältigendste Offenbarung unseres eignen Wesens.
Für ein Volk wie für den einzelnen ist es ein großer
Augenblick, wenn es sich selbst und seine eigene Schatz-
grube entdeckt. Mit einem Schlage erkannten wir an
der Umwelt uns selbst. Wit Grauen sahen wir die
moralischen Grundlagen der hochgerühmten Kultur
des Westens, die alle Laster und Leidenschaften des
Erdballs auf uns hetzt. Das soll der Ausdruck höchster
europäischer Kultur sein? Wahrlich, nichts zu lernen
gibt es dort für uns mehr. Und wenn wir einstmals
dort in die Schule gingen, war es eine Torheit. Wir
wären berufen gewesen, eine ganz andere Art von
Kunst zu machen, als die, welche uns auf Grund fal-
scher und willkürlicher Voraussetzungen als die richtung-
gebende „europäische" aufgenötigt wurde. Wag es
vermessen klingen: Nicht Deutschland wird europäisch
werden, sondern Europa wird deutsch sein oder auf-
hören zu bestehen. Oie „Entwicklungslinien" der Welt
lausen über deutsches Wesen. Deutschland wird als
hort der Wahrheit und der Ordnung der Lehrmeister
und Herr der Völker werden. Oer Deutsche von heute
sieht die Abgründe, die ihn von der Verlogenheit und
Entartung seiner Gegner trennen, und entdeckt, daß
alles, was er je von ihnen zu empfangen geglaubt
hat, in seinem eigenen Wesen in viel vollkommenerer
Gestalt zu finden ist. An praktischer Klugheit über-
treffen wir die Engländer, an erfinderischen Kräften
die Franzosen, an wahrer religiöser Tiefe Rußland.
Das fühlen unsere Feinde, und sie wissen, daß wir auf
friedlichem Wege unüberwindlich sind. So griffen
sie heimtückisch zur Waffe, uns zu erschlagen, weniger
als je geziemt es heute uns deutschen bildenden Künst-
lern, die Welt mit den Augen unserer Todfeinde an-
zusehen. Wie das Beispiel der stark einsetzenden
Sprachreinigung zeigt, haben wir es bei unserem Reich-
tum nicht nötig, fremde Formen zu benützen.
Auch unsere künstlerische Formensprache wollen
wir jetzt säubern, damit sie rein unser wesen wider-
strahle. Denn wir haben etwas erlebt, was uns ewig
vor der Seele stehen wird:
den deutschen Stil.
Oer Krieg war es, der ihn offenbar werden ließ.
Jedem wurde es klar, wie unser Volk eigentlich ge-
artet ist, jeder war stolz darauf, ein Deutscher zu sein.
Nicht nur der Generalquartiermeister schreibt diesen
herrlichen Stil, den unsere prachtvollen Heere lieben,
wir entdecken ihn auch in vollkommener weise in den
Malereien unserer alten Weister. Oenn die Rasse
scheint unveränderlich zu sein. Was Tacitus über die
Germanen schrieb, ist im ganzen heute noch ebenso
wahr, als das, was die Alten über die Gallier berich-
teten. Wit Worten läßt sich unsere Wesensart nicht
erschöpfen. Wollen wir aber doch darüber reden, so
könnten wir sie vielleicht kurz als eine vollkommene
Durchdringung von Intuition und bürger-
licher Solidität bezeichnen. Diese beiden Pole
in gleicher Stärke zu vereinigen, ist uns allein eigen-
tümlich. Wir freuen uns zwar des Reichtums fremder
Volksarten, und Chauvinismus ist uns ein fremdes
Wort für eine fremde Sache. Am besten aber dienen
wir der Welt, wenn wir unsere Art möglichst rein
auszuprägen versuchen. Wir brauchen dabei nicht be-
fürchten, zu verarmen. Umfänglicher ist unsere Seele,
als die der national begrenzteren Nachbarn. Jedoch
auch für uns gibt es wesensfremdes. Und mit Recht
mahnt uns Goethe:
Was euch nicht angehört, müßt ihr vermeiden,
was euch das Innere stört, dürft ihr nicht leiden.
Gewiß sind Menschen und Völker auf gegenseitigen
Austausch angelegt. Wir aber sind immer ungerecht
gegen uns selbst und übergerecht gegen die anderen
gewesen. Wir sind empört über unsere Frauen, die
sich den gefangenen interessanten Fremden an den
hals werfen, während unsere armen verwundeten
im Feindeslande schrecklich zugerichtet werden, haben
wir in der Kunst nicht genau dasselbe getan? Unsere
Bereitwilligkeit fremden Einflüssen gegenüber hat uns
nicht zu der Ausprägung kommen lassen, zu der wir
reichlich befähigt waren. Würden wir uns selbst besser
kennen, so wären wir auch weniger schnell zur Nach-
ahmung bereit. Das erhellt klar aus einer Betrachtung
über die fremden Anregungen der letzten Zeit.
Daß es keinem Europäer jemals gelungen ist, mit
den schiefäugigen Schuften aus Asien in vertraute
menschliche Beziehungen zu kommen, ist eigentlich für
die Bewertung japanischer Kunst schon ausreichend.
Was wir wirklich an ihnen schätzen dürfen, finden wir
im reichsten Naße in Kunst und Gewerbe des Mittel-
alters. Dort ist das dekorative Element aber nicht nur
Sinneskitzel, wie bei den amoralischen Geishaverehrern,
die es fertigkriegen, eine Kommission mit der Auf-
findung einer geeigneten Religion zu beauftragen!
Wenn das nicht gemütliche Impotenz ist, so gibt es
keinen derartigen Begriff. Unsere Kunst entspringt
den Kräften des Gemütes und nicht Nervenreizen.
Deutschland verkörpert die herbe Zucht der Idee,
Die Werkstatt der Kunst.
63
Redaktioneller Teil.
Deutscher Stil.
Eine Abrechnung.
von Richard Pfeiffer, Professor an der Kgl. Kunstakademie in Königsberg i. pr.
„Oer Deutsche läuft keine größere Gefahr,
als sich mit und an seinen Nachbaren zu
steigern. Ls ist vielleicht keine Nation ge-
eigneter, sich aus sich selbst zu entwickeln."
Goethe.
Schwer liegt die Hand des Krieges auf uns Künst-
lern. Eins aber hat er uns gebracht, was uns unver-
lierbar ist, wie auch des Ringens Ausgang sei, ein
Großes: Klarheit über uns selbst und die größte, über-
wältigendste Offenbarung unseres eignen Wesens.
Für ein Volk wie für den einzelnen ist es ein großer
Augenblick, wenn es sich selbst und seine eigene Schatz-
grube entdeckt. Mit einem Schlage erkannten wir an
der Umwelt uns selbst. Wit Grauen sahen wir die
moralischen Grundlagen der hochgerühmten Kultur
des Westens, die alle Laster und Leidenschaften des
Erdballs auf uns hetzt. Das soll der Ausdruck höchster
europäischer Kultur sein? Wahrlich, nichts zu lernen
gibt es dort für uns mehr. Und wenn wir einstmals
dort in die Schule gingen, war es eine Torheit. Wir
wären berufen gewesen, eine ganz andere Art von
Kunst zu machen, als die, welche uns auf Grund fal-
scher und willkürlicher Voraussetzungen als die richtung-
gebende „europäische" aufgenötigt wurde. Wag es
vermessen klingen: Nicht Deutschland wird europäisch
werden, sondern Europa wird deutsch sein oder auf-
hören zu bestehen. Oie „Entwicklungslinien" der Welt
lausen über deutsches Wesen. Deutschland wird als
hort der Wahrheit und der Ordnung der Lehrmeister
und Herr der Völker werden. Oer Deutsche von heute
sieht die Abgründe, die ihn von der Verlogenheit und
Entartung seiner Gegner trennen, und entdeckt, daß
alles, was er je von ihnen zu empfangen geglaubt
hat, in seinem eigenen Wesen in viel vollkommenerer
Gestalt zu finden ist. An praktischer Klugheit über-
treffen wir die Engländer, an erfinderischen Kräften
die Franzosen, an wahrer religiöser Tiefe Rußland.
Das fühlen unsere Feinde, und sie wissen, daß wir auf
friedlichem Wege unüberwindlich sind. So griffen
sie heimtückisch zur Waffe, uns zu erschlagen, weniger
als je geziemt es heute uns deutschen bildenden Künst-
lern, die Welt mit den Augen unserer Todfeinde an-
zusehen. Wie das Beispiel der stark einsetzenden
Sprachreinigung zeigt, haben wir es bei unserem Reich-
tum nicht nötig, fremde Formen zu benützen.
Auch unsere künstlerische Formensprache wollen
wir jetzt säubern, damit sie rein unser wesen wider-
strahle. Denn wir haben etwas erlebt, was uns ewig
vor der Seele stehen wird:
den deutschen Stil.
Oer Krieg war es, der ihn offenbar werden ließ.
Jedem wurde es klar, wie unser Volk eigentlich ge-
artet ist, jeder war stolz darauf, ein Deutscher zu sein.
Nicht nur der Generalquartiermeister schreibt diesen
herrlichen Stil, den unsere prachtvollen Heere lieben,
wir entdecken ihn auch in vollkommener weise in den
Malereien unserer alten Weister. Oenn die Rasse
scheint unveränderlich zu sein. Was Tacitus über die
Germanen schrieb, ist im ganzen heute noch ebenso
wahr, als das, was die Alten über die Gallier berich-
teten. Wit Worten läßt sich unsere Wesensart nicht
erschöpfen. Wollen wir aber doch darüber reden, so
könnten wir sie vielleicht kurz als eine vollkommene
Durchdringung von Intuition und bürger-
licher Solidität bezeichnen. Diese beiden Pole
in gleicher Stärke zu vereinigen, ist uns allein eigen-
tümlich. Wir freuen uns zwar des Reichtums fremder
Volksarten, und Chauvinismus ist uns ein fremdes
Wort für eine fremde Sache. Am besten aber dienen
wir der Welt, wenn wir unsere Art möglichst rein
auszuprägen versuchen. Wir brauchen dabei nicht be-
fürchten, zu verarmen. Umfänglicher ist unsere Seele,
als die der national begrenzteren Nachbarn. Jedoch
auch für uns gibt es wesensfremdes. Und mit Recht
mahnt uns Goethe:
Was euch nicht angehört, müßt ihr vermeiden,
was euch das Innere stört, dürft ihr nicht leiden.
Gewiß sind Menschen und Völker auf gegenseitigen
Austausch angelegt. Wir aber sind immer ungerecht
gegen uns selbst und übergerecht gegen die anderen
gewesen. Wir sind empört über unsere Frauen, die
sich den gefangenen interessanten Fremden an den
hals werfen, während unsere armen verwundeten
im Feindeslande schrecklich zugerichtet werden, haben
wir in der Kunst nicht genau dasselbe getan? Unsere
Bereitwilligkeit fremden Einflüssen gegenüber hat uns
nicht zu der Ausprägung kommen lassen, zu der wir
reichlich befähigt waren. Würden wir uns selbst besser
kennen, so wären wir auch weniger schnell zur Nach-
ahmung bereit. Das erhellt klar aus einer Betrachtung
über die fremden Anregungen der letzten Zeit.
Daß es keinem Europäer jemals gelungen ist, mit
den schiefäugigen Schuften aus Asien in vertraute
menschliche Beziehungen zu kommen, ist eigentlich für
die Bewertung japanischer Kunst schon ausreichend.
Was wir wirklich an ihnen schätzen dürfen, finden wir
im reichsten Naße in Kunst und Gewerbe des Mittel-
alters. Dort ist das dekorative Element aber nicht nur
Sinneskitzel, wie bei den amoralischen Geishaverehrern,
die es fertigkriegen, eine Kommission mit der Auf-
findung einer geeigneten Religion zu beauftragen!
Wenn das nicht gemütliche Impotenz ist, so gibt es
keinen derartigen Begriff. Unsere Kunst entspringt
den Kräften des Gemütes und nicht Nervenreizen.
Deutschland verkörpert die herbe Zucht der Idee,