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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 14.1914/​1915

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Heft 32
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Nichtamtlicher Teil
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Hirsch, Julius: Die Kunst und der Krieg in Antwerpen
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Künstler als Museumsleiter
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https://doi.org/10.11588/diglit.55564#0384

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376

Die Werkstatt der Kunst.

XIV, Heft 32.

Eine olämische Zeitung in Antwerpen „het
vlaamsche Nieuws" veröffentlichte nun vor wenigen
Tagen ein Protokoll über die Aussage eines aus Gent
nach England geflüchteten Herrn, der Vorsitzender
des dortigen Kirchenrates sein soll, nach welchem nur
die Flügel des Altarbildes „Oie Anbetung des
Lammes" nach England gebracht wurden.
Ist diese Aussage richtig— und man kann es wohl
annehmen — dann sind die Engländer, welche gewiß
auf die Entfernung des berühmten Altarbildes nach
London gedrungen haben, von den guten Gentern an
der Nase geführt worden. Oenn nur die mittleren
Tafeln des Altarbildes: Gottvater, Maria, Johannes
der Täufer und die Engel von Hubert van Egck und
des Mittelbildes „Oer Brunnen des Lebens" von
Hubert und Jan van Egck sind an dem Genter Altar-
bilde echt. Oie Flügelbilder zu 5t. Bavo in Gent
sind Kopien. Oie echten Flügel befinden sich teils
im Berliner Kaiser-Friedrich-Museum („Oie Streiter
Lhristi und die gerechten Richter", sowie „Jodokus

vgdt und seine Frau", die Lüfter des Altarbildes)
teils im Museum in Brüssel (Adam und Eva). Vie
eben genannten Flügelbilder, die von beiden Brüdern
geschaffen wurden, verkaufte im Jahre 1816 der
Generalvikar des Bistums Gent Franz Le 5urre in
Abwesenheit des damaligen französischen Bischofs von
Gent für 3000 holländische Gulden an den bekannten
holländischen Kunsthändler Nieuwenhuis, der sie
kurze Zeit darauf um 100 000 Frcs. dem englischen
Sammler Sollg verkaufte. Mehrere Jahre später —
ich glaube 1821 — erstand die preußische Regierung
die Flügelbilder von Sollg für 400 000 Frcs. Berlin
bekam aber nicht die Teile „Adam und Eva". Diese
wanderten nach Brüssel. Vas Mittelbild der „An-
betung des Lammes" wird sich zweifellos in einem
Keller zu Gent befinden. Oie Senter werden wohl
wissen, daß es ihnen dort sicherer war, als in London.
Belgien ist von England bitter enttäuscht worden,
warum soll sich Belgien nicht rächen?
Julius Hirsch, Kriegsberichterstatter.

RimMer als Museumsleiter.

In heft 1 des Landes 11 der „Museumskunde",
Verlag Georg Reimer, Berlin, wird zur Frage der
Wiesbadener Galerie geschrieben:
Vie von mir im Verlauf eines^Briefwechsels ver-
anlaßte Notiz über die Wiesbadener Gemäldegalerie
bringe ich, entgegen der Gewohnheit der Zeitschrift,
ohne Nennung des Verfassers zum Abdruck, damit
die Kreise, an die sie sich wendet, nicht den lediglich
auf die Sache gerichteten Inhalt unter dem Vorwand
unbeachtet lassen können, es würden irgendwelche
persönlichen Zwecke mit der am Schluß aufgestellten
Forderung verfolgt. Als die Stuttgarter Gemäldega-
lerie der Gbhut eines Nichtfachmannes ausgeliefert
wurde, habe ich an dieser Stelle auf den schweren
Schaden hingewiesen, der daraus dem Museumswesen
erwachsen könne- Ich habe leider nur zu sehr recht
behalten. In der Folgezert hat man dann noch einmal,
und zwar an einer der ersten Kunstsammlungen des
Reiches, einem Nichtfachmann, diesmal einem bedeu-
tenden Künstler, die virektionsgeschäfte anvertraut,
um bald auf beiden Seiten, der des Anstellenden
wie des Angestellten, die völlige Unzweckmäßigkeit
der Maßregel einzusehen und zu dem Fachmann als
Retter zurückzukehren. Jetzt scheint eine Stadtver-
waltung dem gleichen Irrtum verfallen zu wollen,
ohne sich auch nur die leisesten Bedenken darüber zu
machen, ob sie richtig oder unrichtig handelt, und
sicherlich in völliger Verkennung der Wichtigkeit, die
gerade für unsere Städte das Museumswesen in den
letzten Jahrzehnten gewonnen hat- Sie mag in letzter
Stunde eindringlich gewarnt sein-
(Der Herausgeber der Museumskunde).
Oer mächtige Museumsbau von Theodor Fischer,
der die Ecke der schön angelegten Kaiserstratze, der
Wiesbadener viu triumpüalis bildet, ist seiner Vollen-
dung nahe. Oie Altertums- und die naturhistorische
Sammlung, die sich in den letzten Jahren unter der
Leitung tüchtiger Direktoren einer guten Entwicklung
erfreuten, werden in den neuen Räumen zweifellos
schon jetzt zu günstiger Wirkung kommen. Ein
Fragezeichen aber steht über der Zukunft der Ge-

mäldegalerie. Diese Galerie ist das Stiefkind der Stadt.
Untdr den öffentlichen Sammlungen der Städte von
über 100 000 Einwohnern steht die Wiesbadener in
ihrer Verwahrlosung einzig da. Sie ist das Erstaunen
der Fremden und die Verlegenheit der Eingeborenen.
Im Adreßbuch figuriert ein Justizrat als „General-
direktor", der aber in Wirklichkeit nur Vorstand eines
Kunstvereins ist. Vieser Kunstverein haust in den
Räumen der Galerie und ist gegen freies Logis zu
einer Art Fürsorge der Bestände verpflichtet, die darin
besteht, daß der vorhandene Etat für Gelegenheits-
bzw. Verlegenheitsankäufe verschleudert wird. In
dem planlosen Durcheinander der Erwerbungen laufen
zuweilen große Namen mit unter; aber auch sie sind
mit kleinen Unglücksfällen verbunden. Einen Feuer-
bach, den man für 3000 Mark angeboten erhielt,
kaufte man sechs Wochen später für 9000 Mark; des-
gleichen einen Hodler für 3000 Mark, der kurz vorher
für 900 Mark erhältlich war. Vabei läßt sich bei der
herrschenden verwurstelungspolitik nie ergründen, was
eigentlich Galerie-, was Vereinsbesitz ist. Diese Zu-
stände sind natürlich im neuen Hause unmöglich.
Jedermann weiß auch, daß mit der Eröffnung des
neuen Museums ihr letztes Stündlein geschlagen habe.
Man spricht davon, daß die Einsetzung einer Direktion
geplant sei. Aber wo bleibt der Direktor? Denkt man
ihn in der letzten Stunde herbeitelephonieren zu
können? Es sind keine angenehmen Aufgaben, die
seiner harren, was soll ein Direktor kurz vor der
Eröffnung mit Räumen anfangen, die von Theodor
Fischer in München zwar sehr hübsch, aber ohne
jede Kenntnis des vorhandenen Bilderbestandes
entworfen wurden? Sonst liegt das Schwergewicht
eines Museumsbaues doch wohl in dem Zusammen-
arbeiten des Kunsthistorikers mit dem Architekten,
hier aber findet der neue Direktor nicht bloß ein
 
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