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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 14.1914/​1915

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Heft 30
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Nichtamtlicher Teil
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Westheim, Paul: Uniformmalerei
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Burgfrieden
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https://doi.org/10.11588/diglit.55564#0355

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XIV, Heft 30.Die Werkstatt der Kunst.3H7

deutschen Stämme zur Einheit führten, unendlich
größer, unendlich heldenhafter, als sie uns geboten
werden in einer Kunst, die zu ihrer Verherrlichung ge-
schaffen worden. In schwächlich matten Abbildern nur,
denen unserem Empfinden nach das Wesentliche
mangelt, können wir sie unseren Kindern zeigen, wenn
wir von ihren Taten sprechen. Statt durch die Kunst
ins Mythische emporzuwachsen, hat eine allzusehr am
Kleinen haftende Ateliergeschäftigkeit sie verkleinlicht.
Auch das ist ein nationaler Verlust, ist um so mehr eine
Einbuße, je glanzvoller gerade sonst Krieger und
Kriegestaten der Nachwelt geschildert worden sind.
Venn der Held der Schlachten, der sein Ich für die
allergrößte der Ideen, für die vom Vaterland, einsetzte,
war immer der bevorzugte Liebling der Musen. Er
entzündete Phantasie und Sinne der Künstler,- er war
für sie Menschentum, das sie auszustatten vermochten
mit den Attributen des Göttlichen. So weitet Homer
seine Helden ins Riesengroße aus, so sehen wir sie
in der Edda und bei den Nibelungen eingehen in
Walhall, von den Buschmannzeichnungen an, die in
halbdunklen höhlen in den Stein geritzt worden, bis
zu dem Menzel der Friedrichsblätter ist es eine unab-
sehbare Folge strahlender Schönheit. Keiner Stadt
fehlt es an Denkmalen des Sieges, kein Museum, keine
Sammlung von Belang besteht, in der nicht das eine
oder andere Werk von solchem Heldentum zeugt.
Rembrandt hat in der „Nachtwache" ein ausziehendes
Schützenkorps verewigt,- Tizian in kriegerischer Rüstung
den Herzog von Urbino und Alba, den Unterdrücker
der Niederlande, gemalt, von velasquez kennt jeder-
mann den auf feurigem Roß dahersprengenden
Glivares oder den Franz von Este, der durch solches
Meisters Darstellung unvergeßlich geworden ist. Zahl-
los sind die Stiche, die uns die Züge des kunstfreund-
lichen Kaisers Max, des „letzten Ritters", überliefern,
nicht weniger selten die mit dem finsteren, immer ver-
grübelten Gesicht Wallensteins. Und wie oft haben
sich die Maler seines glorreichen Gegners, des Schwe-
denkönigs, der „die Hoffnung Deutschlands" gewesen,
bemächtigt. Cranach hat in seine Porträtgalerie neben
die Wittenberger Reformationsgefährten auch alle
die Fürsten aufgenommen, die der Sache des neuen
Glaubens mit ihrer Macht gedient haben. Nicht nur
die beiden Kurfürsten von Sachsen, die ihn mit ihrer
Freundschaft beehrten, auch Zoachim I. und Zoachim II.
von Brandenburg hat er im Schmucke ihrer Rüstungen
in Bildnissen voll männlicher Geradheit geschildert,
pesne, der Maler Friedrichs des Großen, hat die
Soldatenzeit seines Herrn weidlich zu nutzen gewußt.
Schon Friedrich Wilhelm I., den Vater der „langen
Kerls", hat er in derfür ihn selbstverständlichen Uniform
gemalt. Sein Bildnis des alten Dessauers aber dürfte
ihm den Platz in der Kunstgeschichte gesichert haben.
Was die deutschen Freiheitskriege an künstlerischen
Dokumenten hervorgebracht haben, ist im vorigen
Iahr erst in Breslau zu sehen gewesen und ist gleich-
zeitig in so mancher Veröffentlichung dem deutschen
Publikum wieder in die Erinnerung zurückgerufen

worden, wohin man auch greift — und es ist nicht
einmal notwendig, auf den Parthenongiebel oder
das Mosaik der Alexanderschlacht zurückzugehen, —
immer war kriegerisches Heldentum ein Ansporn für
den Künstler, mit seinen Mitteln der Illusion eine
ebenso zwingende Größe zu schaffen.
Aufs neue ist die deutsche Kunst vor diese Aufgabe
gestellt, wer wollte zweifeln, daß die Herzen unserer
Künstler weniger durchglutet wären von der Majestät
der Geschehnisse, die jetzt wie Sturmeswind über uns
hereingebrochen sind? wer ist nicht mit uns über-
zeugt, daß in allen Ateliers, in denen die pinsel jetzt
ruhen und die Farben in den Tuben vertrocknen
müssen, der Wille zu solch äußerster Kraftanstrengung
vorhanden ist! Und wer wünschte nicht sehnlichst, daß
dieser Wille zur schönen Tat werde? Denn, wenn ein-
mal wieder die Schwerter in der Scheide stecken, gibt
es einen Stoff, den das Volk, diese im Wollen, Denken
und Fühlen jetzt zu einer Einheit verbrüderten Milli-
onen, von seinen Künstlern dargestellt sehen will:
dieses neue Heldentum, dessen wir Zeugen sind und
von dem in ewig gültigen Formen die Erinnerung zu
bewahren unser Stolz und unsere Pflicht ist. Vas
aber wird eine Kunst sein, voll des geistigen Erleb-
nisses, die nichts gemein haben kann mit jener Uni-
formmalerei von gestern und vorgestern, die uns
alles Zwingende, die Persönlichkeit nämlich, schuldig
geblieben ist. Auch für die deutsche Kunst ist dieser
Krieg eine Schicksalsfrage, wir müßten sie aus
unseren Lebenswerten ausstreichen, wenn wir nicht
hoffen dürften, daß auch sie sich siegreich bewähren
wird.
Vurgkriecien.
In der Politik befleißigt man sich im deutschen
Reich des Burgfriedens. Man läßt allen Partei-
hader bis nach dem Kriege liegen, und daran tut man
gut.! In gleicher weise hat man den Burgfrieden
auch für die Kunst gefordert und zum Teil gehalten.
Es ist sicher richtig, wenn die großen verbände auf
Meinungsäußerungen verzichten, die angesichts der
schweren Zeiten als kleinlich und überflüssig erscheinen.
Der weg hierzu war ja schon vor dem Kriege be-
schritten, und eine Verständigung auf allen möglichen
Gebieten stand nahe bevor.
Etwas anderes ist es, den Begriff des Burgfriedens
auch auf die ästhetische Beurteilung künstlerischer
Taten auszudehnen, hier würde ein Burgfrieden nur
dann von Berechtigung sein, wenn sich nicht in jedem
künstlerischen Erzeugnis ein Bekenntnis ausspräche und
somit den einmal aufgestellten Grundsatz durchbräche.
Es ist nicht zu leugnen, daß sich sogleich unter dem
Schutze des mehr oder weniger stillschweigend er-
klärten Burgfriedens von Anbeginn des Krieges her
gewisse geschäftige und geschäftstüchtige Elemente an
die Arbeit machten und ihre bis dahin durch die Kritik
energisch unterdrückten Machwerke in den Vorder-
grund zu schieben versuchten. Sie wußten, daß keiner
 
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