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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 14.1914/​1915

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Heft 17
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Redaktioneller Teil
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Matthaei, Adelbert: Der Krieg von 1914 und die bildende Kunst in Deutschland, [3]
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Ostermayer, Ernst Ludwig: "Auge um Auge"
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https://doi.org/10.11588/diglit.55564#0205

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XIV, Heft 17.

Die Werkstatt der Kunst.

Mut und Treue sonder Fehle
Einfalt, die zum Herzen dringt.
Und den tiefen Zug der Seele,
Der nach seinem Gotte ringt!
Wahrst du die, wohlan, so wage
Jeden Kampf mit Siegeslust,
Denn du trägst zukünft'ger Tage
Frohe Bürgschaft in der Brust!
„/Zuge uni /Zuge."
In Heft sH der w. d. K. (das ich leider erst
jetzt gleichzeitig mit Heft erhalten habe) steht ein
kurzer Aufsatz von Professor Paul Riß, Dessau, den
ich in allem und jedem dick unterstreichen und ihm
folgendes beifügen möchte.
Bei einem Besuch in Neuyork anfangs (913
sprach ich einmal mit einem sehr klugen deutsch-
freundlichen Amerikaner über Kunst, Politik und was
damit zusammenhängt, und wir kamen dabei auf
die jammertraurige Geschichte mit den Bildern von
Jank im deutschen Reichstag. Da meinte der Ame-
rikaner, und ich mußte ihm in diesem Zusammen-
hang leider recht geben: „Die Deutschen sind das
dümmste Volk der Erde."
An diesen zunächst verblüffenden Ausspruch mußte
ich seit Kriegsbeginn oft denken, wir werden vom
ganzen Ausland, insbesondere natürlich von unsern
sittlich so tiefstehenden Gegnern, als Scheusale, Roh-
linge und Barbaren bezeichnet und behandelt und
bemühen uns trotzdem fortwährend, immer und
immer bieder, ehrlich, gutmütig und anständig zu
sein. Ja, heiliger Gott, ist denn das nicht wirklich
das dümmste, was man machen kann? Unsere Ge-
fangenen und unsere widerrechtlich zurückbehaltenen
Landsleute in Frankreich und Rußland werden scham-
los geschunden, gequält, gemartert und totgeschlagen,
wir aber schlagen an unsere deutsche wohlanständige
Brust und sagen fromm: Gottseidank, daß wir nicht
so sind, wir behandeln doch die Kriegsgefangenen
gut, die wir machen, wir geben ihnen sogar, um
nur eins zu erwähnen, Matratzen zum Schlafen,
auch wenn unsere Landsturmbataillone während der
Zusammenstellung wochenlang auf Stroh nächtigen.
Und die „harmlosen" Engländer, Franzosen und
Russen, die nach wie vor unbehelligt in Deutschland
ihren Geschäften nachgehen dürfen, die können wir
doch nicht einsperren, wie man's in jenen Ländern
mit den unglücklichen Deutschen macht.
Oder wir sagen: ach, wie schrecklich ist das für
die armen Ärzte und Offiziere, die in treuester Er-
füllung ihrer Pflicht in französische Hände fallen
und dann in schamloser, wirklich barbarischer weise
wie Verbrecher behandelt und verurteilt werden, wir
sehen auch ruhig zu, wenn die Engländer deutsche
Matrosen, die sie auf der „Königin Luise" gefangen
haben, nicht an Land, sondern im Vorderteil ihres
Schiffes unterbringen, damit diese als erste bei einer
Minenbegegnung in die Luft fliegen, und so weiter.

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Fällt uns ja gar nicht ein, Vergeltungsmaßregeln
anzuwenden, denn wir bilden uns natürlich ein,
schließlich müsse unsere biedere Anständigkeit doch
einmal vom Ausland anerkannt werden. Hat aber
irgend jemand, so frage ich, in der ausländischen
presse schon einmal gelesen, die Franzosen oder die
Engländer seien Hunnen, Barbaren oder sonst so
etwas? Ach, keine Spur, sowas gibt's ja gar nicht,
warum? weil sich kein anderes Volk der Welt so
etwas gefallen ließe, als eben das deutsche. Oder
glaubt vielleicht jemand, die Engländer würden sich
das ruhig gefallen lassen wie wir, wenn z. B. Frank-
reich mit England Krieg hätte und wollte gegen
gefangene Engländer so vorgehen, wie es gegen
Deutsche vorgeht? wir würden staunen, wie schnell
deren Behandlung sich bessern würde.
wir wären längst weiter in unseren militärischen
„Operationen" (wie man auch noch immer deutsch
sagt) wenn wir etwas rücksichtsloser wären, das wird
mir jedermann im Felde bestätigen müssen, wie
ost schon hat unsere verkehrte Gutmütigkeit deutsches
wertvolles Blut gekostet!
Ich könnte Reihen von Beispielen anführen, nicht
bloß vom Beginn des Krieges, sondern auch jetzt
noch. Man frage doch im ganzen großen deutschen
Heere, ob ein einziger Soldat der Ansicht ist, unser
Land und unsere Bevölkerung würde im Falle fran-
zösischer, englischer oder russischer Besetzung auch nur
Halbwegs so anständig behandelt, wie Land und Leute
der von uns besetzten feindlichen Gegenden. Ich
glaub's nicht. Nicht als ob ich damit sagen wollte,
wir sollten nun auch rauben und morden, aber wenn
unsere armen Stammesgenossen, seien sie militärische
oder bürgerliche Gefangene, von verblendeten, herz-
losen, grausamen Feinden in menschenunwürdiger
weise behandelt werden, dann sollen wir energische
Gegenmaßregeln ergreifen. Unsere Gutmütigkeit und
Anständigkeit wird ja nie und nimmer als solche
anerkannt, sondern als Schwäche und Dummheit
aufgefaßt oder ausgelegt.
Auch daraus spielte jener Amerikaner an, daß
kein Volk der Erde seine eigenen Erzeugnisse, seine
waren, seine Sitten und selbst seine Sprache allem
Fremdländischen gegenüber so geringschätze wie das
deutsche.
Englische oder amerikanische Ware, französische
und in letzter Zeit sogar russische Kunst werden vom
Deutschen der einheimischen vorgezogen und vorbild-
lich hingestellt; in der Mode und gar in der Sprache
so wenig auf sich selbst zu halten, sei auch ein Vor-
recht der Deutschen, wenn ein Deutscher möglichst
viele Wörter fremder Sprache und natürlich auch
meist ganz verkehrt angebrachte Fremdwörter in
Schrift und Wort gebrauche, dann komme er sich
höchst gebildet vor. Solche und ähnliche harte Wahr-
heiten kriegt man von ehrlichen Leuten manchmal
draußen zu hören; jetzt, wo wir uns in diesem trotz
allem einzelnen Unglück so herrlichen großen Kriege,
im Weltenkampf der Wahrheit gegen die Unwahr-
 
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