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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 14.1914/​1915

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Heft 24
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Redaktioneller Teil
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Rosenhagen, Hans: Die deutsche Kunst und ihre Feinde
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https://doi.org/10.11588/diglit.55564#0282

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Die Werkstatt der Kunst.

XIV, Heft 24.

27^
Redaktioneller Teil.
Vie äeullcke Runll uncl ikre feinäe*).
von Lsans Rosenhagen.

Oas ganze Dasein hat durch den Ausbruch des
Krieges eine ungeheure Spaltung erfahren. Zwischen
der gewaltigen Gegenwart und der friedlichen Ver-
gangenheit steht es wie eine undurchdringliche wand.
Man träumt vielleicht noch von dem, was einst war;
im Grunde aber ist man völlig gleichgültig dagegen
geworden/ Oie Ereignisse vor dem Kriege haben jedes
Interesse für die unter seinen Eindrücken Lebenden
verloren. Vieser Zustand ist nicht unbedenklich.
Man darf sich niemals so dem Augenblicke hingeben,
daß man Erfahrungen vergißt, daß man zu erwarten-
den Geschehnissen ohne Vorbereitung gegenübersteht.
Mit der allgemeinen Ansicht und Überzeugung, daß
vor dem Kriege auf vielen Gebieten unendliche
Hehler gemacht worden sind, ist nicht viel getan. Reue
kommt meist zu spät und ist völlig zwecklos, wenn ihr
nicht die Absicht zur Seite steht, künftig besser, klüger,
überlegter zu handeln. Kaum auf einem anderen
Gebiete ist in Deutschland so viel gesündigt worden,
als auf dem der Kunst, und nicht leicht gibt es ein
zweites, auf dem so viel gutzumachen wäre. Deshalb
dürfte es keineswegs überflüssig sein, die Situation,
wie sie sich vor dem Ausbruch des Krieges darstellte,
noch einmal zu beleuchten.
Merkwürdig, wie still und bescheiden neuerdings
die Propheten der neuen Kunst geworden sind!
Noch seltsamer, daß einige Maler, die sich bisher
auf ihre Internationalität etwas zugute taten und
jede Äußerung vaterländischer Gesinnung unbesehen
für geschmacklos erklärten, nun auf einmal in Patrio-
tismus machen, und zwar in der künstlerisch unzu-
länglichsten weise! Beginnt hier und dort die Er-
kenntnis durchzubrechen, daß es ein frevelhaftes
Spiel war, im wesentlichen nur die deutsche Kunst
gelten zu lassen, die zu der französischen in einem be-
denklichen Abhängigkeitsverhältnis stand? Oder zieht
man die einst so begeistert geschwungene Trikolore
nur aus Nützlichkeitsgründen ein, wie es die Kaufleute
mit ihren fremdsprachlichen Firmenschildern unter
dem Drucke der öffentlichen Meinung^ getan? Oie
Beantwortung dieser Fragen wird die Zukunft
bringen; aber es scheint immerhin geboten, jetzt
schon Fürsorge zu treffen, daß der frühere Zustand
nicht plöltzlich wiederkehrt, daß nicht noch einmal der
versuch gemacht wird, Deutschland in künstlerischer
Beziehung zu einem Vasallenstaat Frankreichs herab-
zuwürdigen.
Es ist lächerlich zu denken, daß das Unternehmen
fast geglückt wäre, einem Volke, das so mächtige Er-
scheinungen wie Dürer, Grünwald, Holbein, Menzel,
Leibl, Uhde und Trübner hervorgebracht hat, die
Meinung aufzudrängen, seine Kunst stände an Be-

*) Mit Erlaubnis des Verfassers abgedruckt aus der
Monatsschrift „Der Panther'/

deutung tief unter der französischen. Aber welche
Mittel wurden auch aufgewendet, um die Überlegen-
heit der französischen Kunst ins richtige Licht zu
setzen, wie viele wohl nicht immer ganz uneigen-
nützige Helfer fanden sich, und mit welchem hoch-
druckwurde gearbeitet, um den ahnungslosen deutschen
Michel nach allen Richtungen zu betören und in
seiner Selbstachtung herunterzubringen! Vie Sache
fing ganz unschuldig an. Vas deutsche Publikum
hatte von der nach dem Kriege von 1870/71 groß
gewordenen Kunst Frankreichs nur eine recht dürftige
Kenntnis. Darum war es eigentlich sehr hübsch
von den Kunsthändlern und Sezessionen, daß sie
diesen Bildungsmangel durch Vorführung von Schöp-
fungen namhafter französischer Meister zu beseitigen
suchten. Jedoch aus dem unterhaltsamen Inter-
mezzo wurde sehr bald eine ständige Einrichtung. Der
französische Kunsthandel und seine deutschen Ver-
treter begriffen schnell deren großen Vorteil. Es war
nur nötig, das bilderkaufende deutsche Publikum
bei seiner Eitelkeit und seiner Neigung, alles Fremd-
ländische für höherstehend und besser zu halten als
das inländische Erzeugnis, zu packen, um nach der
geschäftlichen Seite die größten Erfolge zu erringen.
Schriftsteller und einflußreiche Künstler wurden in
den Dienst des aussichtsreichen Unternehmens ge-
stellt. Zunächst galt es, die Überlegenheit der fran-
zösischen Kunst über die deutsche zu beweisen. Oas
war eigentlich ungeheuer einfach; denn der Begriff
„Malerei" wurde kurzerhand nach den Merkmalen
formuliert, die man an französischen Bildern wahr-
nahm. Da die deutschen Maler meist nicht in dem
Sinne von der Farbe ausgingen, wie die Franzosen,
lieferten sie eben keine Malerei, sondern Berichte,
Erzählungen und verwechselten Poesie und Malerei.
Die Absägung Böcklins vom Stamme der Kunst durch
die Anwendung dieser Methode ist noch in aller Ge-
dächtnis. Bald gab es nur noch ein paar deutsche
Maler, denen gnädig bezeugt wurde, daß ihre Bilder
zwar nicht dem französischen Geschmack etwas zu
sagen hätten, jedoch als künstlerische Leistungen zu
beachten seien. Daß das deutsche Publikum von
einem Bilde noch andere, tiefer liegende Eigenschaften
fordert, kam bei diesen Entscheidungen gar nicht in
Betracht. N)o gab es überhaupt bessere Malerei als
bei den Franzosen? Wer gute Malwerke erwerben
wollte, konnte also nichts vernünftigeres tun, als
französische Bilder kaufen. Oie Preise dafür stiegen
von Jahr zu Jahr höher, und wenn von deutscher
Seite auf die Übervorteilung der deutschen Sammler
durch den Kunsthandel aufmerksam gemacht wurde,
vermochte dieser stets die gegen ihn erhobenen Be-
schuldigungen dadurch zu entkräften, daß er auf dre
Preise hinwres, die für Bilder der von deutschen
Sammlern bevorzugten französischen Meister auf
 
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