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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 14.1914/​1915

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Heft 24
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Rosenhagen, Hans: Die deutsche Kunst und ihre Feinde
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https://doi.org/10.11588/diglit.55564#0283

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XIV, Heft 2§.

Die Werkstatt der Kunst.

275

pariser Auktionen erzielt wurden. Über die Methode,
die der Pariser Händlerring anwendete, um diese
hohen Notierungen auf der Vilderbörse zustande zu
bringen, wurde freilich nichts gesagt. Man hätte sich
ja ins eigene Zleisch geschnitten. Und immer fanden
sich freundliche Leute, die aus ihrer Kenntnis des
pariser Kunsthandels heraus dessen deutschen Ver-
tretern bescheinigten, daß sie durchaus nicht höhere
Preise stellten, als von pariser Amateuren gezahlt
würden. Oie kräftigste Unterstützung aber fand der
französisch-deutsche Händlerring in der Reklame, die
von Kunstschriftstellern und Kunstgelehrten für die
von ihm in Kurs gebrachten Meister gemacht wurde.
Es ist bezeichnend, daß die besten Aufsätze und Bücher
über die Impressionisten, über die jüngste französische
Malerei, über Oaumier, Goga und Greco von Deut-
schen geschrieben wurden, daß das deutsche kunst-
freundliche Publikum heute ungleich besser über
Leben und Leistungen von Manet, Lezanne, Rodin,
Gauguin, van Gogh, Matisse und anderer fremd-
ländischer Künstler unterrichtet ist, als über Leben
und Taten der vorzüglichsten deutschen Meister. Sicher-
lich sind, auch gegenwärtig noch, selbst französische
Maler fünften und sechsten Ranges in Deutschland
bekannter als in ihrer Heimat. Oer Eifer, mit dem
das deutsche Publikum in dieser Richtung „gebildet"
wurde, erscheint ebenso verdächtig wie lächerlich.
Er entsprang jedoch nicht, wie vielfach angenommen
ward, geschäftlichen Interessen, sondern dem snobisti-
schen Ehrgeiz gewisser kunsthistorischer Gründlinge,
einstens Entdeckerlorbeeren zu ernten, und bezeugte
nur eines: nämlich die Unfähigkeit dieser armseligen
Bannerträger, wertlose Kunst von echter Kunst zu
unterscheiden.
Außer den schreibenden Snobs aber trieben ge-
wisse deutsche Galeriedirektoren die Hajen in die
Küchen des pariser Kunsthandels. Daß die ganz
großen staatlichen Sammlungen gegen Ende des
19. Jahrhunderts darangingen, Bilder der kunst-
geschichtlich bedeutsam gewordenen französischenMaler
dieses Jahrhunderts zu kaufen, war an sich nicht un-
vernünftig. Betrachteten sie es als ihre Aufgabe, den
Besuchern die Entwicklung der Malerei im letzten
Jahrhundert zu zeigen, jo gehörten Merke der hervor-
ragendsten französischen Meister gewiß in diese
Sammlungen. Und am Ende läßt sich auch nicht
tadeln, daß man die Sache damit begann, Bilder der
Impressionisten zu kaufen: denn wenn die französische
Malerei je Kunst aus eigenem hervorgebrachl hat,
so ist es der Impressionismus. Das vorgehen
Tschudis als Direktor der Berliner Nationalgalerie in
dieser Richtung hat nicht überall Anerkennung ge-
funden, weil er sich schließlich nicht zu beschränken
wußte und dadurch in den verdacht geriet, unter
dem Einflüsse der pariser Händlerclique zu stehen,
zumal diese seinen Namen rücksichtslos als Reklame-
schild benutzte und selbst aus den Angriffen auf ihn
Kapital schlug. Natürlich kam diese Reklame in ge-
wisser Beziehung auch Tschudi zugute. Er wurde als

der am weitesten forgeschrittene Galeriedirektor des
Jahrhunderts gepriesen und als Märtgrer moderner
Kunstgesinnungen gefeiert. Das Üble war nur, daß
der Ruhm, der sich um Tschudi als Galerieleiter ver-
breitete, den Neid der Direktoren mancher kleineren
Museen erregte und sie verlockte, es ihm gleichzutun.
Statt eines fortschrittlich gesinnten Galeriedirektors
gab es sehr bald deren zwanzig, und damit stiegen
die Chancen des pariser Kunsthandels und seiner
deutschen Vertreter in ungeahnter Weise, hier be-
ginnt nun eins der lächerlichsten und zugleich traurig-
sten Kapitel deutschen Unverstandes. Oie meisten
Museen, deren Direktor jetzt die Verpflichtung fühlten,
kleine Tschudis zu werden, sind städtisch und beinahe
alle erst kürzlich gegründet, haben letzten Endes
nur lokale Bedeutung und verhältnismäßig ziemlich
mäßige Mittel, um ihre Bestände zu ergänzen und
zu vermehren. Daß diese Museen nicht mit denen
von Berlin, München, Hamburg, Stuttgart, Dresden
oder Frankfurt konkurrieren können, ist klar,- aber auch
sie vermögen eine wichtige Kulturaufgabe zu er-
füllen, indem sie sich auf das Naheliegende be-
schränken, also ihren Besuchern ein Bild von der
Kunst der engeren Heimat vor die Augen stellen oder
versuchen, ihnen in einem mehr oder minder großen
Ausschnitt eine Vorstellung von der Kraft und Schön-
heit der deutschen Kunst zu geben. Mit der Durch-
führung dieses Programms aber können sich junge
Museumsdirektoren kaum schnellen Ruhm erwerben,
höchstens den Beifall und die Liebe ihrer Mitbürger,
und das ist für Leute von Ehrgeiz zu wenig. Das
Rezept Tschudi verhieß andere Vorteile: Internatio-
nales Ansehen und Lobesfanfaren in den großen
Zeitungen. Also suchten jene meist eben erst zu Amt
und Würden gelangten Direktoren solcher städtischen
oder Provinzialmuseen Anschluß an den tonan-
gebenden Kunsthandel. In Berlin holten sie sich
Empfehlungsschreiben an die großen pariser Händler
und antichambrierten mit stolzgeschwellter Brust bei
Durand-Ruel, bei vollard, Bernheim jeune und ähn-
lichen Matadoren der internationalen Bilderbörse,
und je weniger sie von deutscher Kunst wußten und
verstanden, um so glühender begeisterten jie sich
für die gangbaren Marken jener Händler. In ihren
Sammlungen daheim gab es noch keinen Menzel,
keinen Uhde, Leibl, Trübner, Thoma. Nun die waren
ja auch weniger nötig als Manet, Oaumier, Eözanne,
van Gogh, Matisse und Monet. Also zugegriffen, und
wenn die vorhandenen Mittel auch nur die Erwer-
bung eines pariser Ladenhüters oder einer minder-
wertigen Arbeit dieser unvergleichlichen und erhabenen
Meister gestatteten! Vie Quittung für solche heroische
Handlungsweise, für diesen Beweis feinsten Kunst-
verständnisses erhielten die Museumsdirektoren meist
umgehend in der presse. Darin war der deutsch-
französische Händlerring sehr zuverlässig. Wer seinen
Direktiven folgte, erhielt ohne Umstände das Patent
als „genialer Galerieleiter", und wenn er im übrigen
noch so unerfahren war. Und dankbar, wie junge,
 
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