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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 14.1914/​1915

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Heft 35
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Nichtamtlicher Teil
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Volbehr, Theodor: Albrecht Dürer und die Gegenwart
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Die Große Berliner Kunstausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.55564#0427

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XIV, Heft 35.Die Werkstatt der Kunst.^9

an Tieren und Architekturen, an Physiognomien
und pflanzenwert, an Prunkgerät und Waffen.
Und doch: hinter dem Äußeren der Dinge steckt eine
märchenhafte Tiefe. Es ist, als schlügen selbst die
Pflanzen die Augen auf und ließen den Beschauer
in die Wunder ihres Inneren hineinblicken und die
Menschen scheinen ihre letzten Geheimnisse preiszu-
geben. Und andächtig schreitet man durch diese
ganze weite Welt.
wölfflin ist kein Plauderer, von Gedanken be-
schwert sind seine Sätze. Ls mag sogar sein,
daß mancher Leser, der mit warmem Herzen nach
diesem Bande der vürerschen Handzeichnungen
greift, um in Dürers Kunst einzudringen, zunächst
das Gefühl hat, es wehe ihm eine kühle Luft aus
den sicheren Worten des Vermittlers entgegen.
Aber bald wird er inne werden, daß die Luft nicht
durchkältet, sondern daß sie nur von einer würzigen
Frische ist, die leichter und tiefer atmen läßt.
Und wenn er jeden Gedanken, den wölfflin
ausspricht, selbständig nachgeprüft hat, dann wird
er merken, daß seine Augen klarer und schärfer
werden und dadurch sein Genießen Dürers tiefer.
In einer kurzen Einleitung spricht heinr. wölff-
lin von der Bedeutung Dürers als Zeichner, wie
er die Kunst der Liniensprache zur vollen höhe
entwickelt habe, um nun in diesen Rhythmen von
der Wirklichkeit, von aller Natur ringsum, auf seine
besondere weise zu singen und zu sagen.
Zur Ergänzung dienen ein paar Worte über
die Materialien, deren sich Dürer zum Zeichnen
bedient, und die Art, wie er sich ihrer bedient.
Die Zeder sei ihm das liebste Instrument zum
Zeichnen gewesen. Und aus der Zederzeichnung
sei dann auch die Eigenart seiner Holzschnitt-Tech-
nik zu verstehen.
Und dann, nachdem so für das Technische ge-
schickt und knapp das Interesse geweckt ist, nimmt
Wölfflin den Leser an der Hand und führt ihn in
gelassener Ruhe von Zeichnung zu Zeichnung. Er
macht nicht viel Worte: Auf 15 Seiten steht alles,
was er an dieser Stelle zu den 78 Zeichnungen
sagen will. Aber jedes Blatt wird in die richtige
Beleuchtung gebracht und der Wunsch wird geweckt,
nach dem ersten Durchwandern nun allein vor jedes
einzelne der Werke zu treten und es eingehender
zu betrachten.
Und das ist das wertvollste an dieser Art der

Führung: man glaubt nicht, fertig zu sein, wenn
man am Schlüsse angekommen ist, sondern man
fühlt, daß man nun erst gerüstet ist zum rechten
Beginnen. Denn jetzt erst strömt einem der ganze
Reichtum der künstlerischen Kraft Dürers bei jedem
neuen hineinblicken in seine Kunst entgegen. Und
nun sieht man auch durch all die vollendete Form
und Technik des Meisters hinein in den grüblerischen
Ernst seines Wesens,- und das seltsame Iugend-
Selbstporträt, das er einst auf der Wanderschaft
am Gberrhein im Beginn des letzten Jahrzehntes
vom 15. Jahrhundert geschaffen und dessen forschende,
den Grund der Dinge aufspürende Augen einen
nicht wieder loslassen, wird einem zu viel mehr
als zu einer interessanten Skizze jungen Künstlertums.
wer solche Augen hatte und dann noch die
Kraft des künstlerischen Gestaltens, der mußte für
Oberfläche und Tiefen das erfassende Organ haben,
der mußte über das Zufällige Hinwegblicken und
das wesentliche aus jeglicher Verborgenheit herauf-
holen und dennoch die unerschöpfliche Verschieden-
artigkeit alles Lebendigen genießen und für das
Nachgenießen anderer gestalten können.
Solcher Künstlernatur aber drängen sich alle
Kräfte und alle Sehnsüchte der Deutschen von heute
entgegen. Denn in ihr lebt die Kraft, die Hell-
äugigkeit, der Ernst, die wir Deutschen in diesem
Kriegsjahr gezeigt haben und die wir brauchen, um
zu unseren höchsten Zielen zu gelangen.
vielleicht dürfen wir dem vorstehenden Aufsatz
volbehrs folgende Stelle aus dem Briefe eines
Münchner Malers über „Dürer und der Krieg"
anfügen, die in „Kunst und Künstler" abge-
druckt ist.
„Ich habe eben — von einem Freund geliehen — die
Apokalypse von Dürer in Originalen im Hause, die be-
haupten sich am besten gegen den Krieg. Diese Disziplin!
Es ist fabelhaft, wie jeder Strich im Organismus eines
solchen Blattes Bedeutung hat. Das sind ideale Soldaten.
Jeder steht und lebt für sich, und doch dienen sie alle
einem besonderen Willen und werden erst in der Ver-
einigung wirksam. Jeder Strich von ihm macht das Natür-
liche heldenhaft,- wie lange haben wir nicht mehr an
Helden geglaubt! vielleicht lehrt uns der Krieg, dieses
heldenhafte zu sehen und darzustellen, das wäre eine
wundervolle Lehre, gerade entgegengesetzt der französischen,
die das heldenhafte im Drum und Dran, in der Bewegung
und im Schmuck sieht. Lözanne ist eine Ausnahme, seine
Zarbe ist besser organisiert als die französischen Soldaten;
ein Glück, daß wir nicht gegen Lözannes kämpfen
müssen ..." Schristltg.

Vie GroKe verNner RunslaussleUung.

Am 22. Mai wurde die Große Berliner
Kunstausstellung in den Räumen der Königlichen
Akademie der Künste am pariser Platz eröffnet.
Sie erscheint in diesem Jahre in zwei Abteilungen
um trotz geringem Raume doch einer größeren
Anzahl Künstler die Möglichkeit zu gewähren, mit
ihren Werken vor das Publikum zu treten.
Mit Sorgfalt scheint darauf hingearbeitet zu sein,

daß sich keiner der für die zweite Abteilung allein
aufgesparten Künstler zurückgesetzt fühlen kann. Die
Namen der für II. Vorgesehenen versprechen eine
mindestens ebenso interessante Schau wie die erste
ist, und die Tatsache, daß die Abbildungen aus II. im
Katalog schon vorweggegeben werden, ist ein lobens-
werter Schachzug.
Das darf gesagt werden: das Gesamtbild ist vor-
 
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