Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 14.1914/1915
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https://doi.org/10.11588/diglit.55564#0358
DOI Heft:
Heft 30
DOI Artikel:Nichtamtlicher Teil
DOI Artikel:Schlaikjer, Erich: Kientopp und Kriegsgreuel: ein belauschtes Gespräch
DOI Artikel:Ganske, Willy: Franz v. Defregger: zu seinem 80. Geburtstag (geb. 30. April 1835)
DOI Artikel:Ganske, Willy: Hans Olde: zu seinem Geburtstag
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.55564#0358
350
Die Werkstatt der Runst.
XIV, Heft 30.
„Menschenkind", zitterte der andere vor Erregung.
Und dann las er ihm die Zeitungsausschnitte vor.
Es waren zwei Bruchstücke aus Feldpostbriefen.
Zn beiden sprachen die Soldaten von den Greueln des
modernen Nriegs und fügten (jeder in etwas anderer
Form) hinzu: „Nientopp ist gar nichts dagegen.
Bei den zuletzt genannten Worten hob der hungrige
jedesmal mahnend den Finger empor.
Oer kugelrunde aber bemerkte lakonisch: „Na,
wenn schon."
„Na wenn schon", äffte der andere. „Siehst du
denn nicht, daß wir das ausnützen können?"
„Nein", kam es mit einer Ehrlichkeit zurück, die in
diesem Fall geradezu versöhnlich stimmte.
„Merkst du denn wirklich nichts?"
Oer Nunde merkte nichts.
„Also gib acht." Oer hungrige rückte näher heran,
um seine gedämpfte Vorlesung zu beginnen. „Sind
uns die Films mit den grauenhaften Vorgängen ver-
boten oder nicht?"
„Natürlich sind sie verboten."
„Brachten sie vor dem Nriege Geld oder nicht?"
„Na und ob."
„lvann kriegst du mehr Schreck. Wenn du eine
Sache schon oft gesehen hast, oder wenn du sie zum
ersten Male siehst?"
„Natürlich, wenn ich sie zum ersten Male sehe."
„Was haben wir also getan? Wir haben das
Publikum an die Nriegsgreuel gewöhnt und für den
Nrieg abgehärtet. Wir hätten noch viel weiter
gehen können, wie die Zeitungsausschnitte beweisen.
Wir haben noch lange nicht die Wirklichkeit erreicht."
„Meinst du wirklich —" der Nleine zweifelte.
„Was heißt meinen? Man kann's versuchen, von
allen Seiten sind wir wegen dieser Films gehetzt wor-
den. Was nützt es aber, das Publikum zu verzärteln?
Gibt es nicht sowohl im Frieden wie im Nrieg grauen-
volle Oinge genug? Warum brauchen wir diese Sachen
im Nino zu verschweigen? Oie Zeitungen verschweigen
sie ja auch nicht."
Wie das Gespräch weiterging, weiß ich nicht — ich
trat einen strategisch vollendeten Rückzug in die frische
Luft an. Oen Grundton aber hatte ich begriffen:
Wenn man die Nerven des Publikums durch grauen-
hafte Darbietungen zerstört; wenn man sie auf-
scheucht und in Angstgefühl hineinhetzt,- wenn man sie
schreckhaft und vor drohenden Natastrophen ängst-
lich macht — dann hat man sie in kunstgerechter Weise
für starke Belastungsproben gestählt.
Und dieser Grundton genügt mir.
Und uns auch! Uber manches daraus mag auch für
gegenwärtige und künftige Nriegsbilder zutreffen.
Schriftltg-
franz v. Defregger
zu seinem 80. Geburtstag (geb. 30. April l8Z5).
von G. Koldemanz.
Wohl kein anderer Maler hat in den achtziger Zähren
des vorigen Zahrhunderts eine gleiche Popularität beim
großen Publikum besessen wie Franz Defregger, der als
Tiroler Bauernmaler dazu beigetragen hat, daß man seine
Landsleute in der ganzen Welt kennt. Sind doch die zahl-
losen Reproduktionen seiner liebenswürdigen Genrebilder
damals auf ihrem Siegeszug um die Erde in die ver-
gessensten Weltwinkel gedrungen. Er hat manche neue
Kunstwelle an sich vorüberfluten sehen und ist doch immer
der gleiche geblieben — der alte Defregger, der am 30. April
sein 80. Lebensjahr vollendet. Er wurde als Sohn eines
wohlhabenden Bauern ^835 auf dem zur Gemeinde Dölsach
in Tirol gehörigen Lderhof zu Stronach geboren. Sein
Vater starb ;858, und der Sohn erbte den Hof, verkaufte
ihn aber bereits nach zwei Zähren, um nach Amerika
auszuwandern. Die geplante Weltfahrt fand aber in
Znnsbruck eine Unterbrechung; der Vierundzwanzigjährige
entschloß sich hier, das schon in früher Zugendzeit eifrig
geübte Zeichnen und Bildschnitzen zu erlernen. Sein
Lehrer, der Bildhauer Stolz, erkannte schnell, daß Defreggers
Talent zur Malerei das stärkere sei und stellte ihn Ende
t860 bei einer Reise nach München piloty vor. Der riet
ihm, ein Zahr lang im Atelier des Kunstgewerblers van
Dyck zu arbeiten, und dann wurde der junge Kunstbeflissene
Schüler der Klasse Anschütz auf der Münchener Akademie.
Nach einem pariser Aufenthalt von ^863 bis Zuni t86h
reiste Defregger von da nach Tirol, wo er bis zu seiner
Rückkehr nach München im Herbst I.86H eifrig Studien
machte. Nun erst fand er Platz im Atelier von piloty,
dem er mit Gabriel Max und Hans Makart zusammen
fünf Zahre angehörte. Seitdem hat der Künstler seinen
Wohnsitz in der Zsarstadt behalten, nur allsommerlich zog
es ihn in die Tiroler Berge. Zn seiner Heimat Dölsach
hatte er sich auf einer hohen Bergspitze ein Häuschen ge-
baut, und als ihn dort die zudringlichen Touristen und
Malerinnen vertrieben, baute er sich ein Landhaus bei
Bozen. Zm Hochsommer zieht er aber mit seinen Söhnen
in seine weltentlegene Zagdhütte bei Franzensfeste. ^867
entstand sein erstes Bild, der „verwundete Zäger". Ls
hängt heute in der Stuttgarter Galerie und erregte mit
der ;8sy gemalten „Szene aus Speckbachers Leben" (jetzt
in Innsbruck) auf den Ausstellungen in Wien (t8Sy) und
München (l870) viel Aufsehen. Zn der Folge bildete der
Künstler die Schilderung des Tiroler Volkslebens zu einem
eigenen Genre, der „Bauernmalerei" aus. Nebenher hat
er Tiroler heroische Historienbilder gemalt, von t87t ab
entstanden dann die Bilder „Die Brüder", der „Ball auf
der Alm" und das „Preispferd". Zn der Berliner Natio-
nalgalerie hängt die t860 gemalte „Almlandschaft", die
tyos auf der deutschen Zahrhundertausftellung auftauchte.
t860/6t entstanden in Innsbruck kleine silhouettenhaft an-
gelegte Aquarelle, die Dölsacher Musikanten und Wirts-
hausszenen. Zn der Berliner Nationalgalerie ist der
Künstler noch mit dem berühmten „Salontiroler" und dem
„Heimkehrenden Tiroler Landsturm im Kriege" von t9O8
vertreten. Aus den Tiroler Befreiungskämpfen von t80y
hat er mehrfach vorwürfe zu Historienbildern entnommen,
und für die Kirche zu Stronach malte er eine heilige
Familie im Stil der venezianischen Altarbilder. Seine
genrehaften Szenen findet man in vielen Galerien und
prioatsammlungen.
tzans Oläe
zu seinem so. Geburtstag.
Von G. K.
Der frühere langjährige Leiter der Kunstschule in
Weimar, Hans Wilhelm Vlde, der seit einigen Zähren als
Nachfolger von Louis Kolitz Direktor der Königlichen Kunst-
akademie in Kassel ist, vollendet am 27. April sein so.
Lebensjahr. Glde, im Zahre 1855 zu Süderau in Schles-
wig-Holstein geboren, ist gleich geschätzt als Bildnis- wie
als Landschaftsmaler, als Maler wie als Graphiker. t879
kam er auf die Münchener Akademie und später in die
Malschule von Professor Loefftz. t88S zog es ihn nach
Die Werkstatt der Runst.
XIV, Heft 30.
„Menschenkind", zitterte der andere vor Erregung.
Und dann las er ihm die Zeitungsausschnitte vor.
Es waren zwei Bruchstücke aus Feldpostbriefen.
Zn beiden sprachen die Soldaten von den Greueln des
modernen Nriegs und fügten (jeder in etwas anderer
Form) hinzu: „Nientopp ist gar nichts dagegen.
Bei den zuletzt genannten Worten hob der hungrige
jedesmal mahnend den Finger empor.
Oer kugelrunde aber bemerkte lakonisch: „Na,
wenn schon."
„Na wenn schon", äffte der andere. „Siehst du
denn nicht, daß wir das ausnützen können?"
„Nein", kam es mit einer Ehrlichkeit zurück, die in
diesem Fall geradezu versöhnlich stimmte.
„Merkst du denn wirklich nichts?"
Oer Nunde merkte nichts.
„Also gib acht." Oer hungrige rückte näher heran,
um seine gedämpfte Vorlesung zu beginnen. „Sind
uns die Films mit den grauenhaften Vorgängen ver-
boten oder nicht?"
„Natürlich sind sie verboten."
„Brachten sie vor dem Nriege Geld oder nicht?"
„Na und ob."
„lvann kriegst du mehr Schreck. Wenn du eine
Sache schon oft gesehen hast, oder wenn du sie zum
ersten Male siehst?"
„Natürlich, wenn ich sie zum ersten Male sehe."
„Was haben wir also getan? Wir haben das
Publikum an die Nriegsgreuel gewöhnt und für den
Nrieg abgehärtet. Wir hätten noch viel weiter
gehen können, wie die Zeitungsausschnitte beweisen.
Wir haben noch lange nicht die Wirklichkeit erreicht."
„Meinst du wirklich —" der Nleine zweifelte.
„Was heißt meinen? Man kann's versuchen, von
allen Seiten sind wir wegen dieser Films gehetzt wor-
den. Was nützt es aber, das Publikum zu verzärteln?
Gibt es nicht sowohl im Frieden wie im Nrieg grauen-
volle Oinge genug? Warum brauchen wir diese Sachen
im Nino zu verschweigen? Oie Zeitungen verschweigen
sie ja auch nicht."
Wie das Gespräch weiterging, weiß ich nicht — ich
trat einen strategisch vollendeten Rückzug in die frische
Luft an. Oen Grundton aber hatte ich begriffen:
Wenn man die Nerven des Publikums durch grauen-
hafte Darbietungen zerstört; wenn man sie auf-
scheucht und in Angstgefühl hineinhetzt,- wenn man sie
schreckhaft und vor drohenden Natastrophen ängst-
lich macht — dann hat man sie in kunstgerechter Weise
für starke Belastungsproben gestählt.
Und dieser Grundton genügt mir.
Und uns auch! Uber manches daraus mag auch für
gegenwärtige und künftige Nriegsbilder zutreffen.
Schriftltg-
franz v. Defregger
zu seinem 80. Geburtstag (geb. 30. April l8Z5).
von G. Koldemanz.
Wohl kein anderer Maler hat in den achtziger Zähren
des vorigen Zahrhunderts eine gleiche Popularität beim
großen Publikum besessen wie Franz Defregger, der als
Tiroler Bauernmaler dazu beigetragen hat, daß man seine
Landsleute in der ganzen Welt kennt. Sind doch die zahl-
losen Reproduktionen seiner liebenswürdigen Genrebilder
damals auf ihrem Siegeszug um die Erde in die ver-
gessensten Weltwinkel gedrungen. Er hat manche neue
Kunstwelle an sich vorüberfluten sehen und ist doch immer
der gleiche geblieben — der alte Defregger, der am 30. April
sein 80. Lebensjahr vollendet. Er wurde als Sohn eines
wohlhabenden Bauern ^835 auf dem zur Gemeinde Dölsach
in Tirol gehörigen Lderhof zu Stronach geboren. Sein
Vater starb ;858, und der Sohn erbte den Hof, verkaufte
ihn aber bereits nach zwei Zähren, um nach Amerika
auszuwandern. Die geplante Weltfahrt fand aber in
Znnsbruck eine Unterbrechung; der Vierundzwanzigjährige
entschloß sich hier, das schon in früher Zugendzeit eifrig
geübte Zeichnen und Bildschnitzen zu erlernen. Sein
Lehrer, der Bildhauer Stolz, erkannte schnell, daß Defreggers
Talent zur Malerei das stärkere sei und stellte ihn Ende
t860 bei einer Reise nach München piloty vor. Der riet
ihm, ein Zahr lang im Atelier des Kunstgewerblers van
Dyck zu arbeiten, und dann wurde der junge Kunstbeflissene
Schüler der Klasse Anschütz auf der Münchener Akademie.
Nach einem pariser Aufenthalt von ^863 bis Zuni t86h
reiste Defregger von da nach Tirol, wo er bis zu seiner
Rückkehr nach München im Herbst I.86H eifrig Studien
machte. Nun erst fand er Platz im Atelier von piloty,
dem er mit Gabriel Max und Hans Makart zusammen
fünf Zahre angehörte. Seitdem hat der Künstler seinen
Wohnsitz in der Zsarstadt behalten, nur allsommerlich zog
es ihn in die Tiroler Berge. Zn seiner Heimat Dölsach
hatte er sich auf einer hohen Bergspitze ein Häuschen ge-
baut, und als ihn dort die zudringlichen Touristen und
Malerinnen vertrieben, baute er sich ein Landhaus bei
Bozen. Zm Hochsommer zieht er aber mit seinen Söhnen
in seine weltentlegene Zagdhütte bei Franzensfeste. ^867
entstand sein erstes Bild, der „verwundete Zäger". Ls
hängt heute in der Stuttgarter Galerie und erregte mit
der ;8sy gemalten „Szene aus Speckbachers Leben" (jetzt
in Innsbruck) auf den Ausstellungen in Wien (t8Sy) und
München (l870) viel Aufsehen. Zn der Folge bildete der
Künstler die Schilderung des Tiroler Volkslebens zu einem
eigenen Genre, der „Bauernmalerei" aus. Nebenher hat
er Tiroler heroische Historienbilder gemalt, von t87t ab
entstanden dann die Bilder „Die Brüder", der „Ball auf
der Alm" und das „Preispferd". Zn der Berliner Natio-
nalgalerie hängt die t860 gemalte „Almlandschaft", die
tyos auf der deutschen Zahrhundertausftellung auftauchte.
t860/6t entstanden in Innsbruck kleine silhouettenhaft an-
gelegte Aquarelle, die Dölsacher Musikanten und Wirts-
hausszenen. Zn der Berliner Nationalgalerie ist der
Künstler noch mit dem berühmten „Salontiroler" und dem
„Heimkehrenden Tiroler Landsturm im Kriege" von t9O8
vertreten. Aus den Tiroler Befreiungskämpfen von t80y
hat er mehrfach vorwürfe zu Historienbildern entnommen,
und für die Kirche zu Stronach malte er eine heilige
Familie im Stil der venezianischen Altarbilder. Seine
genrehaften Szenen findet man in vielen Galerien und
prioatsammlungen.
tzans Oläe
zu seinem so. Geburtstag.
Von G. K.
Der frühere langjährige Leiter der Kunstschule in
Weimar, Hans Wilhelm Vlde, der seit einigen Zähren als
Nachfolger von Louis Kolitz Direktor der Königlichen Kunst-
akademie in Kassel ist, vollendet am 27. April sein so.
Lebensjahr. Glde, im Zahre 1855 zu Süderau in Schles-
wig-Holstein geboren, ist gleich geschätzt als Bildnis- wie
als Landschaftsmaler, als Maler wie als Graphiker. t879
kam er auf die Münchener Akademie und später in die
Malschule von Professor Loefftz. t88S zog es ihn nach