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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 14.1914/​1915

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Heft 30
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Nichtamtlicher Teil
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Wiethüchter, Gustav: Ein Fetwa für den heiligen Frieden unter den deutschen Künstlern während des Kriegs
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Schlaikjer, Erich: Kientopp und Kriegsgreuel: ein belauschtes Gespräch
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https://doi.org/10.11588/diglit.55564#0357

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XIV, Heft 30.

Die Werkstatt der Kunst.

349

Ist es des deutschen Künstlers nicht unwürdig,
heut Anregungen zu schänden, die er
in friedlicher Zeit von Künstlern des Feindes
empfing,
die deutsche Meister der Kunst
zu großen Werken wegweisend anspornten;
die auch die schwachpulsenden Schulen der Kunst
und die Herzen der handwerkenden Kleinen
mit neuem Leben erfüllte?
Soll nicht der ehrliche Starke
die Stärke des Gegners ehren?
Antwort: Ia!
Ist es nicht.unritterlich, wenn,
entgegen dem Beispiel des Kaisers,
der während des Krieges Parteien nicht kennt,
Künstler und ihre Parteigänger, die zuhause blieben,
sich als berufene Wächter der Kunst und
als Seelsorger der deutschen Künstler aufspielen
und eine jetzt billige Hetze betreiben,
indem sie die Anschauung der jungen,
auf anderen wegen suchenden
oder anders denkenden Kollegen, die,
wenn sie sichirrn, dochhandelnim ehrlichen Glauben,
und nun, zum großen Teil fern,
für die Freiheit der Heimat sich opfern,
als „undeutsch" „unwahr" oder „seelisch" unwertig
und ihre Werke
als „Verirrungen" oder als „Dreck" bezeichnen?
Antwort: Ia!
Ist der heilige Kunstgral, den so feierlich
die „wahren" deutschen Hohenpriester bewachen
nicht ein Phantom,
ist es nicht zweifelhaft, ob ihre Ideal-Kunst
wirklich deutsch
und nicht verschieden im Innern und Äußern
von der Kunst der Deutschen des Grünewald,
auf die sie seit kurzer Zeit so laut sich berufen;
ist nicht seit langem die Rüstung dieser seelsorgenden
Wächter von oben bis unten mit Ornamenten
der italischen Künste geschmückt,
frei oder nicht frei nach dem Muster
der eeoltz äos bouux urts allerzeit zu Paris?
Antwort: Ia!
Ist es nicht schöner, wir Künstler begraben die
Streitaxt
und bieten dem schmähsüchtigen Ausland
kein schlechtes Beispiel zweiträchtiger Deutscher
und geben nicht Acht auf jeden schnellschreibenden
Hetzer und Schwätzer am Redaktions- und Atelier-
tisch,
sondern besinnen uns schweigsam
in stiller Kammer
auf die ureignen Güter des freien Deutschtums,
nach denen wir alle doch suchen,
indem jeder für sich
das vergangene erkennt im Gegenwärtigen

und das Zukünftige sucht im vergangenen.
Kann uns dies Suchen nicht einen?
Antwort: Ia!
Sind wir nicht pflichtig dem besten Teil unsers
Volkes,
daß wir die Rückkehr der Krieger erwarten,
die pinsel und Meißel dem Schwerte vertauscht,
die aus den Ländern der zahlreichen Feinde
den Frühling des Friedens uns bringen
und ordnen dann neu unfern Garten der Kunst?
Antwort: Ia!
kienlopp «nä llriegsgreuel.
(Ein belauschtes Gespräch.)
von Erich Schlaikjer.
Ich besuche das Laf6 aus zwei Gründen: es besitzt
einen vortrefflichen Kaffee und keine Musikkapelle.
Man kann hier tatsächlich ein Stündchen seinen eignen
Gedanken nachhängen. Und derartige Orte werden
in der modernen deutschen Großstadt so selten wie
Vasen in der wüste.
Ich machte also von der Freiheit, dem Rauch einer
Zigarre nachzuschauen und planlos allerhand zu träu-
men, ausgiebigen Gebrauch. Da wurde ich von
einem krächzenden Mißton gestört, von der Tür her
schob sich ein kleines dickes Männchen mit einer Heftig-
keit und Aufdringlichkeit in mein Gesichtsfeld, die man
unmöglich außer Acht lassen konnte. Sein Erscheinen
machte unleugbar Effekt; einen etwas rohen und ge-
waltsamen zwar, aber wie sich später ergab, hing das
mit seinem Beruf zusammen.
Der Mann war ein lebendiger Beweis für die
Wahrheit, daß eine unangenehme Erscheinung einen
ebenso starken künstlerischen Reiz ausüben kann wie
eine angenehme. Obwohl er mir in jeder Bewegung
widerwärtig war, mutzte ich zu ihm hinüberblicken.
Dann erschien neben ihm am Tisch ein Freund, und
nun wurde er mit einemmal eine verhältnismäßig
sympathische Erscheinung. Es ging geradezu ein be-
ruhigender Eindruck von ihm aus. Oer Freund, der in
einer Minute sein Überzeug abgelegt hatte und vor
Eifer zitternd neben ihm satz, war leicht in Worte zu
fassen. Er sah den Kellner kaum an, als er seinen
Kaffee bestellte. Vas Gesicht mit der stark vorspringen-
den Nase und dem schwarzen Knebelbart hatte etwas
von einem Habicht. Vie Hände zitterten vor nervöser
Erregung, als er eine Brieftasche hervorholte, und
durch die Gläser des goldenen Kneifers funkelten zwei
gierige Augen. Er war der hungrige Geldmacher
im Gegensatz zu dem feisten und phlegmatischen andern
Der Kugelrunde richtete sich interessiert auf. Er
spürte, datz irgend etwas in der Luft liegen mutzte.
Sein hungriger Freund holte zwei Zeitungsaus-
schnitte aus der Brieftasche und legte sie vor ihn hin.
Der Runde las, aber man sah ihm an, datz er nichts
Aufregendes bemerken konnte.
 
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