Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 14.1914/1915
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https://doi.org/10.11588/diglit.55564#0190
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Heft 16
DOI article:Amtlicher Teil
DOI article:Redaktioneller Teil
DOI article:Matthaei, Adelbert: Der Krieg von 1914 und die bildende Kunst in Deutschland, [2]
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Bis Werkstatt der Kunst.
XIV, Heft s6.
Deutsche Künstler im Selbe
Liste 73.
deutschen Künstlern sind uns weiter folgende namhaft ge-
worden:
Von den im Felde stehenden
macht
Kamp man N Z Prof. Gustav, der in Grätzingen bei
Durlach wirkende badische Landschafter ist als Dber-
leutnant der Landwehr a. D. beim Karlsruher Be-
kleidungsamte eingetreten.
Dre ans, Rob., Lehrer der Kgl. Kunstgewerbes, Gaffel,
Zugführer der freiwilligen Krankenpsiege im Hilfs-
lazerett Nr. 20, Armeegruppe woyrfch.
Schaffran, Prof. Lmerich, Maler, Wien, Leutnant,
derzeit Kompagniechef beim K. u. K. Infanterie
Regiment Nr. 76.
Spethmann, Heinrich, Bildhauer, Hamburg.
Wichgraf, F., Maler, Berlin, führt einen Lazarettzug.
Folgende Künstler haben Sohne «sw.
iin Felde.
Ebe, Geheimrat Gustav, Architekt, ein Sohn als kriegs-
freiwilliger Kraftradfahrer im Westen.
Kampmann, Prof. Gustav, ein Sohn als Kriegsfrei-
williger.
Dröans, Rob., ein Sohn, Kriegsfreiwilliger im Inf.-
Reg. Nr. 83, Ersatzbataillon, H. Kompagnie.
Dstermayer, Ernst L., Kriegsmaler im Westen, ins-
besondere beim Armeekorps (württemb.). Außer-
dem ein Sohn, Kriegsfreiwilliger im s. württemb.
Ulanen-Reg. Nr. t9-
Redaktioneller Teil.
Der Krieg von 1914 unä äie bilclenäe Kunst in veutleklanci.
von Adelbert Matthaei.
(Fortsetzung).
In engem Zusammenhang mit dieser Über-
schätzung der Technik, die schließlich zu einer Selbst-
auslösung führte, steht ein zweites, eine Unter -
schätzung des geistigen Gehalts der Malerei
und der Kunst überhaupt.
Zu den schwachen Seiten der künstlerischen Be-
strebungen der 70er Jahre, wie ich sie oben kurz
skizzierte, gehörte auch eine Überschätzung des In-
haltes der Malerei sowohl seitens der Künstler als
des Publikums.
Daß eine solche wirklich vorlag, darüber brauche
ich kaum ein Wort zu verlieren. Bei Bildern wie
pilotys „Thusnelda" war wirklich das, was das
Publikum bestach, im wesentlichen nur der dem Na-
tionalgefühl schmeichelnde Gedanke, daß die Gattin
Armins vor dem triumphierenden Imperator ihren
germanischen Stolz bewahrt. Die Form war schlecht,
sogar flüchtig. Ließ man den Inhalt weg, so blieb
fürs Auge sehr wenig. — Ebenso ging es mit zahl-
reichen anderen Bildern, die ich hier nicht auf-
zählen kann.
Demgegenüber wies man mit Recht darauf hin,
daß die Bedeutung des Inhalts allein ein Werk
der bildenden Kunst nicht ausmache, daß auch ein
Bild mit nichtssagendem Gegenstände, ein Stilleben,
durch Auffassung und Technik hohe künstlerische Be-
deutung haben könne.
Aber man ging weiter und schüttete auch hier
wieder das Kind mit dem Bade aus. Denn man
erklärte den geistigen Gehalt in der Tafelmalerei
erst für nebensächlich, dann für überflüssig, endlich
für schädlich. Beweise brauche ich nicht zu bringen.
Bekannt sind die Ausführungen führender Maler:
„Der Inhalt der Kunst, das ist ihre Technik" und
„je weniger Inhalt ein Gemälde hat, desto besser
ist es".
Diese verhängnisvolle Lehre hat geradezu ver-
heerend auf unsere Künstler gewirkt.
Die Kunstschriftstellerei setzte ein und machte
bald jedes Bild verdächtig, das inhaltlich etwas
sagte, das aus der Geschichte unseres Volkes schöpfte,
oder gar an unser patriotisches Empfinden und
überhaupt an das Gemüt appellierte. Der im
Kreise der Intellektuellen und Modernen besonders
hochgeschätzte Lichtwark hat in dieser Richtung ei-
nen großen Einfluß ausgeübt, er war der spiritu3
rector der Kunsterziehungstage und hat in zahl-
reichen Schriften für seine Art, Kunst aufzufassen,
gewirkt. In seinen „Übungen im Betrachten von
Kunstwerken" (Hamburg j89?, Hl) lagt er sei-
nen Jüngern: „Es gibt Bilder, die dem Beschauer
etwas erzählen. Diese sind auch bei dem Ungebil-
deten beliebt, und es gibt andere Bilder, die nur
für Künstler und Kunstfreunde schön sind." Das
ist ja nicht unrichtig und doch irreführend. Denn
aus der Gegenüberstellung soll man entnehmen, daß
Bilder, die etwas erzählen, für Kunstfreunde und
Künstler nicht schön sind. Der Pferdefuß kommt in
dem verächtlichen Wort „bei Ungebildeten beliebt"
zutage. Denn nun fürchteten sich viele, zu den Un-
gebildeten zu gehören, wenn sie ein Bild mit In-
halt schufen oder bewunderten. Die vor der Kritik
furchtsamen Maler mieden ängstlich solche Stoffe.
Das jahrelang fast ausschließliche Vorherrschen der
Landschaft in unserer Malerei hängt damit zusam-
men. Die Malerei wurde öde, leer, inhaltslos und
nichtssagend. . . .
Als man aber doch schließlich bei uns anfing,
Bis Werkstatt der Kunst.
XIV, Heft s6.
Deutsche Künstler im Selbe
Liste 73.
deutschen Künstlern sind uns weiter folgende namhaft ge-
worden:
Von den im Felde stehenden
macht
Kamp man N Z Prof. Gustav, der in Grätzingen bei
Durlach wirkende badische Landschafter ist als Dber-
leutnant der Landwehr a. D. beim Karlsruher Be-
kleidungsamte eingetreten.
Dre ans, Rob., Lehrer der Kgl. Kunstgewerbes, Gaffel,
Zugführer der freiwilligen Krankenpsiege im Hilfs-
lazerett Nr. 20, Armeegruppe woyrfch.
Schaffran, Prof. Lmerich, Maler, Wien, Leutnant,
derzeit Kompagniechef beim K. u. K. Infanterie
Regiment Nr. 76.
Spethmann, Heinrich, Bildhauer, Hamburg.
Wichgraf, F., Maler, Berlin, führt einen Lazarettzug.
Folgende Künstler haben Sohne «sw.
iin Felde.
Ebe, Geheimrat Gustav, Architekt, ein Sohn als kriegs-
freiwilliger Kraftradfahrer im Westen.
Kampmann, Prof. Gustav, ein Sohn als Kriegsfrei-
williger.
Dröans, Rob., ein Sohn, Kriegsfreiwilliger im Inf.-
Reg. Nr. 83, Ersatzbataillon, H. Kompagnie.
Dstermayer, Ernst L., Kriegsmaler im Westen, ins-
besondere beim Armeekorps (württemb.). Außer-
dem ein Sohn, Kriegsfreiwilliger im s. württemb.
Ulanen-Reg. Nr. t9-
Redaktioneller Teil.
Der Krieg von 1914 unä äie bilclenäe Kunst in veutleklanci.
von Adelbert Matthaei.
(Fortsetzung).
In engem Zusammenhang mit dieser Über-
schätzung der Technik, die schließlich zu einer Selbst-
auslösung führte, steht ein zweites, eine Unter -
schätzung des geistigen Gehalts der Malerei
und der Kunst überhaupt.
Zu den schwachen Seiten der künstlerischen Be-
strebungen der 70er Jahre, wie ich sie oben kurz
skizzierte, gehörte auch eine Überschätzung des In-
haltes der Malerei sowohl seitens der Künstler als
des Publikums.
Daß eine solche wirklich vorlag, darüber brauche
ich kaum ein Wort zu verlieren. Bei Bildern wie
pilotys „Thusnelda" war wirklich das, was das
Publikum bestach, im wesentlichen nur der dem Na-
tionalgefühl schmeichelnde Gedanke, daß die Gattin
Armins vor dem triumphierenden Imperator ihren
germanischen Stolz bewahrt. Die Form war schlecht,
sogar flüchtig. Ließ man den Inhalt weg, so blieb
fürs Auge sehr wenig. — Ebenso ging es mit zahl-
reichen anderen Bildern, die ich hier nicht auf-
zählen kann.
Demgegenüber wies man mit Recht darauf hin,
daß die Bedeutung des Inhalts allein ein Werk
der bildenden Kunst nicht ausmache, daß auch ein
Bild mit nichtssagendem Gegenstände, ein Stilleben,
durch Auffassung und Technik hohe künstlerische Be-
deutung haben könne.
Aber man ging weiter und schüttete auch hier
wieder das Kind mit dem Bade aus. Denn man
erklärte den geistigen Gehalt in der Tafelmalerei
erst für nebensächlich, dann für überflüssig, endlich
für schädlich. Beweise brauche ich nicht zu bringen.
Bekannt sind die Ausführungen führender Maler:
„Der Inhalt der Kunst, das ist ihre Technik" und
„je weniger Inhalt ein Gemälde hat, desto besser
ist es".
Diese verhängnisvolle Lehre hat geradezu ver-
heerend auf unsere Künstler gewirkt.
Die Kunstschriftstellerei setzte ein und machte
bald jedes Bild verdächtig, das inhaltlich etwas
sagte, das aus der Geschichte unseres Volkes schöpfte,
oder gar an unser patriotisches Empfinden und
überhaupt an das Gemüt appellierte. Der im
Kreise der Intellektuellen und Modernen besonders
hochgeschätzte Lichtwark hat in dieser Richtung ei-
nen großen Einfluß ausgeübt, er war der spiritu3
rector der Kunsterziehungstage und hat in zahl-
reichen Schriften für seine Art, Kunst aufzufassen,
gewirkt. In seinen „Übungen im Betrachten von
Kunstwerken" (Hamburg j89?, Hl) lagt er sei-
nen Jüngern: „Es gibt Bilder, die dem Beschauer
etwas erzählen. Diese sind auch bei dem Ungebil-
deten beliebt, und es gibt andere Bilder, die nur
für Künstler und Kunstfreunde schön sind." Das
ist ja nicht unrichtig und doch irreführend. Denn
aus der Gegenüberstellung soll man entnehmen, daß
Bilder, die etwas erzählen, für Kunstfreunde und
Künstler nicht schön sind. Der Pferdefuß kommt in
dem verächtlichen Wort „bei Ungebildeten beliebt"
zutage. Denn nun fürchteten sich viele, zu den Un-
gebildeten zu gehören, wenn sie ein Bild mit In-
halt schufen oder bewunderten. Die vor der Kritik
furchtsamen Maler mieden ängstlich solche Stoffe.
Das jahrelang fast ausschließliche Vorherrschen der
Landschaft in unserer Malerei hängt damit zusam-
men. Die Malerei wurde öde, leer, inhaltslos und
nichtssagend. . . .
Als man aber doch schließlich bei uns anfing,