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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 14.1914/​1915

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Heft 22
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https://doi.org/10.11588/diglit.55564#0259

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XIV,

Die Werkstatt der Kunst.

251

ReclaktioiieUrr
Leitungslcdau.

In den Hamburger Nachrichten lesen wir:
vom zerstörten Rünstlerhaus in Bremen.
Zu dem Brande, der, wie wir schon berichteten, das
Bremer Künstlerheim einäscherte, werden noch folgende
Einzelheiten bekannt:
Ivie häufig bei einem so schweren Unglück ein Glücks-
umstand mit zu verzeichnen ist, so auch hier. Die schönen
und reichen Schätze des historischen Museums befanden sich
erfreulicherweise wohlgeborgen in dem früheren Altenheim.
Hätten sie noch, wie vor zwei Jahren, das ganze Ober-
geschoß des Domanbaues gefüllt, so stände man heute
trauernd vor ihren verkohlten Resten.
Für die Frage der Entstehung des Brandes gibt es
zur Beantwortung einen festen Anhalt noch nicht. Am
Abend ist im großen Saale noch ein Lieder- und Vor-
tragsabend abgehalten worden, dann hat sich das Gebäude
geleert. Bewohnt war überhaupt nur das Untergeschoß
zu beiden Seiten des Haupteinganges, das vom Feuer ver-
schont geblieben ist. Schornsteinanlagen sollen dort, wo
man den Ausbruch des Feuers vermutet, nicht in Frage
kommen, und so ist das nächste, daß man von einem Kurz-
schluß der elektrischen Lichtleitungen spricht. Aber auch dafür
gibt es naturgemäß keinen Beweis, und so bleibt abzu-
warten, ob es der Untersuchung möglich sein wird, zu
einem Schluffe zu kommen. Eigentümerin des gesamten
Domanbaues, in dem sich die zerstörten Räume des Künstler-
vereins befanden, ist die Domgemeinde. Zu ihr steht der
Künstlerverein lediglich in einem Pachtverhältnis, und da-
nach ist auch die Versicherung des beiderseitigen Eigentums
geregelt. Lin Ueberblick über den Schaden hat ergeben,
daß dieser wohl 80 v. H. der Versicherungssumme betragen
wird. Beteiligt sind acht Versicherungsgesellschaften. Die
im Untergeschoß beim Haupteingang wohnenden Familien
des Dom-Rechnungsführers und des Oekonomen des Künster-
vereins haben schnellstens ihre Wohnungen wegen der
durchgedrungenen waffermassen räumen müssen. Der Ge-
samteindruck ist, daß mit diesem Brande dem ganzen Dom-
anbau seine letzte Stunde geschlagen hat. Der ^856 ge-
gründete Künstlerverein hat für seine Jugendjahre und
für sein späteres Gedeihen einen wesentlichen Halt an
seinen Räumen gehabt. Gerade in jener Zeit entdeckte
man wieder, daß das aus dem Ende des Mittelalters
stammende Refektorium des Domstifts noch vorhanden war;
die mit Kreuzgewölbe in drei Bogenreihen erbaute Halle
war jedoch von ihrem Zweck auf die Ivarenspeicherung
heruntergekommen. Eine stattliche Aula darüber war, wie
die Weser-Zeitung schreibt, noch vorhanden. In beiden
Stockwerken errichtete schon damals der Künstlerverein sein
Heim. Architekt Heinrich Müller unternahm nun einen
allmählichen Umbau, wobei jedoch die alte Halle und
(leider nur) ein Teil des Domumganges geschont wurden.
Schon t862 und schuf Bildhauer Diedrich Kropp
die beiden prächtigen Sandfiguren an der Fassade,
Petrus und Paulus, die zu seinen besten Werken ge-
hören. ^87^—76 unternahm der Künstlerverein unter
Müller den Umbau des großen Saales und der Fassade,
der nun abermals die Kroppschen Figuren eingefügt wur-
den. Ls war damals der Ausklang der Neugotik, eines
Baustils, in dem Heinrich Müller bis dahin noch vollständig
lebte und webte. In gleicher weise wurden nun auch die
Flügel zwischen dem Dom und dem Künstlerverein um den
Domeingang herum neu gebaut, in denen die vor- und
Nebensäle zum großen Konzertsaal liegen: der Kaisersaal,
der Bullesaal und der Konventsaal. Ein stattlicher Treppen-
bau mit dem Goethesaal wurde später gebaut. Die wände
und Decke des großen Konzertsaals schmückte auf Grund
einer Stiftung Franz Schüttes Arthur Fitger mit Ge-
mälden: auf die Hauptwand malte er einen Dionysoszug,

gegenüber eine Gruppe der schwebenden Musen, kleinere
Bilder in den Nebenfächern; über dem Vrchesterpodium,
wo durch ein Vermächtnis Gustav Teichmanns eine Orgel
erbaut war, hatte Fitger auf der einen Seite die heil.
Eäcilie an der Orgel, auf der anderen den musizierenden
Luther gemalt. Unter der Decke befanden sich von seiner
Hand Medaillons mit farbigen Brustbildern der
hervorragendsten Künstler und Dichter. Dies alles ist nun
ein Raub der Flammen geworden. In dem Bullesaal
zierten von Fitgers Hand noch eine ganze Reihe von far-
bigen Illustrationen zu Gvids Metamorphosen die wände;
was aus ihnen geworden ist, ist noch nicht zu sagen.

Der Rheinisch-Westfälischen Zeitung wird aus
Dresden geschrieben:
Georg Treus Rücktritt.
Lin Mann von internationalem Ruf, auf dessen Haupt
der Ehren viel gehäuft worden sind, tritt, wie unser
Dresdner Mitarbeiter von unterrichteter Seite erfährt, am
t. April ^5 von seinen Aemtern im Akademischen Rate
der Dresdner Akademie der bildenden Künste und als Di-
rektor der Dresdner Skulpturensammlung zurück: Geheim-
rat Prof. Or. Georg Treu. Er vollendete 2 Tage vorher
sein 72. Lebensjahr. Treu ist wie wenige andere deutsche
Gelehrte geehrt worden; er ist Mitglied des Kaiser!. Deut-
schen Archäologischen Instituts, des Archäologischen Insti-
tuts in Wien, der Kgl. Akademie für Archäologie in
Brüssel, korrespondierendes Mitglied des Instituts de France,
Ehrenmitglied der Kaiser!. Akademie der Künste in Peters-
burg und der Gesellschaft der Wissenschaften in Athen,
Ehrendoktor von Dresden und Aberdeen, und wenn auch
vermutlich sein Name in den Listen all der feindlichen
Institute gestrichen worden sein wird, so ist Georg Treu
damit doch nichts genommen worden, konnte ihm nichts
genommen werden. Treus großer Verdienst sind seine
Ausgrabungen in Olympia in den Jahren t877—8^ und
die wissenschaftliche Verarbeitung der Ergebnisse dieser sehr
ertragreichen Grabungen. Er veröffentlichte einen Band
Olympia-Forschungen, gab die Bildwerke von Olympia
heraus und stellte aus den Bruchstücken die beiden be-
rühmten Giebelgruppen des Zeustempels wieder her. Diese
Forschungen in erster Linie verschafften Treu, der ein ge-
borener Deutschbalte ist, den Ruf nach Dresden. Seit ^882
wirkte er an der Akademie der bildenden Künste und
leitete die Dresdner Skulpturensammlung, die er stark ge-
fördert hat. Er richtete vor allem sein Augenmerk darauf,
die vielen falschen Ergänzungen antiker Kunstwerke zu
beseitigen, dann schuf er die moderne Abteilung, die uns
mitten in das bildnerische Schaffen der Gegenwart hinein-
führt. Er neigte dabei immer etwas nach Frankreich hin,
was ihm mit Recht verdacht wurde, aber er richtete sein
Augenmerk doch in erster Linie auf die größten unter den
bildenden Künstlern des uns jetzt feindlichen Auslandes,
auf Rodin und Meunier und wußte dabei auch Klinger
und andere deutsche Künstler wohl zu schätzen. Im ganzen
hat er in Dresden viel Gutes gewirkt, wenn es auch
natürlich vollkommen verkehrt ist, zu behaupten, er habe
die moderne Kunststadt Dresden mit Seydlitz und Kühl
geschaffen: dazu war er als Gelehrter, der er doch in erster
Linie war, nicht in der Lage. Aber er hat gleichwohl die
Ehrungen wohl verdient, die ihm vor zwei Jahren an
seinem 70. Geburtstage zuteil wurden: die Technische Hoch-
schule in Dresden, an der er ebenfalls gewirkt hatte, ver-
lieh ihm die würde eines Or.-Ing. ehrenhalber, und Prinz
Johann Georg überreichte ihm vier seltene Münzen als
ein Zeichen der Dankbarkeit und Verehrung. Treu war
kein bequemer Herr, und so wird die Nachricht seines Rück-
trittes nicht überall mit gleichem Bedauern ausgenommen
werden.
 
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