Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 14.1914/1915
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Heft 48
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DOI Artikel:Arriens, Carl: Der Neger und seine Umgebung in der Kunst
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Die Werkstatt der Kunst.
XIV, Heft §8.
594
Mitteilungen cker Ullgemelnea veutlche»
»iunllgenoiienichstt.
Ovtsvevein Berlin -er A. D. A. G.
Die Kommission der Großen Berliner Kunstausstel-
lung 49^5, gewährt den Mitgliedern des Grtsvereins
Berlin der A. D. K. G. freien Eintritt für den Besuch der
Ausstellung unter der Bedingung, daß jedes Mitglied sich
eine Freikarte unter Vorzeigung seiner Mitgliedskarte im
Büro der Ausstellung selbst abholl.
Der Vorstand -es Grtsvereins Berlin -er A. D.A.G.
Otto Vllrnksr-t^suiudurß, s. Vorsitzender.
Ortsgruppe Aarlsrnhe I.
Am 24. d. M. begeht unser langjähriges treues Mit-
glied und um den Verein hochverdienter Schatzmeister,
Herr Georg Hesse, seinen 70. Geburtstag. Dazu bringen
wir ihm unsere herzlichen und aufrichtigen Glückwünsche
dar. Möge es ihm vergönnt sein, noch lange Jahre seiner
Kunst zu leben und sich der Anerkennung seines Schaffens
zu freuen.
Im Namen des Vereins:
-ie Vsrstan-skollegen.
McdtLmtttcker T-tt.
Oer Oeger unä leine Umgebung in äer Kunll.
von T. Arriens.
I.
Ein Maler, der längere Zeit in den Tropen unter
farbiger Bevölkerung gelebt hatte, beklagte sich dar-
über, daß man die sorgsam von ihm nach dem Leben
gezeichnete Stellung einer Figur als unnatürlich be-
zeichnet und daß selbst Künstler seine Behauptung
bezweifelt hätten, die körperlichen Bewegungen fremder
Rassen wichen von unfern oft beträchtlich ab.
Jedem Beschauer ist wohl schon die anscheinend
ganz unnatürliche Sitzstellung der indischen Buddha-
figuren aufgefallen, die darin besteht, daß die auf
dem Boden sitzende Figur die Rniee der gekreuzten
Schenkel fest auflegt. Jeder von uns, der diese
Stellung nachzumachen versucht, wird es als unmög-
lich einsehen, beide Rniee gleichzeitig an den Boden
zu bringen. Nach Prof. A. Krämer gilt bei vor-
nehmen Polynesiern auf Samoa und anderen Süd-
seeinseln diese Körperhaltung als Zeichen vornehmer
Mohlanständigkeit, die von Jugend auf geübt wird.
Irgendeine körperliche Vorbedingung muß aber wohl
doch vorhanden sein, denn ich beobachtete selbst des
öfteren die gleiche Körperhaltung im Inneren Afrikas
bei Leuten aus dem niederen Volk. Da sie bei
handwerklichen Verrichtungen so saßen, liegt kein
Grund vor anzunehmen, daß sie eine besondere Ko-
ketterie damit an den Tag legen wollten, diese Stel-
lung war für sie eben natürlich und bequem.
Eine andere Merkwürdigkeit bei den Negern be-
steht darin, daß sie wie ein Storch auf einem Bein
stehend ausruhen, und zwar so, daß der aufgehobene
Fuß gegen die innere Knieseite des Standbeins ge-
stemmt wird. In dieser für einen Europäer ziemlich
unmöglichen Stellung sieht man Leute öfters, und
zwar längere Zeit verharren. Eine weitere ana-
tomische Besonderheit legt der Neger an den Tag,
wenn er sich bückt, um etwas aufzuheben oder der-
gleichen. Menn der Europäer sich bückt, bildet sein
Rücken eine gleichmäßige Vogenlinie, beim Neger sind
die Lendenwirbel so biegsam, daß der Rücken sich
oberhalb des Kreuzes buckelartig herauswölbt. Er
kann infolgedessen mit größter Bequemlichkeit mit
durchgedrückten Knieen die Handflächen auf die Erde
legen. Ob diese Eigentümlichkeit bei allen Negern
gleichmäßig ist, weiß ich nicht, da ich natürlich nicht
jeden einzelnen darauf geprüft habe, ich möchte sie
aber für typisch halten, da ich sie bei beiden Ge-
schlechtern oft beobachtet habe. Daß der Neger keine
Maden habe, wird allgemein angenommen. Abgesehen
von einzelnen Sudanstämmen im Osten, für die das
gewiß zutrifft, ist die Annahme irrig, der richtige
typische Neger hat recht wohlgebildete und muskulöse
Maden. Bei vielen Negerstämmen sieht man mehr
oder weniger ausgebildeten Plattfuß, während andere
Stämme, wie die Fulbe, besonders hohle und zier-
liche kleine Füße aufweisen, vielleicht rührt das
vom generationenlangen Tragen schwerer Lasten her,
die Fulbe aber sind ein Reitervolk.
Auf die merkwürdige Uebereinstimmung der meisten
Bergvölker, daß sie gebogene Nasen haben wie unsere
Tiroler ja auch, mag hierbei hingewiesen sein. Klima
und Nahrung formen eben den Menschen nach ihren
Bedingungen, die Menschen des Maldes und der
Sümpfe sind auch kurz und gedrungen, die der Steppe
und der Berge hochgewachsen und schlank, so ist es
auch beim Afrikaner. Line charakteristische Eigen-
tümlichkeit des Negers sind die sehr hübsch geformten
kleinen anliegenden Ohren, wie man sie beim Euro-
päer in so harmonischer Form selten sieht. Ferner
die schöne Haltung des Oberkörpers. Der Kopf sitzt
gut auf dem Halse, die Brust ist immer hochgewölbt,
der Rücken gerade. Am Sitz der Toben, der weißen
Kittel der Sudaner fällt diese Eigentümlichkeit sofort
auf, das Kleid hängt hinten viel tiefer herab als
vorn. Beim weiblichen Geschlecht sind Schultern und
Oberarme oft schön entwickelt. Besser wie bei uns
im Durchschnitt, es kommt dies von der Arbeit des
Kornstampfens. Ganz typisch für die Negerin ist die
vollständige Hüftenlosigkeit in Verbindung mit schräger
Stellung des Beckens. Eine Negerin mit der ge-
schwungenen Hüftenlinie der Europäerin darzustellen,
wie man es zuweilen auf Gemälden sieht, zeugt von
großer Unkenntnis. Oft fiel mir bei Negerinnen
XIV, Heft §8.
594
Mitteilungen cker Ullgemelnea veutlche»
»iunllgenoiienichstt.
Ovtsvevein Berlin -er A. D. A. G.
Die Kommission der Großen Berliner Kunstausstel-
lung 49^5, gewährt den Mitgliedern des Grtsvereins
Berlin der A. D. K. G. freien Eintritt für den Besuch der
Ausstellung unter der Bedingung, daß jedes Mitglied sich
eine Freikarte unter Vorzeigung seiner Mitgliedskarte im
Büro der Ausstellung selbst abholl.
Der Vorstand -es Grtsvereins Berlin -er A. D.A.G.
Otto Vllrnksr-t^suiudurß, s. Vorsitzender.
Ortsgruppe Aarlsrnhe I.
Am 24. d. M. begeht unser langjähriges treues Mit-
glied und um den Verein hochverdienter Schatzmeister,
Herr Georg Hesse, seinen 70. Geburtstag. Dazu bringen
wir ihm unsere herzlichen und aufrichtigen Glückwünsche
dar. Möge es ihm vergönnt sein, noch lange Jahre seiner
Kunst zu leben und sich der Anerkennung seines Schaffens
zu freuen.
Im Namen des Vereins:
-ie Vsrstan-skollegen.
McdtLmtttcker T-tt.
Oer Oeger unä leine Umgebung in äer Kunll.
von T. Arriens.
I.
Ein Maler, der längere Zeit in den Tropen unter
farbiger Bevölkerung gelebt hatte, beklagte sich dar-
über, daß man die sorgsam von ihm nach dem Leben
gezeichnete Stellung einer Figur als unnatürlich be-
zeichnet und daß selbst Künstler seine Behauptung
bezweifelt hätten, die körperlichen Bewegungen fremder
Rassen wichen von unfern oft beträchtlich ab.
Jedem Beschauer ist wohl schon die anscheinend
ganz unnatürliche Sitzstellung der indischen Buddha-
figuren aufgefallen, die darin besteht, daß die auf
dem Boden sitzende Figur die Rniee der gekreuzten
Schenkel fest auflegt. Jeder von uns, der diese
Stellung nachzumachen versucht, wird es als unmög-
lich einsehen, beide Rniee gleichzeitig an den Boden
zu bringen. Nach Prof. A. Krämer gilt bei vor-
nehmen Polynesiern auf Samoa und anderen Süd-
seeinseln diese Körperhaltung als Zeichen vornehmer
Mohlanständigkeit, die von Jugend auf geübt wird.
Irgendeine körperliche Vorbedingung muß aber wohl
doch vorhanden sein, denn ich beobachtete selbst des
öfteren die gleiche Körperhaltung im Inneren Afrikas
bei Leuten aus dem niederen Volk. Da sie bei
handwerklichen Verrichtungen so saßen, liegt kein
Grund vor anzunehmen, daß sie eine besondere Ko-
ketterie damit an den Tag legen wollten, diese Stel-
lung war für sie eben natürlich und bequem.
Eine andere Merkwürdigkeit bei den Negern be-
steht darin, daß sie wie ein Storch auf einem Bein
stehend ausruhen, und zwar so, daß der aufgehobene
Fuß gegen die innere Knieseite des Standbeins ge-
stemmt wird. In dieser für einen Europäer ziemlich
unmöglichen Stellung sieht man Leute öfters, und
zwar längere Zeit verharren. Eine weitere ana-
tomische Besonderheit legt der Neger an den Tag,
wenn er sich bückt, um etwas aufzuheben oder der-
gleichen. Menn der Europäer sich bückt, bildet sein
Rücken eine gleichmäßige Vogenlinie, beim Neger sind
die Lendenwirbel so biegsam, daß der Rücken sich
oberhalb des Kreuzes buckelartig herauswölbt. Er
kann infolgedessen mit größter Bequemlichkeit mit
durchgedrückten Knieen die Handflächen auf die Erde
legen. Ob diese Eigentümlichkeit bei allen Negern
gleichmäßig ist, weiß ich nicht, da ich natürlich nicht
jeden einzelnen darauf geprüft habe, ich möchte sie
aber für typisch halten, da ich sie bei beiden Ge-
schlechtern oft beobachtet habe. Daß der Neger keine
Maden habe, wird allgemein angenommen. Abgesehen
von einzelnen Sudanstämmen im Osten, für die das
gewiß zutrifft, ist die Annahme irrig, der richtige
typische Neger hat recht wohlgebildete und muskulöse
Maden. Bei vielen Negerstämmen sieht man mehr
oder weniger ausgebildeten Plattfuß, während andere
Stämme, wie die Fulbe, besonders hohle und zier-
liche kleine Füße aufweisen, vielleicht rührt das
vom generationenlangen Tragen schwerer Lasten her,
die Fulbe aber sind ein Reitervolk.
Auf die merkwürdige Uebereinstimmung der meisten
Bergvölker, daß sie gebogene Nasen haben wie unsere
Tiroler ja auch, mag hierbei hingewiesen sein. Klima
und Nahrung formen eben den Menschen nach ihren
Bedingungen, die Menschen des Maldes und der
Sümpfe sind auch kurz und gedrungen, die der Steppe
und der Berge hochgewachsen und schlank, so ist es
auch beim Afrikaner. Line charakteristische Eigen-
tümlichkeit des Negers sind die sehr hübsch geformten
kleinen anliegenden Ohren, wie man sie beim Euro-
päer in so harmonischer Form selten sieht. Ferner
die schöne Haltung des Oberkörpers. Der Kopf sitzt
gut auf dem Halse, die Brust ist immer hochgewölbt,
der Rücken gerade. Am Sitz der Toben, der weißen
Kittel der Sudaner fällt diese Eigentümlichkeit sofort
auf, das Kleid hängt hinten viel tiefer herab als
vorn. Beim weiblichen Geschlecht sind Schultern und
Oberarme oft schön entwickelt. Besser wie bei uns
im Durchschnitt, es kommt dies von der Arbeit des
Kornstampfens. Ganz typisch für die Negerin ist die
vollständige Hüftenlosigkeit in Verbindung mit schräger
Stellung des Beckens. Eine Negerin mit der ge-
schwungenen Hüftenlinie der Europäerin darzustellen,
wie man es zuweilen auf Gemälden sieht, zeugt von
großer Unkenntnis. Oft fiel mir bei Negerinnen