Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 14.1914/1915
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https://doi.org/10.11588/diglit.55564#0538
DOI Heft:
Heft 43
DOI Artikel:Nichtamtlicher Teil
DOI Artikel:Pudor, Heinrich: Kreuz und Kreuzeszeichen
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530
Die Werkstatt der Kunp.
^IV, Heft ^3.
Mitteilungen äer Ullgemeioeo veutkche»
tiuaktgeaollenlchsst.
Ovtsverein Vevlin -er A. D. A. G.
Die Kommission der Großen Berliner Kunstausstel-
lung t9l5, gewährt den Mitgliedern des Drtsvereins
Berlin der A. D. K. G. sreien Eintritt für den Besuch der
Ausstellung unter der Bedingung, daß jedes Mitglied sich
eine Freikarte unter Vorzeigung seiner Mitgliedskarte im
Büro der Ausstellung selbst abholt.
Der Verstand des Ortsvereins Berlin -er A. D A. G.
Otto Qllnttivr-ALumburU, Vorsitzender.
Mcktamrlicder Teil.
Rreu; uncl Kreuzeszeichen,
von Or. Heinrich pudor.
vergleicht man ein Monogramm aus dem Jahre
s500 mit einem solchen von heute, so erhellt die
ganze Oberflächlichkeit und Trivialität des heutigen
Empfindens. Der Phantasie ist kein Spielraum
mehr gegönnt, es müßte denn sein nach der Rich-
tung, daß das Lesen der Monogrammbuchstaben
sehr häufig nur mit Hilfe der Phantasie möglich
ist. Aber für die Bedeutung des Zeichens, welches
eine Person oder Sache in einer charakteristischen
und prägnanten Weise vertritt, haben wir heute
keinen Sinn mehr. Und doch kann man aus einem
solchen Zeichen Kulturen lesen, handle es sich um
ein Steinmetzzeichen, eine Hausmarke oder um ein
Verlegerzeichen.
Die ältesten Diplom-Unterschriften, von denen
in Deutschland berichtet wird, sind die der früheren
Karolinger, die ihre Urkunden mit dem Kreuz unter-
fertigten („si§nuin sanctae crucis pono"). Das
Kreuzzeichen war also die ursprüngliche und natür-
liche Unterschrift. So war z. B. die Unterschrift
Pippins*) ein griechisches Kreuz, in dessen vier Ecken je
ein Punkt gestellt war. Ganz ähnlich führt es der italie-
nische Buchdrucker Antonius Zarotus, Mailand s^95,
in seinem Drucker-Signet. Das Kreuz individuell
verändert wurde zum Personenzeichen. Daher be-
deutet das Wort siZnure — zeichnen — Kreuz-
zeichen machen — segnen, wenn der deutsche oder
russische Katholik das Kreuzzeichen macht, knüpft er
an jene alte Ueberlieferung an.
Mit dem Sichbekreuzigen hängt das Pentagramm
des Pythagoras zusammen, denn man bildet
ein Pentagramm, wenn man mit der rechten Hand
auf das Herz, von da zur Stirn, zur rechten Brust,
zur linken Brust, zur linker: Schulter und zurück
zum Herzen fährt. Ursprünglich sprach man wohl
dabei, wie Fischbach vermutet, die Namen der fünf
Elemente, deren Schutz man suchte, aus.
Von dem christlichen Kreuz zu unterscheiden ist
das Andreaskreuz, welches aus zwei schrägstehenden
in der Mitte gekreuzten Linien besteht (ttecuria im
Lex visigothorum, 5.- 9. Jahrhundert) und den
Römern als ein vom Kreuzweg hergenommenes
Grenzzeichen (clecuLa) bekannt war**).
*) Vergl. Bluhme, Römische Feldmesser II. 268.
**) Das Namen-Monogramm tritt erst seit Karl dem
Großen auf.
Auf dieses Andreaskreuz, das im späteren Drucker-
und Verlegerzeichen eine große Rolle spielt und
auch in unser Wappen übergegangen ist, kommen
wir später zurück.
Erst in der zweiten Hälfte des s3. Jahrhunderts
begegnen wir festen Zeichen gewisser Personen mit
sicheren Daten und in bestimmter Verwendung und
erst seit dieser Zeit finden wir laut Weinreichs
Thronik die Bürger-Hausmarke, angeborenes Zeichen
genannt, skandinavisch loniuerlce. Ls gibt ein präch-
tiges Buch über die germanische Hausmarke von
einem Professor der Rechte, welcher nahezu zwanzig
Jahre daran gearbeitet hat und aus allen Ländern
germanischen Lautes das Material zusammengetragen
ist. (Or. L. G. Homeyer, Die Haus- und Hof-
marken. Berlin s87O.)
Die Hausmarke steht wiederum im Zusammen-
hang mit den Steinmetzzeichen, wie sie sich aus
ältester Zeit noch heute an vielen Bauten, wie z. B.
der Kaiserpfalz zu Gelnhausen, am dicken Turm
des Schlosses zu Heidelberg usw. finden, sowie mit
den alten Gildenzeichen, dann aber auch mit den
Wappen und Siegeln. Die Form der alten Haus-
marke geht auf das sogenannte Loswerfen der alten
Germanen zurück. Tacitus berichtet (Germania sO),
daß die Germanen Reiser von Fruchtbäumen schnitten,
in Stäbchen schnitten, in diese Runen-Zeichen ritzten
und sie auf ein weißes Tuch fallen ließen. Wie
die Stäbchen zu liegen kamen, welches Bild sie
zeigten, danach befragt man das Schicksal.
Schon Müllenhoff hat bestritten, daß man drei-
mal je ein Stäbchen aufnahm und die so erhaltenen
Zeichen auslegte. Nein, gerade so, wie die Stäb-
chen auf dem Boden durch eigene Fügung zu liegen
kamen und welches Zeichen sie hier von selbst bil-
deten, war maßgebend. Noch heute schütten, wie
Fischbach anführt, Afghanen Pfeile auf den Boden
und weissagen aus der Lage derselben. Die Chinesen
gebrauchen, wie ebenfalls Fischbach berichtet, Holz-
stäbchen mit Heiligenzeichen, die auf jedem Altar in
Bechern stehen. Kommt dreimal hintereinander ein
Glückszeichen, so ist das Orakel günstig.
Von diesem Sammeln und Auslesen der Stäbchen
schreibt sich unser Wort Lesen her. Lesen bedeute
eben ursprünglich das Auslesen der Runen-Stäbchen.
Fischbach meint, daß sich auch unser Wort „Buch"
daher schreibt, da man vorwiegend Stäbe von
Buchenholz (dem härtesten Holz) auslas. Beiläufig
Die Werkstatt der Kunp.
^IV, Heft ^3.
Mitteilungen äer Ullgemeioeo veutkche»
tiuaktgeaollenlchsst.
Ovtsverein Vevlin -er A. D. A. G.
Die Kommission der Großen Berliner Kunstausstel-
lung t9l5, gewährt den Mitgliedern des Drtsvereins
Berlin der A. D. K. G. sreien Eintritt für den Besuch der
Ausstellung unter der Bedingung, daß jedes Mitglied sich
eine Freikarte unter Vorzeigung seiner Mitgliedskarte im
Büro der Ausstellung selbst abholt.
Der Verstand des Ortsvereins Berlin -er A. D A. G.
Otto Qllnttivr-ALumburU, Vorsitzender.
Mcktamrlicder Teil.
Rreu; uncl Kreuzeszeichen,
von Or. Heinrich pudor.
vergleicht man ein Monogramm aus dem Jahre
s500 mit einem solchen von heute, so erhellt die
ganze Oberflächlichkeit und Trivialität des heutigen
Empfindens. Der Phantasie ist kein Spielraum
mehr gegönnt, es müßte denn sein nach der Rich-
tung, daß das Lesen der Monogrammbuchstaben
sehr häufig nur mit Hilfe der Phantasie möglich
ist. Aber für die Bedeutung des Zeichens, welches
eine Person oder Sache in einer charakteristischen
und prägnanten Weise vertritt, haben wir heute
keinen Sinn mehr. Und doch kann man aus einem
solchen Zeichen Kulturen lesen, handle es sich um
ein Steinmetzzeichen, eine Hausmarke oder um ein
Verlegerzeichen.
Die ältesten Diplom-Unterschriften, von denen
in Deutschland berichtet wird, sind die der früheren
Karolinger, die ihre Urkunden mit dem Kreuz unter-
fertigten („si§nuin sanctae crucis pono"). Das
Kreuzzeichen war also die ursprüngliche und natür-
liche Unterschrift. So war z. B. die Unterschrift
Pippins*) ein griechisches Kreuz, in dessen vier Ecken je
ein Punkt gestellt war. Ganz ähnlich führt es der italie-
nische Buchdrucker Antonius Zarotus, Mailand s^95,
in seinem Drucker-Signet. Das Kreuz individuell
verändert wurde zum Personenzeichen. Daher be-
deutet das Wort siZnure — zeichnen — Kreuz-
zeichen machen — segnen, wenn der deutsche oder
russische Katholik das Kreuzzeichen macht, knüpft er
an jene alte Ueberlieferung an.
Mit dem Sichbekreuzigen hängt das Pentagramm
des Pythagoras zusammen, denn man bildet
ein Pentagramm, wenn man mit der rechten Hand
auf das Herz, von da zur Stirn, zur rechten Brust,
zur linken Brust, zur linker: Schulter und zurück
zum Herzen fährt. Ursprünglich sprach man wohl
dabei, wie Fischbach vermutet, die Namen der fünf
Elemente, deren Schutz man suchte, aus.
Von dem christlichen Kreuz zu unterscheiden ist
das Andreaskreuz, welches aus zwei schrägstehenden
in der Mitte gekreuzten Linien besteht (ttecuria im
Lex visigothorum, 5.- 9. Jahrhundert) und den
Römern als ein vom Kreuzweg hergenommenes
Grenzzeichen (clecuLa) bekannt war**).
*) Vergl. Bluhme, Römische Feldmesser II. 268.
**) Das Namen-Monogramm tritt erst seit Karl dem
Großen auf.
Auf dieses Andreaskreuz, das im späteren Drucker-
und Verlegerzeichen eine große Rolle spielt und
auch in unser Wappen übergegangen ist, kommen
wir später zurück.
Erst in der zweiten Hälfte des s3. Jahrhunderts
begegnen wir festen Zeichen gewisser Personen mit
sicheren Daten und in bestimmter Verwendung und
erst seit dieser Zeit finden wir laut Weinreichs
Thronik die Bürger-Hausmarke, angeborenes Zeichen
genannt, skandinavisch loniuerlce. Ls gibt ein präch-
tiges Buch über die germanische Hausmarke von
einem Professor der Rechte, welcher nahezu zwanzig
Jahre daran gearbeitet hat und aus allen Ländern
germanischen Lautes das Material zusammengetragen
ist. (Or. L. G. Homeyer, Die Haus- und Hof-
marken. Berlin s87O.)
Die Hausmarke steht wiederum im Zusammen-
hang mit den Steinmetzzeichen, wie sie sich aus
ältester Zeit noch heute an vielen Bauten, wie z. B.
der Kaiserpfalz zu Gelnhausen, am dicken Turm
des Schlosses zu Heidelberg usw. finden, sowie mit
den alten Gildenzeichen, dann aber auch mit den
Wappen und Siegeln. Die Form der alten Haus-
marke geht auf das sogenannte Loswerfen der alten
Germanen zurück. Tacitus berichtet (Germania sO),
daß die Germanen Reiser von Fruchtbäumen schnitten,
in Stäbchen schnitten, in diese Runen-Zeichen ritzten
und sie auf ein weißes Tuch fallen ließen. Wie
die Stäbchen zu liegen kamen, welches Bild sie
zeigten, danach befragt man das Schicksal.
Schon Müllenhoff hat bestritten, daß man drei-
mal je ein Stäbchen aufnahm und die so erhaltenen
Zeichen auslegte. Nein, gerade so, wie die Stäb-
chen auf dem Boden durch eigene Fügung zu liegen
kamen und welches Zeichen sie hier von selbst bil-
deten, war maßgebend. Noch heute schütten, wie
Fischbach anführt, Afghanen Pfeile auf den Boden
und weissagen aus der Lage derselben. Die Chinesen
gebrauchen, wie ebenfalls Fischbach berichtet, Holz-
stäbchen mit Heiligenzeichen, die auf jedem Altar in
Bechern stehen. Kommt dreimal hintereinander ein
Glückszeichen, so ist das Orakel günstig.
Von diesem Sammeln und Auslesen der Stäbchen
schreibt sich unser Wort Lesen her. Lesen bedeute
eben ursprünglich das Auslesen der Runen-Stäbchen.
Fischbach meint, daß sich auch unser Wort „Buch"
daher schreibt, da man vorwiegend Stäbe von
Buchenholz (dem härtesten Holz) auslas. Beiläufig