Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 14.1914/1915
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https://doi.org/10.11588/diglit.55564#0482
DOI issue:
Heft 39
DOI article:Nichtamtlicher Teil
DOI article:Volz, Robert: Künstler als Museumsleiter
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Die Werkstatt der Kunst.
XIV, Heft 39.
M
Schickt die „Werkstatt der Nunst" ins Seid!
Mir wollen mit unseren Freunden draußen in Fühlung bleiben. Übergebt der Schrift-
leitung belangreiche Feldpostbriefe zur Veröffentlichung
Dicktamtlicker Teil.
Künstler als Museumsleiter.
von Or. Robert Volz.
l-
Oft wird behauptet, daß bildende Künstler viel
mehr als Kunstgelehrte sich zu Museumsleitern eignen.
Begründet wird diese Auffassung etwa damit, daß
der Kunsttheoretiker sich stets von Fragen werde be-
einflussen lassen, die eigentlich nichts mit Kunst zu
tun haben. Man weist darauf hin, daß seine Be-
schäftigung in erster Linie im Zerlegen eines Kunst-
werkes bestehe, in der Untersuchung über die Ge-
danken, die den Künstler bei der Herstellung be-
schäftigten und daß der Gelehrte als Galeriedirektor
sich immer mehr von Äußerlichkeiten, z. B. der Be-
rühmtheit eines Künstlers werde beeinflussen lassen
und sein Augenmerk nicht hauptsächlich auf den reinen
Kunstwert zu richten geneigt sei.
Mir scheint, daß diese Auffassung die Dinge
ganz schief sieht. Sie läuft nämlich im Ende darauf
hinaus, daß es bloß auf den Beruf ankommt —
ob Künstler oder Gelehrter — damit einer zum
Museumsleiter tauglich wird. Aber bekanntlich ist
keine Eigenschaft so angeboren, so wenig anerziehbar,
wie das Kunstverständnis. Ls dürfte also die Un-
brauchbarkeit eines kunstgelehrten Galeriedirektors
nicht in seinen Berufe, sondern in ihm selbst ihre Ur-
sache haben. Ls sei zugegeben, daß die ganze Tätig-
keit des Kunsttheoretikers ihn leicht von dem rein
Künstlerischen seines Stoffes abziehen und mehr zum
Geschichtlichen hinführen kann. Das „kann" ist
jedoch zu unterstreichen und die Gestalt des Kunst-
gelehrten, wie er nie und nimmer sein soll, als die
Regel hinzustellen und mit diesem mißratenen Be-
griffe zu arbeiten, das muß zu fraglichen Schlüssen
führen.
Mit gutem Rechte besteht den Kunstgelehrten
gegenüber — von wenigen Ausnahmen abgesehen —
sowie gegenüber den Kunstschreibern ein großes Miß-
trauen. Man hat es schon mehr als einmal erlebt,
daß sich diese in gewissem Sinne, bis zu einer
gewissen Grenze oft sehr tüchtigen Leute als erschreckend
kunstverständnislos entpuppt haben. Bei Gelegen-
heiten, bei denen sie gar nicht merken, wie gefähr-
lich sie ihrem Ansehen werden, lassen sie dann
Aeußerungen fallen, geben Ratschläge und Erläute-
rungen, daß jedem, der eine künstlerische Ader hat, die
Haare zu Berge stehen. Das geduldige Publikum
aber — und welche Menschenmehrheit käme hinter
das Rätsel der Kunst? — hört alles mit der Ueber-
zeugung an, daß der Kunsttheoretiker mit seinen
Erklärungen jedenfalls der Klügere und künstlerisch
Gebildetere sei als die Laien. Da ist nun schwer
zu helfen. Lin Gegengewicht zu dem Kunstschwätzer-
tum durch ein gesundes und edles Kunstempfinden
weiterer Kreise des Volkes aufzustellen, das ist ein
Unternehmen, dem nur geringer Erfolg winkt. wir
müßten uns in eine tiefe Seitengasse begeben, wenn
wir diesen Dingen nachgehen wollten, die schließlich
in der alten Schwierigkeit gipfeln: in der Erziehung
oder besser Hebung, Gewöhnung des Künstlersinnes.
Besser ist sicherlich der weg, den Kunstmachern,
seien es nun Künstler oder Theoretiker, offen gegen-
überzutreten, sie gewissermaßen zum Schachspiele
zu zwingen und sie natürlich — zu besiegen. Daß
in Verbindung damit viel Aufklärungsarbeit und
Kunsterziehung" geleistet würde, liegt auf der
Hand.
Das Ansehen des Kunstgelehrtentums in eigent-
lichen künstlerischen Fragen ist also bei den aus-
übenden Künstlern nicht hoch und hinzu kommt —
wie gesagt — die Gefahr, daß der Theoretiker
durch seinen Beruf noch mehr von der künstlerischen
Seite der Merke abgelenkt wird. Trotzdem darf
man aber nicht vergessen, daß ein echter Kunstkenner
immer nur geboren und nicht heranerzogen wird.
Damit fällt auch die oft gehörte nebelhafte An-
nahme in sich zusammen, daß nur der das eigent-
lich Künstlerische an einem Kunstwerke erfassen könne,
der selbst ausübender Künstler sei. Es gibt sehr
feine Köpfe unter den Kunstkritikern und auch
unter den Laien und daneben schauderhafte Kunst-
neger in den Reihen derer, die Künstler heißen. So
nett und säuberlich nach Berufen geschieden, wie
in Fächer geordnet ist denn doch das Kunstverständ-
nis nicht.
was die Einseitigkeit betrifft, das Lings-
schworensein auf eine bestimmte Richtung, so ist
dieser Fall logischerweise bei ausübenden Künstlern
größer als bei Gelehrten; denn der Künstler lebt in
seiner Art und wird, ja muß alles andere, jedenfalls
alles ganz andere ablehnen. Er ist als Schaffender
naturgemäß zur Einseitigkeit hingelenkt, während
der Kunstgelehrte viel eher, sogar ganz gut, mit
mehreren künstlerischen Auffassungen sich vertragen
kann — wenn er auch bestimmten Richtungen den
Vorzug geben wird. Aber er ist nicht so ausschließ-
lich auf ein Ziel angewiesen, weil er selbst nicht
Schaffender ist. Theoretiker, die hauptsächlich nach
XIV, Heft 39.
M
Schickt die „Werkstatt der Nunst" ins Seid!
Mir wollen mit unseren Freunden draußen in Fühlung bleiben. Übergebt der Schrift-
leitung belangreiche Feldpostbriefe zur Veröffentlichung
Dicktamtlicker Teil.
Künstler als Museumsleiter.
von Or. Robert Volz.
l-
Oft wird behauptet, daß bildende Künstler viel
mehr als Kunstgelehrte sich zu Museumsleitern eignen.
Begründet wird diese Auffassung etwa damit, daß
der Kunsttheoretiker sich stets von Fragen werde be-
einflussen lassen, die eigentlich nichts mit Kunst zu
tun haben. Man weist darauf hin, daß seine Be-
schäftigung in erster Linie im Zerlegen eines Kunst-
werkes bestehe, in der Untersuchung über die Ge-
danken, die den Künstler bei der Herstellung be-
schäftigten und daß der Gelehrte als Galeriedirektor
sich immer mehr von Äußerlichkeiten, z. B. der Be-
rühmtheit eines Künstlers werde beeinflussen lassen
und sein Augenmerk nicht hauptsächlich auf den reinen
Kunstwert zu richten geneigt sei.
Mir scheint, daß diese Auffassung die Dinge
ganz schief sieht. Sie läuft nämlich im Ende darauf
hinaus, daß es bloß auf den Beruf ankommt —
ob Künstler oder Gelehrter — damit einer zum
Museumsleiter tauglich wird. Aber bekanntlich ist
keine Eigenschaft so angeboren, so wenig anerziehbar,
wie das Kunstverständnis. Ls dürfte also die Un-
brauchbarkeit eines kunstgelehrten Galeriedirektors
nicht in seinen Berufe, sondern in ihm selbst ihre Ur-
sache haben. Ls sei zugegeben, daß die ganze Tätig-
keit des Kunsttheoretikers ihn leicht von dem rein
Künstlerischen seines Stoffes abziehen und mehr zum
Geschichtlichen hinführen kann. Das „kann" ist
jedoch zu unterstreichen und die Gestalt des Kunst-
gelehrten, wie er nie und nimmer sein soll, als die
Regel hinzustellen und mit diesem mißratenen Be-
griffe zu arbeiten, das muß zu fraglichen Schlüssen
führen.
Mit gutem Rechte besteht den Kunstgelehrten
gegenüber — von wenigen Ausnahmen abgesehen —
sowie gegenüber den Kunstschreibern ein großes Miß-
trauen. Man hat es schon mehr als einmal erlebt,
daß sich diese in gewissem Sinne, bis zu einer
gewissen Grenze oft sehr tüchtigen Leute als erschreckend
kunstverständnislos entpuppt haben. Bei Gelegen-
heiten, bei denen sie gar nicht merken, wie gefähr-
lich sie ihrem Ansehen werden, lassen sie dann
Aeußerungen fallen, geben Ratschläge und Erläute-
rungen, daß jedem, der eine künstlerische Ader hat, die
Haare zu Berge stehen. Das geduldige Publikum
aber — und welche Menschenmehrheit käme hinter
das Rätsel der Kunst? — hört alles mit der Ueber-
zeugung an, daß der Kunsttheoretiker mit seinen
Erklärungen jedenfalls der Klügere und künstlerisch
Gebildetere sei als die Laien. Da ist nun schwer
zu helfen. Lin Gegengewicht zu dem Kunstschwätzer-
tum durch ein gesundes und edles Kunstempfinden
weiterer Kreise des Volkes aufzustellen, das ist ein
Unternehmen, dem nur geringer Erfolg winkt. wir
müßten uns in eine tiefe Seitengasse begeben, wenn
wir diesen Dingen nachgehen wollten, die schließlich
in der alten Schwierigkeit gipfeln: in der Erziehung
oder besser Hebung, Gewöhnung des Künstlersinnes.
Besser ist sicherlich der weg, den Kunstmachern,
seien es nun Künstler oder Theoretiker, offen gegen-
überzutreten, sie gewissermaßen zum Schachspiele
zu zwingen und sie natürlich — zu besiegen. Daß
in Verbindung damit viel Aufklärungsarbeit und
Kunsterziehung" geleistet würde, liegt auf der
Hand.
Das Ansehen des Kunstgelehrtentums in eigent-
lichen künstlerischen Fragen ist also bei den aus-
übenden Künstlern nicht hoch und hinzu kommt —
wie gesagt — die Gefahr, daß der Theoretiker
durch seinen Beruf noch mehr von der künstlerischen
Seite der Merke abgelenkt wird. Trotzdem darf
man aber nicht vergessen, daß ein echter Kunstkenner
immer nur geboren und nicht heranerzogen wird.
Damit fällt auch die oft gehörte nebelhafte An-
nahme in sich zusammen, daß nur der das eigent-
lich Künstlerische an einem Kunstwerke erfassen könne,
der selbst ausübender Künstler sei. Es gibt sehr
feine Köpfe unter den Kunstkritikern und auch
unter den Laien und daneben schauderhafte Kunst-
neger in den Reihen derer, die Künstler heißen. So
nett und säuberlich nach Berufen geschieden, wie
in Fächer geordnet ist denn doch das Kunstverständ-
nis nicht.
was die Einseitigkeit betrifft, das Lings-
schworensein auf eine bestimmte Richtung, so ist
dieser Fall logischerweise bei ausübenden Künstlern
größer als bei Gelehrten; denn der Künstler lebt in
seiner Art und wird, ja muß alles andere, jedenfalls
alles ganz andere ablehnen. Er ist als Schaffender
naturgemäß zur Einseitigkeit hingelenkt, während
der Kunstgelehrte viel eher, sogar ganz gut, mit
mehreren künstlerischen Auffassungen sich vertragen
kann — wenn er auch bestimmten Richtungen den
Vorzug geben wird. Aber er ist nicht so ausschließ-
lich auf ein Ziel angewiesen, weil er selbst nicht
Schaffender ist. Theoretiker, die hauptsächlich nach