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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 14.1914/​1915

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Heft 44
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Nichtamtlicher Teil
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Bild und Teppich
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Knopf, Julius: Die Kunst geht nach Brot
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https://doi.org/10.11588/diglit.55564#0552

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Die Werkstatt der Kunst.

XIV, Heft

5^4

Darum ist im Grunde gegen den Lall nichts zu
erinnern. Ls ist weder wirtschaftlich verkehrt, Bil-
der gegen Ware herzugeben, noch rechtlich zu ver-
hindern, daß nun der Texpichmann seine ihm ge-
hörigen Bilder in der ihm am besten scheinenden
Form anbietet und sich dazu des Namens des Malers
als Reklame bedient. Denn aus Kunstfreude allein
wird er sie nicht gekauft haben, und der Maler konnte
sicher nicht einwenden, er hätte geglaubt, jener
wollte sich nur ein Privatvergnügen mit dem Tausch
machen; hätte er Verkaufsabsichten gewittert, so
würde er seine Bilder nicht gegeben haben. Aber
auch das Bedenken, daß dem Maler diese Aus-
stellung tatsächlich schaden kann, vermögen wir
nicht zu teilen. Ls ist die erste und grundlegende
Bedingung für die wirtschaftliche Verwertung eines
Kunstschaffens, daß der Name des Urhebers bekannt
wird, auf welche Weise das geschieht, ist zuletzt
einerlei. In Amerika würde vielleicht ein kleiner
Raubmord den gewünschten Lrfolg haben, bei uns
jedenfalls hilft dazu die Erwähnung in den Zei-
tungen, vor allem aber die Verbreitung zahlreicher
Bilder in den Käuferkreisen. Verkauft also hier
der Händler recht viel Bilder, selbst zu schlechten
Preisen, so kommt das doch dem Künstler zugute.
Ls hindert ihn niemand seine Preise zu steigern.
Bei den Bildern drückt die Menge des auf den
Markt geworfenen ja nicht den Wert. Unangenehm
kann es ihm höchstens sein, daß Bilder, die er nicht
mehr künstlerisch vertreten will, unter die Leute
kommen. Aber auch das ist nicht so schlimm. Denn
nur die wenigsten Bilder, die wir früher gemalt
haben, können wir heute noch leiden, aber wenn

wir dafür Geld bekommen haben, so war und ist
uns das heute noch recht
Ich schreibe diesen Artikel zur Beruhigung aller
jener, die einmal Teppiche getauscht haben oder
tauschen werden, hauptsächlich aber, um einmal
wieder die Frage anzuschneiden, in der Kunst prak-
tischer, wirtschaftlich richtiger zu denken.
Nach Lage der Dinge eignet sich nichts so
gut zum Tausch wie das Bild. Seine Ligenkosten
sind regelmäßig gering, die Festsetzung eines Preises
wird den meisten schwer fallen, und gerade an der
Geldforderung scheitern die größere Zahl aller Verkäufe.
Darum kann und darf das Tauschgeschäft soviel
als möglich an die Stelle treten, vor allem da, wo
die Gegenseite ebenfalls Leistungen liefert, die sich
schlecht abschätzen lassen. So ist z. B. das Tausch-
geschäft mit dem Arzt dringend anzuraten. Die
meisten Aerzte werden nichts dagegen haben, ihre
Liquidation mit einem anständigen Bilde beglichen
zu sehen. Auch in ihrem Belieben liegt es ja,
welches Honorar sie fordern und darum können sie
das Bild Häher bewerten als ein anderer.
Lin gleiches Tauschverhältnis kann mit dem
Hausbesitzer eintreten, mit dem Inhaber einer
Sommerfrische, dem Spediteur, soweit es sich nicht
um bare Auslagen handelt, auch dem Gastwirt
und schließlich dem Schneider.
Immerhin wollen wir nicht vergessen, daß das
beste Tauschgeschäft das gegen Reichsbanknoten ist.
Darum möge man vor allen versuchen mit dem
Staate zu tauschen.
Aber bis dahin soll man mitnehmen, was man
bekommen kann. v. B.

Oie Runst gebt nack Orol.

In seinem Atelier sitzt einer unserer bekanntesten
Bildhauer und modelliert mit künstlerischem Lifer
und patriotischer Begeisterung eine Hindenburg-
büste. Der alte Professor ist ebenso geschätzt
wegen seiner Gutmütigkeit, wie gefürchtet wegen
seines Sarkasmus. Die Gutmütigkeit nutzen die-
jenigen Zeitgenossen aus, deren einziger Lebens-
zweck es ist, ihrem Vagabundenleben aus der Tasche
ihrer Mitmenschen die pekuniäre Unterlage zu ver-
schaffen. Der Professor weiß es wohl, daß man
ihn ausnutzt, aber er sagt sich, daß es besser sei,
hundert Unwürdigen zu geben, als einen Würdigen
abzuweisen. Mit seinen scharfen blauen Alte-Fritz-
Augen mustert er seine Leute und schenkt ihnen je
nach Ausfall der Prüfung, von 20 Pfennig bis
zu zwei Mark aufwärts.
In Friedenszeiten war dieser Satz um die Hälf-
te höher, aber der Krieg hat die Anzahl der an-
pochenden „Armen Künstler" so gesteigert, daß er
sich zu einer Reduktion entschließen mußte. Und
da die Menge der vorsprechenden „Berufsgenossen"
von Woche zu Woche immer mehr anschwoll, so griff
der Professor zu dem Radikalmittel, die uner-

betenen Atelierbesucher den Wahrheitsbeweis ihres
Künstlertums antreten zu lassen, ehe er ihrer Bitte
um eine Gabe entsprach.
Lin Heller, klarer, schöner Vormittag, der die
Schaffensfreudigkeit erhöht. Die Arbeit schreitet
tüchtig vor, die Hindenburgbüste verspricht ein
Wurf zu werden, der Professor ist in bester Laune
und pfeift die wacht am Rhein.
Da klopft es kräftig. Lin Graukopf tritt ein.
Sein Anzug ist abgerissen, der Atem dampft nach
Alkohol, die Nase glüht rot, wie eine reife Erdbeere,
und der struppige Schnurbart ist arg zerzaust.
Ohne die einleitenden Worte seines Besuchers
abzuwarten, fragt der Professor: „Was sind
Sie?".
Der Bettler stutzt, er wittert eine Falle. Doch
diplomatisch zieht er sich aus der Affäre. „Ich
bin Dekorationsmaler". Das war unverbindlich
und konnte nicht Anlaß zu unbequemen Unter-
suchungen und Lröterungen geben.
„So", meint der Professor trocken, „na, da wer-
den Sie ja auch zeichnen können. Ich möchte eine
Probe Ihrer Kunst sehen, Verehrtester. Zeigen Sie
 
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