Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 14.1914/​1915

DOI issue:
Heft 28
DOI article:
Nichtamtlicher Teil
DOI article:
Wedendorf, Hans: Nebenberufe für Künstler
DOI article:
v. B.: Kunst und Wohltätigkeit
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.55564#0331

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
XlV, Heft 28.

Die Werkstatt der Kunst.

323

überhaupt und dann auch nur nach langer Zeit der
Entbehrung zum ausreichenden Gewinn aus ihrer
Kunst gelangen werden. Ls würde also wirtschaftlich
richtig gedacht sein, wenn nur die Künstler werden,
die entweder von Haus aus vermögend genug sind,
um eine unbegrenzt lange Zeit ihr Leben aus eigenem
vorhandenen Besitz zu fristen, oder solche, die einen
von der Kunst unabhängigen oder mit ihr doch nur in
lockerer Kühlung stehenden Beruf ausüben.
Man wird einwenden, daß die künstlerische Tätig-
keit den ganzen Mann erfordert, ein Einwand, den
zu bestreiten ich der allerletzte bin, aber wenn der
Künstler um seinen Lebensunterhalt kämpfen muß,
so werden damit schon seiner Kunst Kraftquellen ent-
zogen. wer also eine gewinnbringende Tätigkeit neben
der Kunst suchen muß, möge seine Arbeit so verteilen,
daß er an den Tagen, wo er vom Erwerbe frei ist,
Kunst treibt. Eine Einschränkung der Produktion
wird in keinem Kall schaden, falls nicht der wert der
Einzelleistung zurückgeht. Auch hier mutz das alte
Wort gelten: „weniger ist mehr!" Es entspricht
außerdem der geschichtlichen Entwicklung unserer
Kunst, denn in früheren Jahrhunderten war es ganz
selbstverständlich, daß die Künstler neben ihrer Tätig-
keit irgendeine Stellung innehatten, die ihnen den
Lebensunterhalt brachte,- es wurde ihnen oft in
Anerkennung ihres wertes eine bescheidene und ihre
Kraft nicht übermäßig beanspruchende Stellung in
staatlichen oder städtischen Diensten gewährt. Solches
wissen wir beispielsweise aus der Chronik von Frank-
furt am Main.
Kür die heutige Zeit ist daraus die Lehre zu ziehen,
daß alle die, welche von ihrer Kunst leben sollten,
sich eine Tätigkeit suchen müssen, die sie in ihrem
Herzen gern als Nebenberuf betrachten mögen, die
aber in ihren Geschäftsbüchern als Haupteinnahme-
quelle auftreten muß. Vie Möglichkeit hierfür ist
vorhanden:
Durch den Krieg sind zahllose Ämter und Stellun-
gen ihres Inhabers beraubt worden,- sie zu vertreten,
ist dem Zurückbleibenden häufig Gelegenheit gegeben.
Allgemeine Vorschriften und Ratschläge lassen sich da
nicht geben, das hängt von der Befähigung des ein-
zelnen ab - ich will heute nur auf ein Gebiet Hinweisen,
das geradezu Mangel an Bewerbern hat, und das
zweifellos als Nebenerwerb vielen Künstlern er-
wünscht und auch geeignet erscheinen darf: das ist die
Dekoration der Schaufenster, hier herrscht heute eine
starke Nachfrage. Die durch den Krieg gesteigerte
Kaufkraft der Arbeiterbevölkerung veranlaßt die Ge-
schäftsinhaber, den Teil der Reklame zu verstärken,
der auf diese Käufer amj meisten wirkt, nämlich das
Schaufenster. Vie berufsmäßigen Dekorateure fehlen,-
sie zu ersetzen, kann jedem einigermaßen gewandten
Menschen möglich sein. Die Dekorateure rekrutieren
sich tatsächlich aus allen Bevölkerungskreisen. Sie
hatten früher alles irgendeinen andern Beruf. Dem
Künstler wird eine solche Tätigkeit durch seinen vor-
gebildeten Geschmack einerseits erleichtert, andrer-

seits erschwert, denn: obgleich ein Schaufenster, das
geschmackvoll hergerichtet ist, stärker wirkt als ein
geschmackloses, so muß doch an die praktischen Zwecke
der Schaustellung eine Menge Konzessionen gemacht
werden, die dem Gewissen des Künstlers nicht leicht
fallen. Auch sind eine Reihe von Handgriffen und
elementaren Fertigkeiten zu erlernen, die Vorbe-
dingung sind. Es gibt eine Anzahl Schulen für diese
Zwecke, doch muß man vor ihrem Besuch im allge-
meinen warnen. Nur wenige halten, was sie ver-
sprechen, und deshalb bedarf es sehr der Vorprüfung.
Auch entspricht das zu zahlende Lehrgeld nicht immer
den Erfolgen,- man wird deshalb gut tun, darüber mit
der Schule zu akkordieren, etwa in der Art, daß man
einen Mindestpreis bezahlt und sich bereit erklärt,
bis zur Erreichung einer bestimmten Lumme von
allen Löhnen, die man durch Vermittlung der Schule
nachher verdient, an diese einen Prozentsatz abzuführen,
Oer geschickte und fleißige Schaufensterdekorateur kann
täglich zwischen 10 und 50 Mark verdienen. Der Beruf
hat den Vorteil, daß er nicht notwendig ein dauerndes
Anstellungsverhältnis bedingt und jederzeit Unter-
brechungen ohne Schaden erleben kann, falls eine
anderweitige gewinnbringende Tätigkeit sich an seine
Stelle setzen läßt.
Die vor nicht langer Zeit geäußerten Wünsche und
Hoffnungen, die Dekoration des Schaufensters als
eine rein künstlerische Tätigkeit den Berufskünstlern
zu vermitteln, hat sich als trügerisch erwiesen. Tat-
sächlich ist die Schaufensterdekoration eine mehr kauf-
männische Tätigkeit und kann für den Künstler nur als
Notbehelf, aber immerhin als schmackhafter Neben-
beruf gelten.
uncl Moklläligkeil*).
Es gibt wohl keinen ausübenden Künstler, möge er
nun darstellen, schreiben oder tönen, dem nicht mehr
oder weniger häufig das Ansinnen gestellt wird,
mit seiner Kunst in den Dienst der öffentlichen oder
privaten Wohltätigkeit zu treten.
Durch solche Wohltätigkeit erweckt man zu gern den
Gedanken, man brauche Kunst nicht zu bezahlen, son-
dern könne sie geschenkt erhalten. Nur ein Beispiel für
viele. Da wurde ein Ferienheim für Arbeiterkinder,
eine Stiftung des Kaisers, geschaffen,- ein schöner, edler
Gedanke, der hoffentlich Nachfolger findet. Und schon
ging durch die presse von irgend woher der Wunsch,
Künstler mögen sich mit Spenden für dies heim be-
teiligen. wieso eigentlich? Wie kommen Maler und
Bildhauer dazu, Arbeiterkindern das Leben zu ver-
schönen mit ihrer Hände Arbeit, die für sie Geld be-
deutet oder doch bedeuten sollte? wie viel näher läge
es, einige Großkapitalisten zu veranlassen, eine viel-
stellige Zahl zu stiften, von der dann Kunstwerke an-
geschafft werden können. Man vergißt immer, daß viele
der bildenden Künstler, der Schriftsteller, die ideale,

*) vergl. die Notiz unter „Karlsruhe".
 
Annotationen