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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 14.1914/​1915

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Heft 33
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Nichtamtlicher Teil
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Reinold, Ferdinand: Auf dem Feldmarsche durch Galizien: Soldatenbrief eines Malers
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Städtische Kunstpflege
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Ganske, Willy: Franz Hoffmann-Fallersleben: zu seinem 60. Geburtstag am 19. Mai
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https://doi.org/10.11588/diglit.55564#0399

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XIV, Heft 33.

Die Werkstatt der Kunst.

391

heute scheinen wir wieder so einen Marsch vor
uns zu haben. Es ist schon längst dunkel geworden
und wir gehen immer weiter und weiter vor. Gegen
Abend hat sich der Himmel umwölkt, und ein feiner
Regen hat mit Eintritt der Dunkelheit begonnen.
Es wirkt alles grotesk, unheimlich und unwirklich.
Rings am Horizont der Feuerschein brennender Ort-
schaften. Zum Kanonendonner hat sich nun auch das
Knattern der Maschinengewehre gesellt, auch Zn-
fanteriefeuer wird deutlich hörbar. Gestalten ver-
sprengter verwundeter huschen vorüber, die wohl
von der Feuerlinie kommen mögen, wiederge-
schlossene Reihen ziehen stumm vorwärts. Also heute
wieder ein Freilager auf der Straße. Zn aller Eile
wird nun gegessen, der Regen wird heftiger, ein wind
erhebt sich und zaust an den alten Pappelbäumen der
Straße. Alles mutz sich still verhalten, kein Lagerfeuer
darf angezündet werden. Da kommt noch ein ver-
sprengter zu uns — sofort wird er umringt und aus-
gefragt, was vorn los ist. Ein Flüstern ist Frage und
Antwort. Za er mag mehr erzählen, als ich bis
jetzt konnte, doch klingt sein Bericht unwahrscheinlich,

verworren und zerfahren, und ich kann ihn nicht wieder-
geben.
Der Regen wird immer ärger, man verkriecht sich
irgendwo, wo man kann, auch ist es empfindlich kalt.
Schlafe du wohl in deinem warmen Bett. Glücklicher!
Du weitzt ja gar nicht, wie wohl so ein Bett tut.
Za, dies ist ja unser Trost, datz wir dann später alles
doppelt wohler fühlen. —
Der Regen hat nachgelassen, irgendwo verkündet
ein herrenloser Hahn den nahenden Morgen, und
siegreich bricht die Sonne hervor und verspricht einen
herrlichen Tag. Alles Unheimliche der Nacht ist dahin.
Vas Gewehrfeuer ist nicht mehr vernehmbar, nur
hin und wieder, wie bei einem sich verziehenden Ge-
witter, grollt der Geschützdonner nach. Oie Russen
sind geschlagen und haben sich zurückgezogen,
heil uns.
Und wie alles versöhnend und verklärend, be-
ginnen die Vögel ihren Morgengesang, so lustig,
so fröhlich wie immer und sprechen die wahre, richtige
Sprache der Natur — am Kriegsschauplatz.
Ferdinand Reinold.

Släclliscke klunstpflege.

Auf eine Umfrage bei den größeren Städten
bezüglich der Arbeit, die jetzt für bildende Künstler
durch die verschiedenen Bauämter zur Verfügung
gestellt werden kann, sind wenige und nicht sehr
hoffnungsreiche Antworten eingegangen.
Bei der Stadt Berlin kommen bei den in Aus-
führung begriffenen städtischen hochbauten nur
geringfügige künstlerische Arbeiten in Frage. Für
die Zukunft läßt sich noch nichts sagen. Aehnlich
äußert sich Lharlottenburg. Wilmersdorf
plant für die Bauten des Zahres 1915/16 künstle-
rischen Wandschmuck überhaupt nicht. Einzig in
Schöneberg sind beim Neubau des Rathauses
künstlerische Arbeiten vorgesehen, die auch bereits
vergeben sind, weitere Neubauten, bei denen
Werke der bildenden Kunst vorgesehen sind, fehlen.
Hannover baut während des Krieges nicht.
Leipzig verhält sich ebenfalls in Bezug auf die
Werke der bildenden Kunst ablehnend. Zn Ham-
burg sind zurzeit 15 verschiedene Künstler
mit Bildhauerarbeiten, 2 Künstler mit Entwürfen

für Glasfenster beschäftigt und 7 Maler schaffen
Wandgemälde, wozu die Mittel aus Stiftungen
stammen. Hamburg beschäftigt nur Hamburger
Künstler. Dasselbe will München tun, falls über-
haupt bei städtischen Neubauten Werke der bilden-
den Kunst angebracht werden. Eine Anzahl an-
derer Städte, an die eine gleiche Anfrage gerichtet
wurde, haben nicht geantwortet.
Demnach sind die Aussichten, an städtischen
Lauten künstlerische Aufträge zu erhalten, jetzt gleich
Null. Doch ist zu hoffen, datz nach dem Beispiel
der Stadt Schöneberg die Stadtleitungen größere
Mittel zur Förderung der Kunst zur Verfügung
stellen. Zu bedauern ist lediglich dabei, datz auch
hier wieder die unbedingte Verpflichtung der Be-
hörden, die Kunst zu fördern, durch den Zwang
einer Notlage der bildenden Künstler ersetzt scheint
und daß als ein Wohltätigkeitsunternehmen auf-
tritt, was von dem selbstverständlichen Standpunkt
der Kunstpflege aus eingeleitet werden mutz, die
den Pfleger ehrt und den Künstler nährt, v. B.

franz jHoffniann-fatlersleben
zu seinem 60. Geburtstag am 19. Mai.
von G. Koldemanz.

Der in Steglitz bei Berlin schaffende Landschafts-
maler Franz Hoffmann-Fallersleben, der am 19. Mai
sein 60. Lebensjahr vollendet, ist ein Sohn Heinrich
Hoffmanns von Fallersleben, dessen 1841 entstan-
denes Lied der Deutschen „Deutschland, Deutschland
über alles" in unserer schweren Kriegszeit beson-
ders starken Widerhall gefunden hat. von der
Dichterseele des Vaters ist ein starker Nachklang in

den Gemälden des Sohnes zu verspüren, der als
Nachfolger der deutschen Landschaftsromantiker zahl-
reiche Werke von tiefempfundener Balladenstimmung
geschaffen hat. 1855 in Weimar geboren, kam er
fünfjährig nach Lorwer,, wo sein Vater seit 1860
als Bibliothekar des Herzogs von Ratibor wirkte.
Diese zweite Heimat Westfalen, in der er seine
Jugendzeit verlebte, hat ihm viele künstlerische
 
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