Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 14.1914/1915
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Heft 6
DOI article:Redaktioneller Teil
DOI article:Vermischter Nachrichtenteil
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66 Die Werkstatt der Kunst. XIV, Heft 6.
Diesem Einspruch stimmte auch der Württemberger
Maler Eberhard Ege zu, während Professor Piacentini und
Graf Gnoli dagegen stimmten.
Dieser internationale Künstlerverein hätte besser getan,
ehe er seinen papierenen Protest losließ, sich über den
Sachverhalt zu unterrichten, er wäre sonst nicht auf die
französischen Lügen von der „Zerstörung" der Kathedrale
von Reims hereingefallen. Wenn der internationale Künst-
lerverein in Rom aber unbedingt protestieren wollte, so
hätte er seinen Protest an die französische Heeresleitung
richten sollen, die das herrliche Kunstwerk militärisch miß-
brauchte. Die deutsche Nation verbittet es sich jedenfalls,
von dieser die Geschäfte Frankreichs besorgenden Gesellschaft,
zu der sich leider auch ein Württemberger — man weiß
nicht aus welchen Motiven heraus — gesellte, Belehrungen
über Achtung vor Kunstwerken entgegenzunehmen. In
keinem anderen Lande ist die Achtung vor Kunstwerken
größer, als gerade in Deutschland.
Tertungssekau
Im „Hamburger Fremdenblatt" lesen wir:
Die Reimser Kathedrale.
In dem Streit um die Beschießung der Reimser Ka-
thedrale haben sich auch Künstler neutraler Staaten, unter
ihnen zum Schmerze deutscher Kunstfreunde auch der
Schweizer Maler Ferdinand Hodler, dazu hinreißen lassen,
von deutscher Barbarei zu sprechen. In erfreulichem
Gegensatz dazu steht die Aeußerung eines bekannten hol-
ländischen Malers in Amsterdam, die sich durch würde
und Sachlichkeit auszeichnet. Diese Aeußerung, die vom
H. Oktober datiert ist, lautet:
„Ich habe sie nie gesehen, die Reimser Kathedrale,
und ich kenne sie nur aus Abbildungen. Jedoch, wenn
von Reims oder Lhartres die Rede war, mußte ich immer
denken an das Höchste in der gotischen Architektur, an eine
Steigerung noch des Eindrucks, den die Pariser Notre-
Dame-Kirche gewährt, wenn die französische Militärbe-
hörde und die französischen Strategen in neuerer Zeit, wo
man die verheerende Wirkung der modernen Artillerie zur
Genüge kannte, Reims zu einer Festung gemacht haben,
so zeigt dies wieder, daß militärische Wissenschaft und
Aesthetik nichts miteinander zu schaffen haben. Bei der
Wahl einer Verteidigungslinie ist die Erhaltung selbst der
größten Kunstwerke Nebensache und fast immer außer Be-
tracht geblieben. So war es zu allen Zeiten und in allen
Ländern.
Die Befestigung von Reims schloß die Möglichkeit
einer Vernichtung der Reimser Kathedrale in sich, ein.
Deshalb war die ganze gesittete Welt auf den Verlauf der
Beschießung gespannt, mit reizbaren Nerven, und nicht
imstande, den kommenden Ereignissen objektiv entgegenzu-
gehen.
Daß Künstler, impulsiv wie sie sind, sich in ihrem
Urteil übereilten, ist begreiflich; unter den obwaltenden
Umständen war das aber jedenfalls unpraktisch. Die
Heftigkeit, womit poincare und Delcasse Protest erhoben
haben, bevor sie sich über den wirklichen Tatbestand unter-
richtet halten, deutet leider allzusehr auf eine Ueberreiztheit,
die bei einer Regierung nicht vorkommen sollte.
Die prachtvolle Kathedrale mit den unersetzbaren
Fenstern hat sowohl nach den deutschen als französischen
Berichten stark gelitten. Ob bei diesen höchst bedauerlichen
Ereignissen große Raschheit des Handelns mitgesprochen
hat, kann dahingestellt bleiben. Im Kriege heißt es aber,
schnell handeln.
Die Gründe, die zur Beschießung den Anlaß gaben
und die vom deutschen Generalstabe amtlich mitgeteilt
wurden, brauche ich ihrer Bekanntheit wegen nicht zu
wiederholen. Es bleibt nur ein starkes Bedauern über
vernichtete Schönheit übrig. Dieser Verlust ist aber nur
ein Detail des Krieges und fällt als seine Folge zurück
auf die, die diesen schrecklichen Weltbrand entfachten.
In Deutschland wird man sicherlich wert darauf legen,
aus dem Auslande eine warme Stimme zu hören und zu
verbreiten. Und da möchte ich dieses sagen: Die Zerstörung
einiger Teile der Reimser Kathedrale gehört zum Kriege,
und im Kriege geht es ums Leben. Das alte Deutschland
aber soll man dabei unangefochten lassen. Jede Be-
schimpfung fällt hier auf den Schimpfenden zurück. Denn
höher noch als ein Kunstwerk steht das deutsche Volk, aus
dem mehr große Männer hervorgegangen sind, als mein
Papier zu nennen Platz hat. wollte ich an Deutschland
zweifeln, so hieße das, an mir selber zweifeln. Aus allen
Briefen, die mir zugingen, lerne ich, daß das deutsche
Volk an ethischen Gedanken nichts eingebüßt hat, jedoch
um eine große Idee bereichert worden ist. wer die
Deutschen nach Reims auf einmal Barbaren nennt, macht
sich im Grunde nur lächerlich, denn er ist doppelt geblendet:
einmal von seiner Liebe zum Schönen, zum andern von
seinem Haß.
Die verschiedenen Briefe aus Deutschland, die ich in
diesen Tagen empfing, zeigen, daß trotz der Anforderungen,
die der Ernst dieser ungeheuren Zeit an die Nerven des
deutschen Volkes stellt, Deutsche doch noch die Kraft und
die Größe der Gesinnung haben, öffentlich ihr Bedauern
über die Beschädigung der Reimser Kathedrale zu äußern.
Auch sie empfinden tiefsten Schmerz. Wir wissen es ja
alle: Nur der Krieg ist ein barbarisches Mittel. Der
höhere Mensch aber, der hilfreiche und gute, der edle Mensch
Goethes, bleibe von jeder Beschimpfung verschont.
Aber um zurückzukehren zur Reimser Kathedrale:
Nach dem Kriege wird dieses Kleinod sicherlich restauriert
werden. Und wahrscheinlich wird dieses Zeugnis des
Mittelalters dann so genau in das Licht neuester Forschung
gerückt werden, daß sich auch die Franzosen einmal über
die ganze Bedeutung des sogenannten „Peter und Paulus-
Meisters" als Bahnbrechers des Naturstudiums in der
französischen Bildhauerkunst klar werden. In Deutschland
ist schon vor dem Kriege über ihn geschrieben worden.
Wilhelm vöge, in Band Hy der „Zeitschrift für Bildende
Kunst", beendet seinen auch diesen Meister behandelnden
Aufsatz mit den Worten:
„G, daß man sie verderben läßt in Nässe und Wind,
die köstlichen Zeugen von Frankreichs Kunstgeschichte."
Vermischter Dachrichtenteil.
Geplante Ausstellungen ———
Berlin, ar. Bildnisausstellung der Berliner
Künstlerinnen.) Der Verein der Künstlerinnen zu
Berlin beabsichtigt, seiner Weihnachtsausstellung in seinem
Hause am Schöneberger Ufer 38 Ende November eine
Bildnisausstellung anzugliedern. Ausnahmsweise sollen
nicht nur Originale nach dem Leben, sondern auch Bild-
nisse in künstlerischer Ausführung, nach Photographien
gemalt, ausgestellt werden, um den Besuchern Gelegenheit
zu bieten, sich von den Leistungen der Künstlerinnen auf
diesem Gebiete zu überzeugen und Anregung zu Aufträgen
zu geben. In dieser ernsten Zeit dürfte das künstlerische
Porträt eines im Felde stehenden oder für das Vaterland
Gefallenen eine würdige Weihnachtsgabe sein. Für den
Beginn der Ausstellung ist der 2y. November in Aussicht
genommen.
Diesem Einspruch stimmte auch der Württemberger
Maler Eberhard Ege zu, während Professor Piacentini und
Graf Gnoli dagegen stimmten.
Dieser internationale Künstlerverein hätte besser getan,
ehe er seinen papierenen Protest losließ, sich über den
Sachverhalt zu unterrichten, er wäre sonst nicht auf die
französischen Lügen von der „Zerstörung" der Kathedrale
von Reims hereingefallen. Wenn der internationale Künst-
lerverein in Rom aber unbedingt protestieren wollte, so
hätte er seinen Protest an die französische Heeresleitung
richten sollen, die das herrliche Kunstwerk militärisch miß-
brauchte. Die deutsche Nation verbittet es sich jedenfalls,
von dieser die Geschäfte Frankreichs besorgenden Gesellschaft,
zu der sich leider auch ein Württemberger — man weiß
nicht aus welchen Motiven heraus — gesellte, Belehrungen
über Achtung vor Kunstwerken entgegenzunehmen. In
keinem anderen Lande ist die Achtung vor Kunstwerken
größer, als gerade in Deutschland.
Tertungssekau
Im „Hamburger Fremdenblatt" lesen wir:
Die Reimser Kathedrale.
In dem Streit um die Beschießung der Reimser Ka-
thedrale haben sich auch Künstler neutraler Staaten, unter
ihnen zum Schmerze deutscher Kunstfreunde auch der
Schweizer Maler Ferdinand Hodler, dazu hinreißen lassen,
von deutscher Barbarei zu sprechen. In erfreulichem
Gegensatz dazu steht die Aeußerung eines bekannten hol-
ländischen Malers in Amsterdam, die sich durch würde
und Sachlichkeit auszeichnet. Diese Aeußerung, die vom
H. Oktober datiert ist, lautet:
„Ich habe sie nie gesehen, die Reimser Kathedrale,
und ich kenne sie nur aus Abbildungen. Jedoch, wenn
von Reims oder Lhartres die Rede war, mußte ich immer
denken an das Höchste in der gotischen Architektur, an eine
Steigerung noch des Eindrucks, den die Pariser Notre-
Dame-Kirche gewährt, wenn die französische Militärbe-
hörde und die französischen Strategen in neuerer Zeit, wo
man die verheerende Wirkung der modernen Artillerie zur
Genüge kannte, Reims zu einer Festung gemacht haben,
so zeigt dies wieder, daß militärische Wissenschaft und
Aesthetik nichts miteinander zu schaffen haben. Bei der
Wahl einer Verteidigungslinie ist die Erhaltung selbst der
größten Kunstwerke Nebensache und fast immer außer Be-
tracht geblieben. So war es zu allen Zeiten und in allen
Ländern.
Die Befestigung von Reims schloß die Möglichkeit
einer Vernichtung der Reimser Kathedrale in sich, ein.
Deshalb war die ganze gesittete Welt auf den Verlauf der
Beschießung gespannt, mit reizbaren Nerven, und nicht
imstande, den kommenden Ereignissen objektiv entgegenzu-
gehen.
Daß Künstler, impulsiv wie sie sind, sich in ihrem
Urteil übereilten, ist begreiflich; unter den obwaltenden
Umständen war das aber jedenfalls unpraktisch. Die
Heftigkeit, womit poincare und Delcasse Protest erhoben
haben, bevor sie sich über den wirklichen Tatbestand unter-
richtet halten, deutet leider allzusehr auf eine Ueberreiztheit,
die bei einer Regierung nicht vorkommen sollte.
Die prachtvolle Kathedrale mit den unersetzbaren
Fenstern hat sowohl nach den deutschen als französischen
Berichten stark gelitten. Ob bei diesen höchst bedauerlichen
Ereignissen große Raschheit des Handelns mitgesprochen
hat, kann dahingestellt bleiben. Im Kriege heißt es aber,
schnell handeln.
Die Gründe, die zur Beschießung den Anlaß gaben
und die vom deutschen Generalstabe amtlich mitgeteilt
wurden, brauche ich ihrer Bekanntheit wegen nicht zu
wiederholen. Es bleibt nur ein starkes Bedauern über
vernichtete Schönheit übrig. Dieser Verlust ist aber nur
ein Detail des Krieges und fällt als seine Folge zurück
auf die, die diesen schrecklichen Weltbrand entfachten.
In Deutschland wird man sicherlich wert darauf legen,
aus dem Auslande eine warme Stimme zu hören und zu
verbreiten. Und da möchte ich dieses sagen: Die Zerstörung
einiger Teile der Reimser Kathedrale gehört zum Kriege,
und im Kriege geht es ums Leben. Das alte Deutschland
aber soll man dabei unangefochten lassen. Jede Be-
schimpfung fällt hier auf den Schimpfenden zurück. Denn
höher noch als ein Kunstwerk steht das deutsche Volk, aus
dem mehr große Männer hervorgegangen sind, als mein
Papier zu nennen Platz hat. wollte ich an Deutschland
zweifeln, so hieße das, an mir selber zweifeln. Aus allen
Briefen, die mir zugingen, lerne ich, daß das deutsche
Volk an ethischen Gedanken nichts eingebüßt hat, jedoch
um eine große Idee bereichert worden ist. wer die
Deutschen nach Reims auf einmal Barbaren nennt, macht
sich im Grunde nur lächerlich, denn er ist doppelt geblendet:
einmal von seiner Liebe zum Schönen, zum andern von
seinem Haß.
Die verschiedenen Briefe aus Deutschland, die ich in
diesen Tagen empfing, zeigen, daß trotz der Anforderungen,
die der Ernst dieser ungeheuren Zeit an die Nerven des
deutschen Volkes stellt, Deutsche doch noch die Kraft und
die Größe der Gesinnung haben, öffentlich ihr Bedauern
über die Beschädigung der Reimser Kathedrale zu äußern.
Auch sie empfinden tiefsten Schmerz. Wir wissen es ja
alle: Nur der Krieg ist ein barbarisches Mittel. Der
höhere Mensch aber, der hilfreiche und gute, der edle Mensch
Goethes, bleibe von jeder Beschimpfung verschont.
Aber um zurückzukehren zur Reimser Kathedrale:
Nach dem Kriege wird dieses Kleinod sicherlich restauriert
werden. Und wahrscheinlich wird dieses Zeugnis des
Mittelalters dann so genau in das Licht neuester Forschung
gerückt werden, daß sich auch die Franzosen einmal über
die ganze Bedeutung des sogenannten „Peter und Paulus-
Meisters" als Bahnbrechers des Naturstudiums in der
französischen Bildhauerkunst klar werden. In Deutschland
ist schon vor dem Kriege über ihn geschrieben worden.
Wilhelm vöge, in Band Hy der „Zeitschrift für Bildende
Kunst", beendet seinen auch diesen Meister behandelnden
Aufsatz mit den Worten:
„G, daß man sie verderben läßt in Nässe und Wind,
die köstlichen Zeugen von Frankreichs Kunstgeschichte."
Vermischter Dachrichtenteil.
Geplante Ausstellungen ———
Berlin, ar. Bildnisausstellung der Berliner
Künstlerinnen.) Der Verein der Künstlerinnen zu
Berlin beabsichtigt, seiner Weihnachtsausstellung in seinem
Hause am Schöneberger Ufer 38 Ende November eine
Bildnisausstellung anzugliedern. Ausnahmsweise sollen
nicht nur Originale nach dem Leben, sondern auch Bild-
nisse in künstlerischer Ausführung, nach Photographien
gemalt, ausgestellt werden, um den Besuchern Gelegenheit
zu bieten, sich von den Leistungen der Künstlerinnen auf
diesem Gebiete zu überzeugen und Anregung zu Aufträgen
zu geben. In dieser ernsten Zeit dürfte das künstlerische
Porträt eines im Felde stehenden oder für das Vaterland
Gefallenen eine würdige Weihnachtsgabe sein. Für den
Beginn der Ausstellung ist der 2y. November in Aussicht
genommen.