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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 14.1914/​1915

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Heft 42
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Nichtamtlicher Teil
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Waldmann, Emil: Nationale und internationale Kunstpflege
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Ganske, Willy: Adolf Friedrich Graf von Schack: zu seinem 100. Geburtstag am 2. August
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https://doi.org/10.11588/diglit.55564#0524

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516

Die Werkstatt der Kunst.

XIV, heft §2.

sich in ihren charakteristischen berühmten Werken
an deutsche Gefühlsweise, während Manet und
Renoir sich nicht nur an Franzosen wenden. Ver-
gessen wir aber andrerseits doch nicht, daß einer
unsrer Allergrößten, Leibl, nicht durch Deutschland
berühmt wurde (die Münchener hatten ihn, wie er
selbst sagt, in den Skat gelegt), sondern durch Paris,
und zwar nicht nur im Anfang seiner Laufbahn,
sondern auch später noch, auch noch sehr bald nach
dem Kriege s 870/7 s. Auch damals, als er in
Deutschland mit seinen Hauptbildern dem Unver-
ständnis und dem haß begegnete, jubelten ihm die
Franzosen zu. wenn die Franzosen einmal die
Ueberlegenheit eines Ausländers anerkennen müssen,
lassen auch sie ihren Nationalismus, ja, ihren Chau-
vinismus schweigen (der Siegeszug deutscher Musik
in Frankreich beweist es täglich aufs Neue), wenn
es jetzt letzthin in Paris anders war, als zu Leibls
Zeiten, wie soll das Wunder nehmen, da die Fran-
zosen ja nicht einmal ihre eigene große Kunst be-
griffen haben? Noch im Jahre 1900 der
Weltausstellung sagte ein französischer Minister, der
Manet-Saal sei eine Schande für Frankreich — wie
kann man angesichts solcher Blindheit erwarten,
daß dieselben Franzosen, die ihre eigenen Größen
beschimpfen, das Große andrer Völker erkennen?
Die Forderung nun, wir sollten ebenso verblendet
und kurzsichtig sein wie sie, ist absurd. Auch war
es in Frankreich im letzten Jahrzehnt ja anders,
langsam besannen sich die Franzosen auf das, was
sie versäumt haben, wenn im Ausland aus Privat-
besitz Leih ausstellungen französischer Gemälde statt-
fanden, schlugen die besseren Zeitungen in Paris
jedesmal Alarm und warfen den offiziellen Stellen
vor, daß sie untätig zusähen, wie die Meisterwerke
ihrer Malerei aus dem Lande wandern. Noch 19^
war es so in Dresden, Kopenhagen und London.
Die französischen Kunstkenner wissen es ganz genau
und sagen es laut, daß es tatsächlich die Meister-
werke sind, die Deutschland sich gesichert hat, und
nicht die Atelierreste, wie die deutschen Nationalisten
glauben machen wollen. Und endlich sind die
Deutschen ja nicht allein mit ihrer Liebe zur fran-
zösischen Kunst. Die amerikanischen Sammler und
Museen, und zwar die gebildetsten unter ihnen,
teilen diese Vorliebe. Und Rußland, ebenso Irland,
und neuerdings auch Dänemark sind in derselben

Verdammnis. — Kopenhagen hat für seine Museen
auf der Franzosenausstellung im Sommer s9sH für
300000 Franken französische Bilder gekauft.
Jenes Argument für Gegenseitigkeit, daß wir
keine Franzosen kaufen sollten, weil die Franzosen
keine Deutschen sammelten, ist also nicht stichhaltig.
Außerdem wäre es in der Praxis höchst bedenklich
und gefährlich, wenn nun die Franzosen anfangen
wollten, unsre guten Leibls, Trübners, Feuerbachs
und Menzels und Liebermanns zu sammeln (wozu
es jetzt wohl zu spät sein dürfte, weil die deutschen
Museen und Sammler rechtzeitig ihre Pflicht erkannt
und getan haben), wäre dies denn überhaupt
wünschenswert? Die Zahl deutscher Meisterwerke
ist, trotzdem sie sehr ansehnlich ist, nicht so groß,
daß wir auch nur eines missen möchten; und als
Stockholm auf der Ausstellung in Malmö Leibls
Iaisxorträt für 90000 wark erwarb, eines der
letzten Leibls, die noch zu haben waren, beklagte
mancher den Verlust für Deutschland, tröstete sich
aber doch mit dem Gedanken: welch ein Glück, daß
dies nicht vor 25 Jahren passiert ist, sondern erst
heute, erst in dem Augenblick, wo unsere besten
Kunstschätze so gut wie geborgen sind. Deutschland
ist mit seinem Nationalismus auf der einen Seite
und mit seiner Vorurteilslosigkeit in nationalen
Fragen auf der andren Seite doch noch nicht so
elend daran, wie man uns immer wieder einreden
will. Museen und Sammler haben nicht etwa das
Ausländische bevorzugt auf Kosten des Einheimischen,
sondern es ist Deutschland nichts verloren gegangen.
In den Museen zu Berlin, München, Hamburg und
Köln kann man die gute deutsche Malerei des
19- Jahrhunderts vollkommen studieren und genießen,
viel besser als etwa die französische Kunst in den
französischen Galerien. Und in vielen deutschen
Privatsammlungen kann man sich das in den Mu-
seen gewonnene Gesamtbild noch ergänzen. Deutsch-
land hat im Grunde viel nationaler gearbeitet als
andere Länder. Dies wird sicher so bleiben, und
solange liegt kein Grund zur Besorgnis vor.
wenn andererseits der Krieg die Wirkung
haben sollte, daß Deutschland dann mit dem Im-
port von französischem oder andrem Mittelgut ver-
schont wird, so werden auch die, die Daumier und
Manet in deutschen Galerien nicht missen möchten,
sehr froh sein.

Blclolf frieärick Grai von Sckack
zu seinem 100. Geburtstag am 2. August,
von G. Koldemanz.

Als der Dichter und Begründer der wertvollsten
privaten Gemäldegalerie in Deutschland, Adolf Fried-
rich Graf von Schack, nahezu achtzigjährig und völlig
erblindet am 14. August 1894 in Rom verstarb,
ging seine in dem von Lorenz Gedon erbauten
Münchener Palais untergebrachte unvergleichliche
Vildnissammlung in den Besitz des deutschen Kaisers

über, der sie großherzig in München beließ und ihr
1909 ein neues würdiges Heim in dem Anbau des
neu errichteten preußischen Gesandtschastsgebäudes
schuf. Graf Schack, dem es erst im hohen Alter ver-
gönnt war, seine Iugendsehnsucht nach Dichterruhm
erfüllt zu sehen, wurde nach seinem Tode auch in
seiner Bedeutung als Kunstmäzen arg verkannt. Ls
 
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