Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 14.1914/1915
Zitieren dieser Seite
Bitte zitieren Sie diese Seite, indem Sie folgende Adresse (URL)/folgende DOI benutzen:
https://doi.org/10.11588/diglit.55564#0525
DOI Heft:
Heft 42
DOI Artikel:Nichtamtlicher Teil
DOI Artikel:Ganske, Willy: Adolf Friedrich Graf von Schack: zu seinem 100. Geburtstag am 2. August
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.55564#0525
XIV, Heft 42.
Die Werkstatt der Kunst.
5^7
hat lange gewährt, bis man seine verdienstvolle
Förderung der besten deutschen Maler des 19. Jahr-
hunderts, die zu jener Zeit verkannt wurden und
bei den Zeitgenossen nur Ablehnung fanden, richtig
bewertet hat.
Graf Schack ist als mecklenburgischer Edelmann
am 2. August 1815 zu Schwerin geboren. Nach
Beendigung seiner juristischen Studien wandte er sich
dem diplomatischen Dienst zu und unternahm weite
Reisen nach Italien, Griechenland und Spanien, sowie
dem Grient, wo er die Stätten südlicher Kultur und
Kunst besuchte. Er war ein Mann von hoher
Geisteskultur und von unerhörter Gelehrsamkeit. Er
hat vollendete poetische Übersetzungen aus zehn fremden
Sprachen geschaffen, darunter Sanskrit, Arabisch und
persisch. Seine literarische Bedeutung liegt in diesen
formvollendeten Übertragungen fremder Dichter, wäh-
rend seinem eigenen lyrischen Schaffen ein starker
Zug von Epigonentum anhaftet. Das Viertelhundert
der von ihm hinterlassenen Bände brachte ihm nicht
früh genug den ersehnten Ruhm als Dichter. Er
fühlte sich verkannt und wurde verbittert. Nur auf
seinen Reisen fand er Ersatz, in seinem starken Emp-
finden für Natur und Kunst.
Unter dem Eindruck der italienischen Galerien
und der romanischen Renaissance kam er 1855 nach
München, wo er den Dichtern Geibel, Hertz und
Badenstedt nähertrat und durch Paul Heyse und den
Landschaftsmaler Roß Beziehungen zu jüngeren Künst-
lern anknüpfte. Die Liebe zu seinen alten Meistern
hatte ihn früher an der lebenden Künstlergeneration
vorübergehen lassen. Nun trat er diesen verkannten
Talenten näher und es entstand eine innige Fühlung
zwischen den jungen Malern und dem Kunstfreund,
der selbst eine starke Künstlerseele in sich barg. Er
unterstützte Bonaventura Genelli, der damals seit
Jahrzehnten verkannt in München lebte. Leider war
Genellis Kraft schon in langen Martejahren ver-
braucht, so daß seine auf Schacks Anregung ent-
standenen Merke nicht den Geniefunken der Entwürfe
des Künstlers enthalten. Unvergleichlich mehr hat
Schack zu jener Zeit den bereits alternden Moritz
von Schwind gefördert, von innigem Verständnis
und Mitempfinden für die in Schwinds Mappen
vergessen schlummernden Märchenentwürfe erfüllt, gab
er dem Künstler die Möglichkeit zur Ausführung, so
daß die köstlichen vierunddreißig Gemälde heute den
Schwindsaal der Schackgalerie zieren. Darunter hängen
die tiefempfundene „Heimkehr des Grafen von Gleichen",
die „Hochzeitsreise", „Rübezahl" und die „Morgen-
stunde".
Bei Böcklin, der damals bereits durch seinen
„panischen Schrecken" bekannt war, wurde Schack
1859 durch Paul Heyse eingeführt. Er war der
erste, der dem Künstler Aufträge erteilte, und durch
seine bis 1874 andauernden Bestellungen konnte
Böcklin das Dasein bestreiten, vierzehn Gemälde
erwarb Schack während dieser Jahre und für das
prächtige „Meeresidyll" bezahlte er 2500 Gulden.
Natürlich gab es während dieser Zeit auch Verstim-
mungen unter den beiden, als drei an Schack ge-
sandte Gemälde Böcklins das Mißfallen des Grafen
erregten. Dann hat der Künstler im vertrauten
Kreise seinem Unmut kräftigen Ausdruck gegeben. So
entstand die Legendenbildung, daß Böcklin und sein
Mäzen feindselig gegeneinander gesinnt seien. Schack
hat Böcklin auch später noch wiederholt in Florenz
und Zürich aufgesucht. Die zwei Fassungen der
„Villa am Meere", die „Klage des Hirten", der
„Anachoret", die „Felsengegend mit dem Drachen"
gehören zu den erlesensten Stücken der Schackgalerie.
Lenbach hat wohl unter allen in der Schackgalerie
vertretenen Künstlern dem Grafen am nächsten ge-
standen. Er kaufte des Künstlers Jugendarbeit, den
„Hirtenknaben", und nahm ihn nach Spanien mit.
Später übertrug er ihm die großen Aufträge für die
Kopien alter Meister, an denen Lenbach seine glän-
zende Technik entwickeln konnte. Das Verhältnis
zwischen Schack und Feuerbach ist mit einem Miß-
klang abgebrochen. Feuerbach hatte schon Hervor-
ragendes geleistet, als ihm Schack nahetrat, aber bis-
her nur Zurückweisungen gefunden. Trotzdem Schack
elf Arbeiten des Künstlers erwarb, fühlte sich Feuer-
bach bei den empfangenen Honoraren zurückgesetzt.
Schack zahlte ihm beispielsweise für seine „Pieta"
den für damalige Zeiten hohen Preis von 2000 Gulden,
wollte aber für das von Feuerbach geplante „Gast-
mahl des Plato" nur 4500 Gulden statt der vom
Künstler geforderten 9000 Gulden zahlen. Feuerbach
war für des Grafen Kritiken und Zurückweisungen
so empfindlich, daß Künstler und Mäzen sich für
immer entzweiten. Neben der „Pieta" hat Schack in
dem Gemälde „Laura in der Kirche zu Avignon, von
Petrarca beobachtet" ein erhebendes Merk Feuerbachs
erworben. Er vermochte Feuerbach in anderen Ar-
beiten, z. B. der „Amazonenschlacht", nicht zu folgen,
aber die Fähigkeit nachzufühlen ist bei jedem Menschen
begrenzt.
Mit Unrecht hat man dem kunstfreudigen Grafen
vorgeworfen, er habe seinen Künstlern zu geringe
Honorare gezahlt. Er hat jedenfalls dafür gesorgt,
daß eine ganze Anzahl bedeutender Künstler, die von
anderer Seite nicht gefördert wurden, sich jahrelang
mit seiner Hilfe über Wasser halten konnten, sein
feiner Kunstinstinkt hat ihn die rechten Künstler
wählen lassen. Seine Autobiographie veröffentlichte
er unter dem Titel „Lin halbes Jahrhundert Er-
innerungen und Aufzeichnungen". In dem Merk
„Meine Gemäldesammlung" hat er die Geschichte
seiner Galerie gegeben.
Die Werkstatt der Kunst.
5^7
hat lange gewährt, bis man seine verdienstvolle
Förderung der besten deutschen Maler des 19. Jahr-
hunderts, die zu jener Zeit verkannt wurden und
bei den Zeitgenossen nur Ablehnung fanden, richtig
bewertet hat.
Graf Schack ist als mecklenburgischer Edelmann
am 2. August 1815 zu Schwerin geboren. Nach
Beendigung seiner juristischen Studien wandte er sich
dem diplomatischen Dienst zu und unternahm weite
Reisen nach Italien, Griechenland und Spanien, sowie
dem Grient, wo er die Stätten südlicher Kultur und
Kunst besuchte. Er war ein Mann von hoher
Geisteskultur und von unerhörter Gelehrsamkeit. Er
hat vollendete poetische Übersetzungen aus zehn fremden
Sprachen geschaffen, darunter Sanskrit, Arabisch und
persisch. Seine literarische Bedeutung liegt in diesen
formvollendeten Übertragungen fremder Dichter, wäh-
rend seinem eigenen lyrischen Schaffen ein starker
Zug von Epigonentum anhaftet. Das Viertelhundert
der von ihm hinterlassenen Bände brachte ihm nicht
früh genug den ersehnten Ruhm als Dichter. Er
fühlte sich verkannt und wurde verbittert. Nur auf
seinen Reisen fand er Ersatz, in seinem starken Emp-
finden für Natur und Kunst.
Unter dem Eindruck der italienischen Galerien
und der romanischen Renaissance kam er 1855 nach
München, wo er den Dichtern Geibel, Hertz und
Badenstedt nähertrat und durch Paul Heyse und den
Landschaftsmaler Roß Beziehungen zu jüngeren Künst-
lern anknüpfte. Die Liebe zu seinen alten Meistern
hatte ihn früher an der lebenden Künstlergeneration
vorübergehen lassen. Nun trat er diesen verkannten
Talenten näher und es entstand eine innige Fühlung
zwischen den jungen Malern und dem Kunstfreund,
der selbst eine starke Künstlerseele in sich barg. Er
unterstützte Bonaventura Genelli, der damals seit
Jahrzehnten verkannt in München lebte. Leider war
Genellis Kraft schon in langen Martejahren ver-
braucht, so daß seine auf Schacks Anregung ent-
standenen Merke nicht den Geniefunken der Entwürfe
des Künstlers enthalten. Unvergleichlich mehr hat
Schack zu jener Zeit den bereits alternden Moritz
von Schwind gefördert, von innigem Verständnis
und Mitempfinden für die in Schwinds Mappen
vergessen schlummernden Märchenentwürfe erfüllt, gab
er dem Künstler die Möglichkeit zur Ausführung, so
daß die köstlichen vierunddreißig Gemälde heute den
Schwindsaal der Schackgalerie zieren. Darunter hängen
die tiefempfundene „Heimkehr des Grafen von Gleichen",
die „Hochzeitsreise", „Rübezahl" und die „Morgen-
stunde".
Bei Böcklin, der damals bereits durch seinen
„panischen Schrecken" bekannt war, wurde Schack
1859 durch Paul Heyse eingeführt. Er war der
erste, der dem Künstler Aufträge erteilte, und durch
seine bis 1874 andauernden Bestellungen konnte
Böcklin das Dasein bestreiten, vierzehn Gemälde
erwarb Schack während dieser Jahre und für das
prächtige „Meeresidyll" bezahlte er 2500 Gulden.
Natürlich gab es während dieser Zeit auch Verstim-
mungen unter den beiden, als drei an Schack ge-
sandte Gemälde Böcklins das Mißfallen des Grafen
erregten. Dann hat der Künstler im vertrauten
Kreise seinem Unmut kräftigen Ausdruck gegeben. So
entstand die Legendenbildung, daß Böcklin und sein
Mäzen feindselig gegeneinander gesinnt seien. Schack
hat Böcklin auch später noch wiederholt in Florenz
und Zürich aufgesucht. Die zwei Fassungen der
„Villa am Meere", die „Klage des Hirten", der
„Anachoret", die „Felsengegend mit dem Drachen"
gehören zu den erlesensten Stücken der Schackgalerie.
Lenbach hat wohl unter allen in der Schackgalerie
vertretenen Künstlern dem Grafen am nächsten ge-
standen. Er kaufte des Künstlers Jugendarbeit, den
„Hirtenknaben", und nahm ihn nach Spanien mit.
Später übertrug er ihm die großen Aufträge für die
Kopien alter Meister, an denen Lenbach seine glän-
zende Technik entwickeln konnte. Das Verhältnis
zwischen Schack und Feuerbach ist mit einem Miß-
klang abgebrochen. Feuerbach hatte schon Hervor-
ragendes geleistet, als ihm Schack nahetrat, aber bis-
her nur Zurückweisungen gefunden. Trotzdem Schack
elf Arbeiten des Künstlers erwarb, fühlte sich Feuer-
bach bei den empfangenen Honoraren zurückgesetzt.
Schack zahlte ihm beispielsweise für seine „Pieta"
den für damalige Zeiten hohen Preis von 2000 Gulden,
wollte aber für das von Feuerbach geplante „Gast-
mahl des Plato" nur 4500 Gulden statt der vom
Künstler geforderten 9000 Gulden zahlen. Feuerbach
war für des Grafen Kritiken und Zurückweisungen
so empfindlich, daß Künstler und Mäzen sich für
immer entzweiten. Neben der „Pieta" hat Schack in
dem Gemälde „Laura in der Kirche zu Avignon, von
Petrarca beobachtet" ein erhebendes Merk Feuerbachs
erworben. Er vermochte Feuerbach in anderen Ar-
beiten, z. B. der „Amazonenschlacht", nicht zu folgen,
aber die Fähigkeit nachzufühlen ist bei jedem Menschen
begrenzt.
Mit Unrecht hat man dem kunstfreudigen Grafen
vorgeworfen, er habe seinen Künstlern zu geringe
Honorare gezahlt. Er hat jedenfalls dafür gesorgt,
daß eine ganze Anzahl bedeutender Künstler, die von
anderer Seite nicht gefördert wurden, sich jahrelang
mit seiner Hilfe über Wasser halten konnten, sein
feiner Kunstinstinkt hat ihn die rechten Künstler
wählen lassen. Seine Autobiographie veröffentlichte
er unter dem Titel „Lin halbes Jahrhundert Er-
innerungen und Aufzeichnungen". In dem Merk
„Meine Gemäldesammlung" hat er die Geschichte
seiner Galerie gegeben.