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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 14.1914/​1915

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Heft 27
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Nichtamtlicher Teil
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Ernst, Paul: Deutsche Kunst
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"Deutsche Kunstvereinigung"
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https://doi.org/10.11588/diglit.55564#0320

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Die Werkstatt der Kunst.

XkV, Heft 27.

Künstler erziehen zu lassen; wo eine Erziehung durch
fremde Künstler stattfindet, da entsteht sehr oft
falsches Gefühl, eine Verwirrung der Instinkte, ein
schiefes und unklares Handeln, wir Deutschen haben
da sehr zu leiden gehabt. Damit soll nicht einem
beschränkten Nationalismus das Wort geredet werden,
der gerade in Sachen der Kunst besonders gefährlich
ist; aber von fremder Kunst dürfte nur die ganz
große, die allgemein menschlich geworden und nicht
mehr national bedingt ist, auf uns wirken, sonst ver-
wirren wir uns. Hätten wir eine National-Galerie,
hätten wir durch sie ein klares und deutliches Bild
unserer deutschen Kunst, so würden die Menschen
bei uns richtiger fühlen, manche überflüssigen seelischen
Konflikte würden fortfallen, und es wäre ein bes-
seres Verständnis für Kunst überhaupt vorhanden,
damit aber auch eine tiefere Wirkung der Kunst.
Und gerade in der heutigen Zeit, wo die Menschen
normalerweise immer weiter von der Natur entfernt
werden und nur in seltenen, kurzen Gelegenheiten,
wie etwa gegenwärtig der Krieg ist, an die Tiefen
des Menschlichen geführt werden, ist die Erziehung
durch die Kunst doppelt wichtig, damit nicht eine
zivilisierte Barbarei über die Menschheit kommt,
die schlimmer ist, wie die wilde Barbarei.
„veutscke Runslvereinigung."
Die Leser der „Werkstatt der Kunst" werden sich er-
innern, daß im Jahre 4940 der derzeitige Schriftleiter
unseres Blattes in einen Prozeß verwickelt war, der für
den angeklagten Redakteur siegreich verlief. Es handelte
sich damals um eine „Kunstvereinigung Berlin—München
—Dresden—Düffeldorf", deren Ziele in der „Werkstatt der
Kunst" als nicht mit den Interessen der Künstlerschaft
übereinstimmend gekennzeichnet waren. Die Vereinigung
erscheint jetzt wieder, und zwar unter der Bezeichnung
„Deutsche Kunstvereinigung", auf der Bildfläche, so daß
wir genötigt sind, uns mit ihr von neuem zu befassen,
wir geben aus der Ankündigung der Vereinigung den
folgenden Abschnitt wieder:
„—Infolge der riesigen Ueberproduktion an Kunstwerken
wandern die meisten Gemälde aus den Kunstausstellungen
als unverkauft in die Ateliers der Kollegen zurück, um so
mehr, als die Zahl der Käufer von Kunstwerken aus den
bemittelten Ständen, die noch die wirklichen werte bezahlen,
ganz erheblich zurückgegangen ist, und dazu kommt noch,
daß viele reiche Leute nicht eigentlich die Kunstwerke selbst,
sondern in der Hauptsache Namen kaufen. Durch die Not
gedrungen (!), fallen dann viele Kollegen in die Hände einer
gewissen Kategorie von Kunsthändlern, welche die Notlage
der Künstler erkennen und die Werke für einen Spottpreis
erstehen, sie aber für mehrere Hunderte von Mark ver-
kaufen, wobei der Künstler keineswegs auf Nachbestellungen
rechnen kann. Um nun der Kollegenschaft ein neues stetes
Absatzgebiet zu schaffen und sie vor weiterer Ausbeutung
zu schützen, haben sich verschiedene akademische Maler zu
einer „Deutschen Kunstvereinigung" zusammengeschlossen
und ermöglichen durch günstige Bedingungen dem Publi-
kum, gute Gemälde zum Schmucke ihres Heims zu erwerben.
Diese Einrichtung hat sich bisher sowohl für die beteiligten
Künstler als für die fördernden Mitglieder als sehr segens-
reich und zufriedenstellend erwiesen, denn die fördernde
Mitgliederzahl ist seit dem Bestehen der Vereinigung bis
über sooo gestiegen, wenn auch der einzelne Künstler
keine Reichtümer bei den niedrigen Preisen für die Mit-
gliedsgemälde erzielt, so ist er doch vor Not bewahrt, und

er braucht nicht demütig wie ein Hausierer von Kunst-
händler zu Kunsthändler zu laufen, um seine Bilder bittend
anzupreisen —."
Unterzeichnet ist der Aufruf: „Die Künstlerschaft der
Deutschen Kunstvereinigung".
Mit dieser Auslassung hat die Vereinigung unseren
vollen Beifall. Leider aber muß festgestellt werden, daß
es sich bei der vorliegenden Kunstvereinigung in keiner
weise um eine Vereinigung in dem allgemein üblichen
Sinne handelt, sondern tatsächlich um eine Form des Kunst-
handels, wie sie sich auch bei anderen Vereinigungen zeigt,
eine Form, die außerordentlich erfolgreich für den unter-
nehmenden Kunsthändler ist, in diesem Falle also den Leiter
der Vereinigung, der seinen Namen verschweigt, wir
wollen der „Deutschen Kunstvereinignng" nicht das Geschäft
verderben, denn jeder Kunsthändler hat das Recht zu leben.
Immerhin müssen wir an das erneute Auftauchen dieses
kunsthändlerischen Unternehmens einige Worte knüpfen,
denn dieser Kunsthändler erreicht, wie sich aus dem da-
maligen Prozeß ergab, etwas, was ein anderer Kunst-
händler wohl bisher nicht fertiggebracht hat: die von ihm
vermittelten Maler waren und sind vermutlich noch mit
seiner Tätigkeit zufrieden. Er hat den für ihn arbeitenden
Malern — ich vermeide das Wort Künstler — ermöglicht,
nur im Auftrage zu schaffen, und er hat dabei einen nicht
sehr erheblichen Linzeleigenverdienst gehabt, so daß es ihm
gelungen ist, sowohl Lieferanten wie Käufer zu befriedigen.
Er hat also, wenn man von dem künstlerischen wert und
dem Preise zunächst abfieht, das erreicht, was das Ideal
für einen Künstler sein muß: regelmäßigen Verdienst und
einen an dem Verdienst nicht über Gebühr beteiligten
Vermittler. Das ist bekanntlich nicht das Uebliche im
deutschen Kunsthandel.
wir bedürfen, wenn er die Kunst fördern soll, einer
vollkommenen Reorganisation des Kunsthandels, und hierzu
ist, so paradox das klingen mag, der von der „Deutschen
Kunstvereinigung" eingeschlagene weg der prinzipiell rich-
tige, natürlich mit entsprechenden Aenderungen.
Der Präsident*) leitete damals seine Vereinigung ganz
selbständig. Er frag keins der Mitglieder um Rat, er legte
keine Rechenschaft ab, und die Mitglieder waren damit
zufrieden, denn sie hatten ihre regelmäßige Arbeit und
Bezahlung (ich lasse noch immer dahingestellt, welcher Art
die war). Auch das ist ein durchaus richtiger Standpunkt.
Der Künstler ist nicht die geeignete Persönlichkeit, sozial
zu arbeiten. Er verquickt unrettbar reine Kunstfragen und
Brotfragen.
Line Vereinigung von Künstlern wirtschaftlicher Natur
muß von Nichtkünstlern geleitet werden, und zwar von
kaufmännisch gebildeten Leuten, welche in geschäftsüblicher
weise für ihre Tätigkeit entlohnt werden mit Honorar
und Tantiemen.
In einer solchen Vereinigung muß darauf hingearbeitet
werden, daß sich der einzelne Künstler kein umfangreiches
Lager an toten werten anlegt, also in erster Linie im
Auftrag schafft. Ls muß weiter versucht werden, die vom
Künstler zu fordernden Preise mit den vom Publikum an-
gebotenen in Einklang zu bringen. Das gelang dem
„Präsidenten" früher und wird ihm auch noch gelingen.
Er bezahlt einen Einheitspreis mit geringen Schwankungen
und verlangt von den Käufern ebenfalls einen Einheits-
preis, der sich in den Grenzen hält, die deren Ausgabe-
bedürfnis entspricht.
In der Preisnormierung allerdings sitzt der Haken:
Der Käufer zahlt 25 Mk., der Maler erhielt damals je
nach der Größe des Bildes 8—Mk. und hatte obendrein
noch die Herstellungskosten zu tragen.
Ls soll hier nicht behauptet werden, daß diese Preise
für die gebotenen Leistungen zu gering waren. Der sach-
verständige Kunsthändler erklärte damals, daß auf Bilder-
*) wir erfahren aus den Drucksachen des Vereins, daß
ein solcher existiert. Seine Geschäftsführung kennen wir
aus dem genannten Prozeß.
 
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