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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 14.1914/​1915

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Heft 30
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Nichtamtlicher Teil
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Ganske, Willy: Hans Olde: zu seinem Geburtstag
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https://doi.org/10.11588/diglit.55564#0359

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XIV, Heft 30.

Die Werkstatt der Kunst.

35^

Paris, wo er auf der Akademie Julian den Impressionis-
mus und Pointillismus studierte und auch die Grundlagen
seiner späteren Freilichtporträts fand. Dann lebte der
Künstler wieder längere Zeit in der Heimat und auf Gut
Seekamp, das er nur verließ, wenn es ihn auf ein paar
Monate nach München, Berlin, Paris, Hamburg oder
Bremen zog. von ty02 bis wirkte Olde dann in
Weimar als Direktor der GroßherZoglich Sächsischen Kunst-
schule und zeigte dabei sein großes Organisationstalent,
indem er die Anstalt zu einer starken Vielseitigkeit brachte
und treffliche Lehrtalente für Graphik und Bildhauerkunst
heranzog. Als Maler hat ihn sein urkräftiges nieder-
deutsches Temperament davor bewahrt, die pariser Ein-
flüsse zu stark in sich werden zu lassen. Seine Tierstücke,
im hellsten Lichte seiner holsteinischen Heimat gemalt,
machten ihn schnell bekannt. In der Kieler Kunsthalle
hingen seine „Kühe", in der Dresdener Galerie der „Stier"
und im Museum zu Weimar die „Ernte". Niederdeutsche
Felder mit gelbem wogenden Korn hat er gemalt. Und
das aus der Sammlung Felix Königs in die Berliner
Nationalgalerie gelangte Bild „Wintersonne" (t8y2) zeigte
ihn als Schneemaler. Er ist ein Meister des landschaft-
lichen Stimmungsbildes. Die beiden Freilichtbildnisse des
Dichters Klaus Groth schmücken die Kunsthallen irr Bremen
und Hamburg, viel Aufsehen machte das große Bild der
Schriftstellerin Adelheid von Schorn im grünen Seidenkleid
auf der Straße; auch die Dichter Gustav Falke und Lilien-
cron hat Olde gemalt, ebenso das Familienbild: die um
Sie Mutter spielenden Kinder. Als Graphiker hat er mit
den Radierungen des Philosophen Friedrich Nietzsche eine
tief vergeistigte Physiognomie gegeben. Das Blatt erschien
zuerst in der Kunstzeitschrift „Pan", wo auch Klaus Groths
ausdrucksvolle Züge Aufnahme fanden. Dann seien die
Blätter des Admirals von Kollmann, des Dichters Laesar
Flaischlen, das geschabte Hüftbild des Philosophen Lucken
im Armstuhl, die Halbfigur des Anatomen His hervor-
gehoben. von Elise Koenigs schuf er ein halblebensgroßes
Brustbild und von der Schriftstellerin Elise Averdieck eine
Originallithographie in weißer Haube.
Hans Olde hat alle künstlerischen Neuerlebnifse der
letzten Jahrzehnte klug in seiner holsteinischen Bodenstän-
digkeit verarbeitet und ist dabei ein Eigenes geblieben.
Ehrungen hat ihm seine Kunst gar manche gebracht. In
Paris eine silberne Medaille, in Düsseldorf die goldene,
die Weimarer Hochschule für bildende Kunst hat ihn zum
Ehrenmitglied ernannt.
Amlckau.
Der Maler Erwin Lang in Sibirien.
Der Maler Erwin Lang befindet sich, wie man jetzt
bestimmt weiß, in russischer Gefangenschaft in Sibirien.
Lang — der Mann der Tänzerin Grethe Wiesenthal —
stand als Reserveleutnant bei den Kaiserjägern im Feld.
Das Regiment war mit der Armee Auffenberg vom 27.
August bis zum 3. September unter beständig siegreichen
Kämpfen in Rußland vorgedrungen. Am 4. sollte ein
Rasttag sein. Da kam der Befehl, zurückzugehen, weil
neue übermächtige feindliche Truppenmaffen im Anmarsch
wären. So ging das Regiment, das die äußerste rechte
Flanke des x. Korps zu decken hatte, unter beständigen
Gegenstößen gegen den nachfolgenden Feind zurück. Am
6. dauerten die Gefechte bis Mitternacht, mehrere Geschütze
wurden dabei erbeutet und viele Russen, darunter höhere
Offiziere, zu Gefangenen gemacht. In diesen erfolgreichen
Rückzugsgefechten scheint das eine Bataillon des Regiments,
bei dem sich der ganze Stab befand, zu weit gegen den
Feind vorgedrängt und die. Rückzugsstgnale überhört zu
haben. Die ganze Nacht vom 6. zum 7. September lagen
die Jäger in einem sumpfigen Wald. Als sie in der
Morgendämmerung um 3 Uhr früh, des Sumpfgeländes
wegen, in einer Schlangenlinie zurückmarschierten, wurden

sie plötzlich in einer Mulde von allen Seiten überfallen.
Russische Regimenter waren während der Nacht rechts und
links von dem Wald vorgerückt und beschoffen das in der
Talsohle stehende Bataillon auf 500 Schritt Entfernung
aus Geschützen, Gewehren und Maschinengewehren. Lin
Zugführer wurde von einem erbeuteten Kosakenpferd durch
eine explodierende Granate heruntergeschleudert und blieb
einen Augenblick bewußtlos liegen. Als er wieder zu sich
kam, sah er einen wüsten Knäuel im Handgemenge: die
Vesterreicher und von allen Seiten auf sie losstürmende
Ruffen. Es gelang ihm irgendwie, sich ins Dickicht zu
wälzen und später zu entfliehen. Nach dreizehntägiger Irr-
fahrt kam er wieder zur kaiserlichen Armee zurück und er-
fuhr, daß das kämpfende Bataillon schon zu weit abgetrennt
war, als daß man ihm hätte zu Hilfe kommen können.
Der Zugführer lag dann in Wien im Lazarett, der
Einzige, der von dem Bataillon zurückgekehrt ist. Dort such-
ten ihn Frau Wiesenthal und die Mutter des Künstlers,
die inzwischen auf Umwegen erfahren hatten, daß er in
russischer Gefangenschaft war, auf und hörten, was sich zu-
getragen hatte. Hätten sie nicht unmittelbar vorher jene
Nachricht bekommen, sie hätten ihn für verloren halten
müssen. Seither ist ein Brief des Künstlers selbst aus einer
Stadt im sibirischen Gouvernement Tobolsk eingetroffen,
der die Erzählung des Zugführers bestätigte. Die letz-
ten Ueberlebenden waren entwaffnet worden, nur drei
Offiziere waren noch unverwundet. Leutnant Lang teilt
in seinem Brief mit, daß sie von den russischen Offizieren
durchaus ritterlich ausgenommen und behandelt wurden;
aber die Tatsache, daß die Gefangenen sich in Sibirien
befinden, wirft ein neues Licht auf die Wahrheitsliebe und
Verläßlichkeit russischer amtlicher Mitteilungen, nachdem
der russische Gesandte in der Schweiz offiziell erklärt hat.
daß kein einziger gefangener Deutscher oder Vesterreicher
nach Sibirien gebracht würde.

Raffaelfresken in Siena.
Line Untersuchung, die den oft behaupteten, nie er-
wiesenen Anteil des jungen Raffael an den Fresken der
Dombibliothek von Siena feftstellt, veröffentlicht Or. Erwin
panofsky soeben im Repertorium für Kunstwissenschaft.
Schon vasari behauptet, Raffael habe an den Wand-
gemälden mitgearbeitet, die l502 der Kardinal von Siena,
Francesco Piccolomini, zu Ehren des Papstes aus seiner
Familie, Pius II., im Bibliotheksaal am Dom malen ließ:
Darstellungen aus dem reichen Leben dieses Germanisten-
papstes, dem wir die schönste Liebesnovelle der Renaissance,
die von Euryalus und Lucrezia, verdanken. Der Kontrakt
nennt den Umbrer pintuvicchio als Maler. Nun gibt es
Vorstudien zu den Wandgemälden, und Raffaels Anteil
an ihnen legt panofsky stilkritisch dar. In zwei Skizzen
erkennt er die Hand des jungen Raffael: einmal sind es
Jünglingsfiguren mit Silberstift gezeichnet, im Bilde der
Dichterkrönung des Piccolomini verwandt, dann Reiter,
die auf dem Fresko verwandt wurden, auf dem der Jüng-
ling Piccolomini zum Baseler Konzil ausreitet. Aber auch
die Kartons zu den Gemälden hat Raffael erfunden, wenn
schon nicht ausgeführt. Der 22 jährige hatte Kraft genug,
für den mehr als doppelt so alten, bekannten Pintuvicchio
Entwürfe zu schaffen, der bei der Ausführung ihren wahren
Sinn allerdings recht mißverstanden hat (vossische Ztg.)

Die Berliner Museen
können auch jetzt, trotzdem der internationale Kunstmarkt
so gut wie vollständig ruht, ihre Lrwerbungstätigkeit fort-
setzen. Das Kunstgewerbemuseum kaufte in letzter Zeit
einige schöne norddeutsche und französische Bildteppiche.
Die eine dieser Wirkereien, ein Hochzeitsteppich aus dem
Jahre tSH8, ist das Hauptstück einer urwüchsig norddeut-
schen Wirkerei aus der Frührenaiffance, die sich gegen den
 
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