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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 14.1914/​1915

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Heft 32
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Nichtamtlicher Teil
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Hirsch, Julius: Die Kunst und der Krieg in Antwerpen
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https://doi.org/10.11588/diglit.55564#0383

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XIV, Heft 32.

Die Werkstatt der Kunst.

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seit Lude August in den Kellern des Museums die
drei weltbekannten Meisterwerke des Peter Paul
Rubens aus der Kathedrale:„ViesKreuzabnahme",
das Hohelied der treu besorgten Liebe, in dem der
Meister wieder zum vlämischen Maler geworden,
„Vie Kreuzaufrichtung" und „Vie Himmel-
fahrt der Jungfrau", eines der letzten Werke des
Rubens. In das Museum wurden auch sämtliche Ge-
mälde aus der schönen Augustinerkirche gebracht,
darunter „Vie Vision des hl. Augustin" von
van vgck, viele Bilder aus der pauluskirche, da-
runter „Vie Geißelung" von Rubens, die „Kreuz-
tragung" von van Ogck, „Vie Anbetung der
Hirten" von Rubens, Gemälde von Jordaens,
Lroger und Teniers dem Alteren.
Aus der Kirche zu 5t. Jakob schaffte man das
herrliche Altarbild Rubens aus der Rubenskapelle in
das Museum. Andere Bilder von van Opck, Guido
Reni, Jordaens, Verleg u. a. fanden in den Kellern
der Kirche selbst ihre Zuflucht. Kirchenbilder ge-
ringeren wertes wurden auch in den Kellern der
Akademie der bildenden Künste und in Klöstern unter-
gebracht.
Antwerpener Bürger erzählten mir, unter welchem
Aufsehen Ende August und Anfang 5eptember die
großen Gemälde von Rubens auf großen Reif-
wagen, von vier Pferden gezogen, aus der Kathedrale
in das kgl. Museum überführt wurden. „Vie Kreuz-
abnahme" wog nicht weniger als 2000 Kilogramm.
Hunderte von Menschen begleiteten die Bilder auf
ihrer Fahrt. Auch die Überführung der Bilder aus
den oberen Stockwerken des Museums in den so-
genannten bombensicheren Keller wickelte sich unter
großen Mühen ab. Für Gemälde, die auf Holz gemalt
sind und ein Gewicht wie das vorerwähnte des Rubens
haben, war ein Kran nötig, den 18 bis 20 Arbeiter
bedienten. Oie Übersiedelung der Bilder nahm
Wochen in Anspruch. Man fing damit am Z. August
an und war erst Mitte 5eptember fertig. Im kgl.
Museum sind höchstens 50 Bilder, die zu schwer sind
oder nur geringen wert haben, deren Zerstörung kein
Kulturschaden gewesen wäre, an ihrem Platze ge-
blieben.
Es ist ja bekannt, daß kein Kunstwerk in Antwerpen
trotz der Beschießung zu 5chaden kam. General von
Beseler hatte Befehl gegeben, die kunsthistorischen
5tätten und die Lazarette zu schonen. Mit Bewun-
derung für die artilleristische Kunst der Deutschen
erzählte mit ein Antwerpener Kunstfreund, daß die
Granaten über das kgl. Museum geflogen seien, ohne
daß eine hier einfiel. Hätte damals eine Bombe
diesen Kunstpalast getroffen, eine große Feuersbrunst
wäre die unvermeidliche Folge gewesen. Venn die
einzige Wasserleitung in waelhem war zerstört und
in Antwerpen gab es kein Wasser mehr. Vas Museum
umgeben der place Leopold de wael, die Bildhauer-,
Maler- und Graveurstraße. In diesen 5tratzen,
51 Meter vom Museum entfernt, schlugen Geschosse
ein 5o ging z. B. das Kino „Tokio" in Flammen auf.

Vas Museum blieb unversehrt. Ein merkwürdiger
Zufall war es auch, daß eine Granate neben einem
Seitentor der Kathedrale platzte, neben dem im
Innern früher die „Kreuzabnahme" aufgehängt war.
Ein Granatsplitter flog über dem Tor in die Kirche
und verbrannte nur eine grüne Gardine, die dort
hing.
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Jn dem Museum zu Antwerpen haben aber auch,
lange bevor Gefahr drohte, die vortrefflichsten Ge-
mälde aus den Mechelner Kirchen Zuflucht ge-
funden. Und mit dieser Feststellung, die mir von
hervorragenden belgischen Kunstgelehrten gegeben
wurde, sei den immer wieder auftauchenden Ge-
rüchten entgegengetreten, daß Kunstwerke aus dieser
stillen Stadt entweder bei der Beschießung ver-
nichtet oder von den Deutschen entfernt worden seien.
Aus der Kathedrale des hl. Romuald, die von den
Belgiern beschossen worden ist, wurde das wertvollste
„Christus am Kreuz" von van vgck in das Ant-
werpener Museum gebracht, wo ich Gelegenheit hatte,
das Bild zu sehen. Auch eine Folge von Bildern auf
Eichenholztafeln, die sich alle auf die Legende des
hl. Romuald beziehen und von einem Mechelner
Künstler am Ende des 15. Jahrhunderts gemalt wur-
den, wurde nach Antwerpen gerettet. Fünf bis sechs
Stück davon haben wohl beim Transport gelitten. Aus
der St. Johanneskirche wurde ein prachtvolles Trip-
tgchon von Rubens nach Antwerpen gebracht, ein
weniger bekanntes Werk des Künstlers: „Vie An-
betung der Könige."
Der Magistrat von Antwerpen hatte 1609 dieses
Bild für den Saal des Rathauses bestellt. Vas Ge-
mälde kam aber in das Museum nach Madrid, ein
gleiches ist heute eine perle des Antwerpener Muse-
ums und das dritte mit zwei Altarflügeln, welche das
Martyrium eines Heiligen und die Taufe Christi
im Jordan darstellen, ist das Bild aus Mecheln.
Aus der Liebfrauenkirche in Mecheln wurde der be-
rühmte „Fischzug Petri" von Rubens in das
Museum nach Antwerpen gebracht. Oie Antwer-
pener Blätter haben jetzt auch mit begreiflicher Freude
festgestellt, daß diese Bilder von Rubens tadellos er-
halten sind.
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Jn Antwerpen habe ich auch folgende interessante
Mitteilung über den verbleib eines der bedeutendsten
Werke der flandrischen Kunst, ja der Malerei über-
haupt, empfangen. Als die Deutschen in Gent ein-
zogen, fehlte — das ist ja bereits — dort im
Dome des St. Bavo das berühmte Altarbild „Oie
Anbetung des Lammes", das Hauptwerk der
Brüder van Egck. Auf Anfrage der deutschen Be-
hörde hieß es, das Werk, in welchem zum erstenmal
die Überlegenheit der Ölmalerei und zwar in einem
wahrhaften Heldengedicht christlichen Glaubens ge-
prägt wurde, sei nach London gebracht worden.
 
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