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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 14.1914/​1915

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Heft 8
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Schulte im Hofe, Rudolf: Wohltätigkeit und Kunstlotterien
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https://doi.org/10.11588/diglit.55564#0097

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XIV, Heft 8.

Die Werkstatt der Kunst.

89

terie zu Ohren kommt, die Veranstalter unter Dar-
legung der Gründe von ihrem Vorhaben abzubringen
suchen und gleichzeitig ihre Mitglieder veranlassen,
ein Werk nur gegen einen Tribut für notleidende
Künstler herzugeben. Vas wird zwar die Wohlfahrts-
Kunstlotterien voraussichtlich nicht ganz beseitigen,
aber sie doch sicherlich stark zurückdrängen und sie zum
mindesten den notleidenden Kollegen nutzbar machen.
In den „Münchener Neuesten Nachrichten" lesen
wir folgende Mitteilungen:
Ich verkaufe sn bloc meine 83 „Hsdler", Studien,
Skizzen, Oelgemälde (22). Gest. Anfragen usw. an Galerie
Henneberg Zürich.
Unsere Feinde und die Münchner Aunft. wer
vom Ausbruch des Krieges eine für Jahre hinaus bestehende,
namhafte Schädigung unseres Kunstmarktes befürchtet, mag
an der Hand der Statistik die nicht eben große Kauflust
der uns in den letzten Jahren besuchenden Fremden, die
den nns feindlichen Nationen angehören, ersehen
Weder Belgien, noch England, noch Frankreich und Rußland
haben jemals zu unseren guten Vilderkäusern ge-
hört. Selbst wenn man Jahrzehnte zurückgeht, wird man
unter den besten Käufern des Auslandes Amerika, Oester-
reich Ungarn und die Schweiz finden.
Auf der Internationalen Kunstausstellung im Jahre
1905 — um nur die Verkäufe der letzten Jahre zu be-
trachten, erwarb Amerika für 6991s Mk. Kunstwerke im
Glaspalast, Belgien hingegen nur für 9200 Mk., England
für 8015 Mk., Frankreich für 9500 Mk. und Rußland für
10 250 Mk. Im Jahre 1906 erwarben die Belgier für
2700 Mk., die Engländer für iso Mk., die Franzosen
für ZH5 Mk., die Russen für 5868 Mk. Kunstwerke; Un-
garn gab dagegen allein 103 000 Mk. aus. Unter den
Russen befinden sich zudem meist Deutsch-Russen als Käufer.
Auf der Iahresausstellung im Glaspalast 1907, wo Amerika
um 17925 Mk., die Schweiz um 52 000 Mk. einkaufte,
finden wir Belgien mit 2900 Mk, England mit 7-100 Mk.,
Frankreich mit 1550 Mk., Rußland mit 825-1 Mk. vertreten.
Im Durchschnitt noch schlechter ist -er Ankauf
unserer jetzigen Gegner im darausfolgenden Jahr
stzv8. Alle zusammen kauften nicht einmal halb so viel
wie die Schweiz allein und sechsmal weniger wie Amerika.
Belgien brachte 5VV Mk., England 2170 Mk., Frank-
reich 5825 Mk., Rußland 1596 Mk. für Kunstwerke auf.
Bei der Internationalen im Jahre 1909 wendeten Belgien
-1000 Mk., England -129-1 Mk., Frankreich ganze 68,50 Mk.
und Rußland 15795 Mk. auf. 1910 ist Belgien gar nicht
unter den Käufern, dagegen England mit 20785 Mk. und
Frankreich mit -15215 Mk. überraschend gut vertreten. Bei
Belgien sinkt dann die Ausgabe für Kunstwerke rasch; im
Jahre 1911 waren es -1600 Mk, 1912 1250 Mk. und 1915,
einer Internationalen, ganze 180 Mk. Auch das Inter-
esse Englands staute ab; wir hatten 1912 noch 19-175 Mk.,
1915 nur noch 9150 Mk., Frankreich kaufte itzfl um
765 Mk. nichts, sy,3 um 317 Mk.
Man sieht, das Interesse für die Münchner Kunst
nahm in den letzten Jahren erheblich ab; dagegen kauften
die Deutschen das exzentrischste, impertinenteste
Zeug französischer Talmikunstproduktion waggon
weise ein. Der Kunsthandel, speziell der Berliner, ist
von einem Verschulden in dieser Richtung nicht
freizusprechen. Hoffentlich belehrt der Krieg viele
Käufer eines Besseren und führt sie zu gesunder, deut-
scher Runst. Dann können wir die Käufer aus Feindes-
ländern ruhig entbehren, zumal wenn wir unfer Augenmerk
immer mehr auf Amerika richten.
Dazu wird uns aus München geschrieben:
Nach dieser Feststellung, aus der ersichtlich, wie wenig

unsre Feinde in München Deutschlands Kunstwerke kaufen,
kommt man hoffentlich jetzt in Deutschland zur Einsicht,
daß es unverantwortlich wäre, in Zukunft die Kaufprodukte
unserer Feinde zu protegieren, wozu in München alle
vier Jahre internationale Kunstausstellungen, was viele
Tausend Mark nur Frachtkosten verschlingt, die man in
Deutschland zahlte? Und wie behandelt man dagegen deutsche
Kunst im Ausland? Man fördere in Zukunft nur deutsche
Kunst und Künstler, anstatt daß man den Ausländern die
schönsten, besten Säle einräumt, sie mit Medaillen überschüttet
und die eigene deutsche Kunst dagegen zurücksetzte.
Ueber „Das deutsche Gouvernement und die
Runstschätze in Belgien" schreibt Or. W. von Bode:
Durch den Florentiner Feuilletonisten Ugo Gjetti wurde
die Fabel in die Welt gesetzt, der Unterzeichnete habe un-
serer deutschen Heeresleitung eine Proskriptionsliste für
die Kunstsammlungen in Frankreich mitgegeben und beim
Mißlingen der Sache die Zerstörung der Reimser Kathe-
drale veranlaßt. Diese ebenso absurde wie infame Er-
findung wurde in der halben Welt nachgeschwatzt und ge-
glaubt. während wir Deutschen so als Räuber und Hunnen
gebrandmarkt werden, geschieht in Wahrheit gerade von
deutscher Seite, und zwar nur von dieser, alles, um die
Kunstwerke in Feindesland zu erhalteu. Schon gleich
nachdem Brüssel besetzt war, ist auf Anregung und Vor-
schlag des Unterzeichneten der Direktor des Berliner Kunst-
gewerbemuseums Geheimrat von Falke vom deutschen Gou-
vernement zur Beaufsichtigung der Kunstwerke in Belgien
und zu ihrer Erhaltung für Belgien dorthin berufen
worden.
Seither hat die genaue, gemeinsam mit belgischen
Museumsbeamten ausgeführte Untersuchung der Kunst-
werke in den Städten Belgiens durch Geheimrat von Falke
ergeben, daß in allen größeren Orten die alten Baudenk-
mäler, Gemälde, Bildwerke und Arbeiten der Kleinkunst,
die von künstlerischem werte sind, erhallen und in Sicher-
heit gebracht sind, mit alleiniger Ausnahme der Bibliothek
von Löwen. Die Angabe in verschiedenen Städten, daß
die Bilder oder Kirchenschätze nach London gebracht seien,
scheint durchweg (auch für den Genter Altar der Brüder
van Eyck) eine Ausrede zu fein, in Wahrheit sind solche
Stücke in Kellern oder sonst sicher verwahrt.
Die Rettung der Kunstwerke und die fast unversehrte
Erhaltung der Baudenkmäler war nur möglich dadurch,
daß die Deutschen, wo eine Beschießung durchaus nötig
war, diese Bauten in jeder weise zu schonen wußten und
sogar bei dem tückischen Ueberfall durch die Bevölkerung
in Löwen mit eigener Gefahr das Rathaus und die
Kirchen vor der Zerstörung retteten. Daß die Bibliothek
verbrannte, ist durch die Gewissenlosigkeit der Bibliothek-
beamten verschuldet, die sich sämtlich entfernt hatten. Wie
wenig die belgische Regierung auch sonst für ihre Monu-
mentalwerke besorgt war, beweist u. a. der Umstand, daß
während der Revision durch Herrn von Falke in die Ka-
thedrale von Mecheln von belgischer Seite Granaten ge-
worfen wurden.
Bei der Belagerung von Antwerpen hat General
von Beseler selbst um Bezeichnung der Bauten ersucht,
deren Schonung besonders erwünscht wäre, und hat in
wunderbarer weise bei der Beschießung alle Monumente
fast unberührt zu erhalten gewußt. In den Städten Gent
und Brügge sind alle Baudenkmäler vollständig erhalten.
Auch in Reims hat der Kommandant der Deutschen alles
aufgeboten, um nicht nur die Kathedrale, sondern auch
die ältere Kirche St. Remy vor dem Bombardement zu
schützen, obgleich die Franzosen immer wieder Kanonen
davor auffahren und Beobachtungsposten auf den Türmen
aufftellen. Religiöse Scheu und Kenntnis und Begeiste-
rung für die Kunst, die im deutschen Heere wie in der
ganzen Nation verbreitet sind, sind der beste Schutz der
Monumente und Kunstwerke.
 
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