Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 14.1914/​1915

DOI issue:
Heft 31
DOI article:
Nichtamtlicher Teil
DOI article:
Pauske, Willy: Bismarck und die bildende Kunst
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.55564#0371

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
XIV, Heft 31.

Die Werkstatt der Kunst.

363

Ein neues Kennzeichen wurde dann 1866 Bis-
marcks eigenartiger Kürassierhelm in umgekehrter
Birnenform, den er als Landwehroffizier trug. Schnae-
beli hat ihn so in Nikolsburg nach der Schlacht bei
Königgrätz der Nachwelt überliefert. Im Kriege
1870/71 trug er dagegen den kugelrunden Helm mit
der mächtigen Pickelspitze und die weiße Feldmütze
mit dem blauen Rand, in der ihn der bayerische
Schlachtenmaler Louis Braun gemalt hat.
Nun traten die Maler als Bismarckverklärer auf
den plan. Allen voran Anton von Werner, der den
Krieg im Großen Hauptquartier mitmachte und der
dokumentarische Illustrator von Bismarcks gewaltiger
Lebensperiode geworden ist. Das ist Weltgeschichte,
wie der Kanzler in der Feldmütze auf dem wuchtig
ausschreitenden Pferde auf der Straße von Ooncherp
dem im wagen wartenden Napoleon entgegenreitet.
Reiter und Roß nehmen die Hälfte des Bildes ein.
Ruch der Düsseldorfer Wilhelm Eamphausen hat
diesen historischen Vorgang am Morgen nach der
Schlacht von Sedan geschildert. Mit der Linken
den Korb des mächtigen Kürassiersäbels umklammernd,
sitzt Bismarck im Freien neben dem bezwungenen
Kaiser der Franzosen. Sehr eindrucksvoll ist auch
Georg Bleibtreus mächtiges Reiterbild des Kanzlers
mit dem vom vorstehenden Metallschirm des Kürassier-
helms überschatteten Profil. Anton von Werner hat
später das große Figureninterieur der Kapitulations-
verhandlungen von Sedan gemalt, wo Bismarck, vor
dem die Rechte energisch auf den Tisch stützenden
Moltke, im Schein der Lampen und Lichter, die
beiden Hände auf den Säbelkorb gestützt, sitzt. Ruch
bei dem „Generalsvortrag in Versailles" hat Anton
von Werner den Kanzler in der gleichen Haltung
sitzend gemalt. In der „Kaiserproklamation zu Ver-
sailles" bildet Bismarck im weißen Waffenrock den
Mittelpunkt des Bildes. Anton von Werner war
einer der wenigen Künstler, die dem Kanzler näher-
traten, er hat ihn später in Berlin und Friedrichsruh
des öfteren besucht. Irn Sommer 1880 war Werner
mit der Schöpfung des großen Kongreßbildes von
1878 beauftragt worden und folgte einer Einladung
nach Friedrichsruh. Oer Kanzler machte kein hehl
daraus, daß er eine ganz entschiedene Abneigung
gegen jede Porträtsitzung habe. Vie Schuld daran soll
eine Bildhauerin getragen haben, die ihn 1866 mit
dem Modellsitzen zu einer Büste unerhört quälte, so
daß er die Geduld verlor. Ruch der Reichshund
Tgras hatte eine ausgesprochene Abneigung gegen
das Künstlervolk. Als Bismarck mit ihm ins Atelier-
zimmer trat, rief er Anton von Werner zu: „Um Gottes
willen, tun Sie den Malstock weg, der Hund springt
Sie sonst an!" Aus späteren Iahren sei noch Werners
lebendiges Profilbild des Reichskanzlers, am Bundes-
ratstisch stehend mit einem Blatt in der Hand, erwähnt.
Mit der steigenden Popularität des Altreichs-
kanzlers entstand auch das Bedürfnis, ihn künstlerisch
zu verklären. Diese Aufgabe hat der Münchener
Maler Franz von Lenbach mit seiner langen Reihe von

Bismarckbildnissen in Zivil und Uniform in hervor-
ragender weise gelöst.
Nur einmal um Weihnachten des Iahres 1898
hat Bismarck dem Künstler eine Sitzung gewährt.
Es war im Anfang ihrer Bekanntschaft, als Lenbach
das in der Berliner Nationalgalerie hängende Bildnis,
das den Reichskanzler mit dem Schlapphut und über
die Stuhllehne gekreuzten Händen darstellt, malte.
Später hat Lenbach, der zu den regelmäßigen Gästen
des Bismarckschen Hauses gehörte, den Kanzler un-
gezwungen nach Tisch beobachtet und skizziert, ohne
daß es der in die Lektüre von Zeitungen vertiefte
bemerkte.
Lenbachs Bismarckbilder sind über die äußere
Ähnlichkeit des Alltages hinaus geistig und seelisch
vertieft. In allen diesen vielfältigen Bildnissen
schlummert ein einheitlicher Tgp, eine Zgmbolisierung
der gewaltigen Erscheinung des Altreichskanzlers.
In dem trefflichen Bildnis des Achtzigjährigen,
stehend in Uniform mit Kürassierhelm, hat er die
heroische Verklärung Bismarcks wohl am überzeu-
gendsten gegeben.
Oie Flut der von deutschen Bildhauern geschaffe-
nen Bismarckdenkmäler ist so reichlich geflossen, daß
ich nur einiges herausgreifen möchte. Adolf von
vonndorfs Büste ist eine glückliche Arbeit. 1885 schuf
Reinhold Begas die erste Porträtbüste Bismarcks,
der zwei Iahre später die heute in der National-
galerie stehende folgte. Auch das große Denkmal
Bismarcks vor dem Reichstag entstammt seiner Werk-
statt. Keinem ist wohl der große Wurf eines wahr-
haft monumentalen Bismarckdenkmals so gelungen
wie Hugo Lederer mit seiner granitenen Rolandfigur
in Hamburg, die auf Emil Schaudts wuchtigem
Architekturunterbau als abgerundetes Kunstwerk von
urgewaltigem Rhgthmus steht. Vie steinerne Bis-
marcksfigur entrückt seine Gestalt in das Reich des
Mgthos und der Legende. Auch in dem kürzlich
vollendeten Nürnberger Bismarckdenkmal des Archi-
tekten Theodor Fischer, das Bildhauer Iosef Kloß-
mann mit einer Reiterfigur Bismarcks krönte, hat
Architektur und Bildhauerkunst eine Verschmelzung
erfahren. Ein ReiterstandbildBismarcks vonAdolf von
Hildebrandt für Bremen ist noch nicht zur Auf-
stellung gelangt.
In den zahlreichen Lismarcksäulen, die in den
deutschen Gauen erbaut wurden (die meisten hat Wil-
helm Kreis geschaffen), klang der Bismarckgedanke
nur noch als mythischer Architekturrgthmus aus.
Ihre Flammenzeichen loderten am I. April zum nächt-
lichen Himmel empor und kündeten der Welt, daß
Bismarcks Geist unvergessen weiterwirkt. Vie von
Arnold Hartmann geschaffene Bismarcksäule in Köln
ist das einzige Architekturwerk, das in seiner Gliede-
rung die hünenhafte Bismarckgestalt gibt. Die Vor-
derseite des Turmes zeigt mit dem Mauerwerk ver-
wachsen die Kolossalfigur Bismarcks als steinernen
Roland.
Der Rundbau des am Oderufer nördlich Stettin
 
Annotationen