Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 14.1914/1915
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DOI Heft:
Heft 31
DOI Artikel:Nichtamtlicher Teil
DOI Artikel:Pflichten gegen die Kunst
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XIV, Heft 3;.
Die Werkstatt der Kunst.
365
anlegen. Auch weil das in fremden Kunstwerken an-
gelegte Kapital fast verloren oder zum mindesten auf
lange Zeit lahmgelegt ist, und somit weder der einen
noch der andern Kunstrichtung zugute kommen kann.
Vie Klasse Künstler, die im handel notiert ist,
hat es in jetziger Zeit fraglos schlecht,- die andere
Schicht, die auf die Zuschüsse angewiesen ist, hat es
nicht besser, denn das Geld, das für sie bisher da war,
wird zu Liebesgaben und dergl. verwendet.
wollten wir heute den Kauffähigen dazu ver-
anlassen, statt Liebesgaben oder neben Liebesgaben
für die Krieger im Seide auch die Streiter für unsere
Ideale zu bedenken, so würden wir wahrscheinlich
einen glatten Mißerfolg erleben und nur dazu bei-
tragen, die Kunst weiter in den Bereich des Almosens
hinabzudrücken. Darum muß der Ruf an das deutsche
Volk, seine Kunst und seine Künstler nicht zu vergessen,
einen etwas praktischeren Hintergrund haben, wir
haben es allmählich verlernt, daran zu glauben, daß
einer die Kunst aus reinem Idealismus fördert, wir
sehen gerade jetzt ein Überhandnehmen des Materia-
lismus. Sogar das einzig noch gebliebene und schönste
Ideal, das Vaterland, beginnt man zu verkrämern,
indem man aus seiner Notlage Kapital schlägt, wie
dürfen wir da auf Verständnis für die unfaßbaren
Seiten der Kunst hoffen!
Deshalb müssen wir den Leuten sagen: heut ist
der Augenblick gekommen, um Kunst billig zu er-
werben. Keiner, auch der beliebteste Künstler, ist heut
mit Aufträgen überlastet; keinem, auch dem erfolg-
reichsten, geht es heute geschäftsmäßig gut. Venn selbst
von denen, die große Einnahmen halten, werden die
wenigsten sich ein vermögen erspart haben, um jetzt
von seinen Erträgnissen zu leben. Sparen ist nicht
Künstlers Art. vielleicht geht es gerade deshalb
denen am schlechtesten, die an eine großzügige Le-
bensführung gewöhnt waren, die auf ziemlich regel-
mäßige Einnahmen aus ihrer Kunst rechnen durften
und deshalb Verpflichtungen eingegangen sind, die
sie jetzt nicht erfüllen können. (Ich nenne nur die
Miete für teure Wohnung und teures Atelier.) wer
bisher zweitausend Mark im Monat verzehrte, dem
wird es schwerer, sich mit zweihundert Mark einzu-
richten, als dem, der zweihundert verbrauchte und
jetzt nur die Hälfte hat.
Es ist also zweifellos die Möglichkeit gegeben, daß
sich ein jeder, der noch Geld für Kunst erübrigen kann,
heute gute und sonst teure Kunst erwirbt. Die Kunst
als solche kann nicht zu einem Inventurausverkauf
schreiten, sonst würde sie dieses immer wieder vor-
trefflich wirkende Lockmittel, Gegenstände scheinbar
billiger zu erwerben, nicht verachten dürfen. Tat-
sächlich liegen aber die Verhältnisse so, daß, wenn heute
sich der Käufer entschließen würde, beim Künstler an-
zufragen, ob er nicht das eine oder andere Werk von
ihm zu Kriegspreisen billiger erstehen kann, ob er ihn
nicht zu einem in Anbetracht der Verhältnisse be-
rechtigten niederen Preise abkonterfeien wolle, er auf
eine Absage kaum zu rechnen hat. Früher hat wohl
der Künstler ängstlich darauf gehalten, sein Werk nicht
unter einem bestimmten Preise fortzugeben. Es ent-
sprang das der Befürchtung, sein Werk in den Augen
der Welt herabzusetzen. Solche Erwägungen können
heute fortfallen. Vie Ausrede des Krieges ist eine so
einleuchtende, daß niemand des Künstlers Arbeit des-
halb geringer achten wird als bisher, wer sie über-
haupt nach dem Geldwerte einschätzt, weiß auch einen
Kriegsrabatt richtig zu bewerten.
wer Bilder nicht um ihrer selbst willen kauft, der
möge daran denken, daß es für den Dritten, der ihn
besucht, ein Beweis des fehlenden Kunstverständnisses
oder auch des vorhandenen Geldbeutels ist, wenn er
Bilder an der wand hängen hat. wie billig er sie
erstanden hat, braucht er ja niemandem zu erzählen.
Ein wenig mag er auch dabei sich von der Hoffnung
leiten lassen, daß später doch bessere Zeiten kommen
und des Künstlers Werk wieder im Preise steigen wird.
Schließlich, wenn er es will und es ihm Befriedi-
gung gewährt, mag er auch den Kauf eines Kunst-
werkes als Opfer auffassen oder, wenn ihm das
nicht genügt, als Erfüllung einer Pflicht gegen die
Allgemeinheit. Iedenfalls bietet der Ankauf von
Kunstwerken in dieser Zeit wie nichts anderes, das
Nützliche mit dem Angenehmen zu vereinen. Darum
soll ein jeder, der für die Kunst ein Herz hat, darauf
hinwirken, daß er und andere die Kunst unterstützen,
wo das schöne Wort von der Erhaltung unserer
Ideale nicht mehr zieht, da mögen die eben ausein-
andergesetzten Hilfsmomente eingreifen, wenn nur
letzten Endes der Erfolg eintritt, dann heiligt er jedes
rechtschaffene Mittel. Venn das ist sicher: wir brauchen
in dieser Zeit des krassen Materialismus die Kunst als
stärkstes Gegengewicht. Es ist die Pflicht eines jeden
volkspsgchologischen, sie zu fördern, damit unser deut-
sches Volk nicht dem Feinde erliegt, der schlimmer ist als
Frankreich, Rußland und England und alle ihre far-
bigen Hilfstruppen: dem Amerikanismus!
v. V.
rlmickau.
Keine pariser Kunstausstellungen.
„Berlingske Tidende" berichtet in einer längeren
pariser Korrespondenz: „Ls wird dieses Iahr keine Kunst-
ausstellungen in Paris geben, weder bei den ^rtistes
tranxais oder bei der Locietä nationale, die beide den
gewöhnlichen Frühjahrssalon im Oranä kalais bildeten,
noch bei den Inct6penclants oder im Lalon ä'^utoiune.
ve nouveau Lalon, die neue Ausstellung, die für die vielen,
mit dem alten Regime unzufriedenen Künstlerkreise die
Hoffnung werden sollte, wird dieses Jahr nicht verwirklicht
werden, und man glaubt auch nicht, daß viele von den
privaten Ausstellungen Zustandekommen werden, die die
großen Bilderhändler von Paris sonst veranstalteten, eben-
sowenig wie Preise oder Stipendien, um die man kon-
kurriert, wie z. B. der Rompreis, verteilt werden werden."
Neubauten im Charlottenburger Hochschulge-
lände. Im Lharlottenburger Hochschulgelände zwischen
Die Werkstatt der Kunst.
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anlegen. Auch weil das in fremden Kunstwerken an-
gelegte Kapital fast verloren oder zum mindesten auf
lange Zeit lahmgelegt ist, und somit weder der einen
noch der andern Kunstrichtung zugute kommen kann.
Vie Klasse Künstler, die im handel notiert ist,
hat es in jetziger Zeit fraglos schlecht,- die andere
Schicht, die auf die Zuschüsse angewiesen ist, hat es
nicht besser, denn das Geld, das für sie bisher da war,
wird zu Liebesgaben und dergl. verwendet.
wollten wir heute den Kauffähigen dazu ver-
anlassen, statt Liebesgaben oder neben Liebesgaben
für die Krieger im Seide auch die Streiter für unsere
Ideale zu bedenken, so würden wir wahrscheinlich
einen glatten Mißerfolg erleben und nur dazu bei-
tragen, die Kunst weiter in den Bereich des Almosens
hinabzudrücken. Darum muß der Ruf an das deutsche
Volk, seine Kunst und seine Künstler nicht zu vergessen,
einen etwas praktischeren Hintergrund haben, wir
haben es allmählich verlernt, daran zu glauben, daß
einer die Kunst aus reinem Idealismus fördert, wir
sehen gerade jetzt ein Überhandnehmen des Materia-
lismus. Sogar das einzig noch gebliebene und schönste
Ideal, das Vaterland, beginnt man zu verkrämern,
indem man aus seiner Notlage Kapital schlägt, wie
dürfen wir da auf Verständnis für die unfaßbaren
Seiten der Kunst hoffen!
Deshalb müssen wir den Leuten sagen: heut ist
der Augenblick gekommen, um Kunst billig zu er-
werben. Keiner, auch der beliebteste Künstler, ist heut
mit Aufträgen überlastet; keinem, auch dem erfolg-
reichsten, geht es heute geschäftsmäßig gut. Venn selbst
von denen, die große Einnahmen halten, werden die
wenigsten sich ein vermögen erspart haben, um jetzt
von seinen Erträgnissen zu leben. Sparen ist nicht
Künstlers Art. vielleicht geht es gerade deshalb
denen am schlechtesten, die an eine großzügige Le-
bensführung gewöhnt waren, die auf ziemlich regel-
mäßige Einnahmen aus ihrer Kunst rechnen durften
und deshalb Verpflichtungen eingegangen sind, die
sie jetzt nicht erfüllen können. (Ich nenne nur die
Miete für teure Wohnung und teures Atelier.) wer
bisher zweitausend Mark im Monat verzehrte, dem
wird es schwerer, sich mit zweihundert Mark einzu-
richten, als dem, der zweihundert verbrauchte und
jetzt nur die Hälfte hat.
Es ist also zweifellos die Möglichkeit gegeben, daß
sich ein jeder, der noch Geld für Kunst erübrigen kann,
heute gute und sonst teure Kunst erwirbt. Die Kunst
als solche kann nicht zu einem Inventurausverkauf
schreiten, sonst würde sie dieses immer wieder vor-
trefflich wirkende Lockmittel, Gegenstände scheinbar
billiger zu erwerben, nicht verachten dürfen. Tat-
sächlich liegen aber die Verhältnisse so, daß, wenn heute
sich der Käufer entschließen würde, beim Künstler an-
zufragen, ob er nicht das eine oder andere Werk von
ihm zu Kriegspreisen billiger erstehen kann, ob er ihn
nicht zu einem in Anbetracht der Verhältnisse be-
rechtigten niederen Preise abkonterfeien wolle, er auf
eine Absage kaum zu rechnen hat. Früher hat wohl
der Künstler ängstlich darauf gehalten, sein Werk nicht
unter einem bestimmten Preise fortzugeben. Es ent-
sprang das der Befürchtung, sein Werk in den Augen
der Welt herabzusetzen. Solche Erwägungen können
heute fortfallen. Vie Ausrede des Krieges ist eine so
einleuchtende, daß niemand des Künstlers Arbeit des-
halb geringer achten wird als bisher, wer sie über-
haupt nach dem Geldwerte einschätzt, weiß auch einen
Kriegsrabatt richtig zu bewerten.
wer Bilder nicht um ihrer selbst willen kauft, der
möge daran denken, daß es für den Dritten, der ihn
besucht, ein Beweis des fehlenden Kunstverständnisses
oder auch des vorhandenen Geldbeutels ist, wenn er
Bilder an der wand hängen hat. wie billig er sie
erstanden hat, braucht er ja niemandem zu erzählen.
Ein wenig mag er auch dabei sich von der Hoffnung
leiten lassen, daß später doch bessere Zeiten kommen
und des Künstlers Werk wieder im Preise steigen wird.
Schließlich, wenn er es will und es ihm Befriedi-
gung gewährt, mag er auch den Kauf eines Kunst-
werkes als Opfer auffassen oder, wenn ihm das
nicht genügt, als Erfüllung einer Pflicht gegen die
Allgemeinheit. Iedenfalls bietet der Ankauf von
Kunstwerken in dieser Zeit wie nichts anderes, das
Nützliche mit dem Angenehmen zu vereinen. Darum
soll ein jeder, der für die Kunst ein Herz hat, darauf
hinwirken, daß er und andere die Kunst unterstützen,
wo das schöne Wort von der Erhaltung unserer
Ideale nicht mehr zieht, da mögen die eben ausein-
andergesetzten Hilfsmomente eingreifen, wenn nur
letzten Endes der Erfolg eintritt, dann heiligt er jedes
rechtschaffene Mittel. Venn das ist sicher: wir brauchen
in dieser Zeit des krassen Materialismus die Kunst als
stärkstes Gegengewicht. Es ist die Pflicht eines jeden
volkspsgchologischen, sie zu fördern, damit unser deut-
sches Volk nicht dem Feinde erliegt, der schlimmer ist als
Frankreich, Rußland und England und alle ihre far-
bigen Hilfstruppen: dem Amerikanismus!
v. V.
rlmickau.
Keine pariser Kunstausstellungen.
„Berlingske Tidende" berichtet in einer längeren
pariser Korrespondenz: „Ls wird dieses Iahr keine Kunst-
ausstellungen in Paris geben, weder bei den ^rtistes
tranxais oder bei der Locietä nationale, die beide den
gewöhnlichen Frühjahrssalon im Oranä kalais bildeten,
noch bei den Inct6penclants oder im Lalon ä'^utoiune.
ve nouveau Lalon, die neue Ausstellung, die für die vielen,
mit dem alten Regime unzufriedenen Künstlerkreise die
Hoffnung werden sollte, wird dieses Jahr nicht verwirklicht
werden, und man glaubt auch nicht, daß viele von den
privaten Ausstellungen Zustandekommen werden, die die
großen Bilderhändler von Paris sonst veranstalteten, eben-
sowenig wie Preise oder Stipendien, um die man kon-
kurriert, wie z. B. der Rompreis, verteilt werden werden."
Neubauten im Charlottenburger Hochschulge-
lände. Im Lharlottenburger Hochschulgelände zwischen