XIV, Heft 36.
Die Werkstatt der Runst.
§37
Gegen diesen Wettbewerb der toten Hand, wie wir
den Museumsbesttz unter Verwendung eines Andruckes
aus dem Rechtsleben nennen dürfen, muffen wir uns mit
aller Energie sträuben, und da wir voraussichtlich zu-
nächst nicht erreichen werden, daß man von der Gewohn-
heit abgeht, die öffentlichen Galerien mit solchen Kunst-
werken zu füllen, so werden wir es von unserem rein
wirtschaftlichen Standpunkte aus nicht bedauern, wenn
tatsächlich durch äußere Einwirkung, wie sie ein sol-
cher Weltkrieg mit sich bringt, einmal hier und da etwas
aufgeräumt und Platz geschafft wird.
Nehmen wir an, daß die Produktion an Kunstwerken
wirklich bleibender Art auch nur die Zahl iooo im Jahr
erreicht und stets erreichte, was angesichts der Fruchtbar-
keit unserer heutigen Künstler sehr wenig ist, dann käme
im Lanfe von 5vo Jahren — solange darf man wohl mit
Sammelwerken zurückgehen — die nette Zahl von einer
halben Million Kunstwerke heraus. Da aber unleugbar
von den in den Museen aufgestaxelten Werken vor dem
Auge eines durch keine geschichtliche Ehrfurcht verblen-
deten Mannes längst nicht alles geschmacklich bestehen
kann, so erhöht sich eben jene Zahl um ^4. Einer
solchen Masse gegenüber wäre dann der Untergang von
ein paar tausend Werken nicht zu beklagen.
was wir nach diesem Kriege aber verlangen müssen,
ganz unabhängig davon, ob die Kunstwerke in mehr
oder weniger großer Zahl vernichtet werden, das ist eine
weise Beschränkung im Ankauf von Kunstwerken toter
Meister durch die öffentlichen Anstalten, sowohl der Menge
wie auch dem Preise nach, wir erinnern lediglich an
die Tatsache, daß im Laufe der letzten Jahre das Kaiser
Friedrich-Museum in Berlin ein einziges Werk des ge-
wiß unanfechtbaren Meister Goes für eine Million Mark
erstanden hat. Den Vorteil hiervon haben lediglich ein
paar Spanier gehabt und deren vermittelnde Kunsthänd-
ler, den Schaden aber ganz sicher die lebende deutsche
Kunst. Jetzt, wie damals, hätte Man für eine Million
Mark ohne Schwierigkeiten 4 bis 500 deutschen Künstlern
das Leben und die Arbeit erleichtern können, v. B.
Die Belgischen rlunstschätze.
Der „N. Fr. pr." wird von ihrem Brüsseler Korre-
spondenten geschrieben: Die Sicherung der reichen Kunst-
schätze, die Belgier: in seinen Mauern birgt, bildete natür-
lich gleich bei der Kriegserklärung eine Hauptsorge der für
ihre Aufbewahrung verantwortlichen Stellen. Es hieß, daß
alle Gemälde und sonstigen Kunstschätze ins Ausland ge-
bracht wurden, nach Holland, England und die vereinigten
Staaten von Nordamerika. Diese Annahme erweist sich als
falsch. In denjenigen belgischen Städten, die einer Be-
schießungnichtausgesetzt waren, wie Brüssel, Gent, Brügge,
blieben die Kunstwerke meistens an Vrt und Stelle oder
wurden, nachdem sie kurze Zeit in bombensicheren unter-
irdischen Gewölben geweilt hatten, bald wieder an ihren
gewöhnlichen Aufenthaltsort zurückgebracht. Anders mußte
man in Antwerpen verfahren. Line Beschießung dieser
Festung schien gleich beim Kriegsausbruch so wahrschein-
lich, daß der Direktor des reichhaltigen städtischen Antwer-
xener Museums, Pol de Mont, schon am 3. August
die Räumung der Gemäldegalerie verfügte. Die herrlichen
Rubens, van Dyck, Iordaens, «Drunten Matsys, die un-
vergleichlich schöne Sammlung van Lrtborn, die holländi-
schen Meister fiedelten nach den feuersicheren unterirdischen
Gewölben des Museumsgebäudes über, wo sie, soweit na-
türlich menschliche Voraussicht reicht, von Granaten nicht
getroffen werden konnten. Es war keine leichte Arbeit,
was schon aus der Tatsache hervorgeht, daß die Ueber-
siedlung nahezu vier Wochen in Anspruch nahm. Sie war
erst am 29. August beendet. Die Antwerpener Museums-
gewölbe gewährten aber nicht bloß den eigenen Kunst-
werken Schutz, sondern boten auch den von der Vernichtung
bedrohten Kunstschätzen anderer belgischer Städte Unterkunft.
So übergab der Domherr Eooreman, Pfarrer der Ant-
werpener Augustinkirche, dem Museumsdirektor Pol de Mont
die wertvolle Gemäldesammlung seiner Kirche, darunter
berühmte Bilder von Rubens (die mystische Heirat der
heiligen Katharina), van Dyck (Ekstase des heiligen Augustin)
und Iordaens. Diesem Beispiele folgte die Antwerpener
Kathedrale mit ihren weltberühmten vier Rubens-Gemäl-
den, darunter eine Kreuzigung und Kreuzabnahme des
Heilands und die Wiederauferstehung. Schließlich über-
mittelte auch die Antwerpener paulskirche ihre Wand-
gemälde, worunter eine Flagellation" von Rubens, zum
Gewahrsam. Als Mecheln, die belgische Lrzbischofstadt,
von der Beschießung bedroht war, retteten die beiden Abbes
Barbe und de Keersmaeker die Kunstschätze der dortigen
Kathedrale, der übrigen Kirchen und des städtischen Mu-
seums nach Antwerpen. In zahlreichen Automobilfahrten
schafften sie, mehrfach unter Lebensgefahr, die „Heiligen
drei Könige", den „Heiligen Petrus" von Rubens, den
„Christ zwischen den Schächern" von van Dyck, verschie-
dene Bilder von Simon de Vos nach der Scheldestadl.
Die Privatgemäldesammlungen verschiedener Antwerpener
Patrizier wurden gleichfalls in den unterirdischen Museums-
gewölben untergebracht. Dagegen konnte das berühmte
Triptyk von van der weyden, welches die Pfarrkirche der
Stadt Lierre bei Antwerpen schmückte, nicht mehr recht-
zeitig nach Antwerpen übergeführt werden. Es wurde an
Mrt und Stelle eingemauert. Die Stadt Lierre wurde bald
darauf fast gänzlich zerstört, und bis zur Stunde weiß man
nichts Bestimmtes über das Schicksal des wertvollen Drei-
gemäldes.
Berliner Zeitungen bringen folgende Notiz:
Ein Hohenzollernprinz als Maler. Der jüngste
Sohn des Prinzen Friedrich Leopold, der f895 geborene
Prinz Friedrich Leopold, hat unter dem Künstler-
namen F. Lindau-Potsdam, in der Großen Berliner
Kunstausstellung zwei Gemälde ausgestellt, von denen
das Bild „Am Wasser" unter Z29 des Katalogs verzeich-
net ist. Man sieht das Bild im Saal 5, dem zweiten
Nebenraum der linken Seite. Der Prinz ist ein Schüler
Karl Hagemeisters, und seine Kunst zeigt von neuem die
malerische Begabung der Hohenzollern, wie sie uns schon
in Friedrich I., Friedrich Wilhelm IV. und auch in Kaiser
Wilhelm II. hervorgetreten ist.
Auch wir begrüßen mit Vergnügen den Eintritt
eines Hohenzollernsproffes in die Reihen der Kämpfer
für die Kunst. Schriftltg.
Nach einer Mitteilung des „I.e 1?einp8" ist in Paris
ein Salon „des koilus" eröffnet worden. Die Ausstellung um-
faßt Werke von Künstlern, die vor dem Feinde getötet oder
verletzt wurden, die gefangen sind oder sich noch bei dec
Armee befinden. Nach der Besprechung bewegt sich diese
Ausstellung ebenso wie eine gleichzeitig eröffnete Ausstellung
ganz in dem Rahmen des Haffes gegen Deutschland, was
uns daran aber mehr interessiert, ist die Tatsache, daß die
Franzosen so einen weg gefunden haben, die im Felde
stehenden Künstler wirtschaftlich zu stärken. v. B.
In Heft 2 des „Deutschen Künstler" wird in
dankenswerter weise darauf hingewiesen, „daß der vater-
ländische Frauenverein Postkarten herausgibt, von denen
im Begleitschreiben gesagt war, daß sie nach Gemälden
des .bekannten Hofmalers A. Fischer' hergestellt seien.
In Künstlerkreisen ist dieser Herr dadurch bekannt, daß
ihm durch Gerichtsbeschluß untersagt wurde, sich weiter mit
.Kunst'medaillen zu brüsten, die er auf einer Kochkunst-
und einer Hundeausstellung bekommen hatte. Auf einer
der erwähnten Postkarten ist der Kaiser dargestellt als ge-
naue Kopie des bekannten R^gnaultschen Reiterbildes des
französischen Generals prim, nur mit den durch die Porträt-
darstellung gebotenen Aenderungen. Der Vorstand hat den
vaterländischen Frauenverein darauf aufmerksam gemacht
Die Werkstatt der Runst.
§37
Gegen diesen Wettbewerb der toten Hand, wie wir
den Museumsbesttz unter Verwendung eines Andruckes
aus dem Rechtsleben nennen dürfen, muffen wir uns mit
aller Energie sträuben, und da wir voraussichtlich zu-
nächst nicht erreichen werden, daß man von der Gewohn-
heit abgeht, die öffentlichen Galerien mit solchen Kunst-
werken zu füllen, so werden wir es von unserem rein
wirtschaftlichen Standpunkte aus nicht bedauern, wenn
tatsächlich durch äußere Einwirkung, wie sie ein sol-
cher Weltkrieg mit sich bringt, einmal hier und da etwas
aufgeräumt und Platz geschafft wird.
Nehmen wir an, daß die Produktion an Kunstwerken
wirklich bleibender Art auch nur die Zahl iooo im Jahr
erreicht und stets erreichte, was angesichts der Fruchtbar-
keit unserer heutigen Künstler sehr wenig ist, dann käme
im Lanfe von 5vo Jahren — solange darf man wohl mit
Sammelwerken zurückgehen — die nette Zahl von einer
halben Million Kunstwerke heraus. Da aber unleugbar
von den in den Museen aufgestaxelten Werken vor dem
Auge eines durch keine geschichtliche Ehrfurcht verblen-
deten Mannes längst nicht alles geschmacklich bestehen
kann, so erhöht sich eben jene Zahl um ^4. Einer
solchen Masse gegenüber wäre dann der Untergang von
ein paar tausend Werken nicht zu beklagen.
was wir nach diesem Kriege aber verlangen müssen,
ganz unabhängig davon, ob die Kunstwerke in mehr
oder weniger großer Zahl vernichtet werden, das ist eine
weise Beschränkung im Ankauf von Kunstwerken toter
Meister durch die öffentlichen Anstalten, sowohl der Menge
wie auch dem Preise nach, wir erinnern lediglich an
die Tatsache, daß im Laufe der letzten Jahre das Kaiser
Friedrich-Museum in Berlin ein einziges Werk des ge-
wiß unanfechtbaren Meister Goes für eine Million Mark
erstanden hat. Den Vorteil hiervon haben lediglich ein
paar Spanier gehabt und deren vermittelnde Kunsthänd-
ler, den Schaden aber ganz sicher die lebende deutsche
Kunst. Jetzt, wie damals, hätte Man für eine Million
Mark ohne Schwierigkeiten 4 bis 500 deutschen Künstlern
das Leben und die Arbeit erleichtern können, v. B.
Die Belgischen rlunstschätze.
Der „N. Fr. pr." wird von ihrem Brüsseler Korre-
spondenten geschrieben: Die Sicherung der reichen Kunst-
schätze, die Belgier: in seinen Mauern birgt, bildete natür-
lich gleich bei der Kriegserklärung eine Hauptsorge der für
ihre Aufbewahrung verantwortlichen Stellen. Es hieß, daß
alle Gemälde und sonstigen Kunstschätze ins Ausland ge-
bracht wurden, nach Holland, England und die vereinigten
Staaten von Nordamerika. Diese Annahme erweist sich als
falsch. In denjenigen belgischen Städten, die einer Be-
schießungnichtausgesetzt waren, wie Brüssel, Gent, Brügge,
blieben die Kunstwerke meistens an Vrt und Stelle oder
wurden, nachdem sie kurze Zeit in bombensicheren unter-
irdischen Gewölben geweilt hatten, bald wieder an ihren
gewöhnlichen Aufenthaltsort zurückgebracht. Anders mußte
man in Antwerpen verfahren. Line Beschießung dieser
Festung schien gleich beim Kriegsausbruch so wahrschein-
lich, daß der Direktor des reichhaltigen städtischen Antwer-
xener Museums, Pol de Mont, schon am 3. August
die Räumung der Gemäldegalerie verfügte. Die herrlichen
Rubens, van Dyck, Iordaens, «Drunten Matsys, die un-
vergleichlich schöne Sammlung van Lrtborn, die holländi-
schen Meister fiedelten nach den feuersicheren unterirdischen
Gewölben des Museumsgebäudes über, wo sie, soweit na-
türlich menschliche Voraussicht reicht, von Granaten nicht
getroffen werden konnten. Es war keine leichte Arbeit,
was schon aus der Tatsache hervorgeht, daß die Ueber-
siedlung nahezu vier Wochen in Anspruch nahm. Sie war
erst am 29. August beendet. Die Antwerpener Museums-
gewölbe gewährten aber nicht bloß den eigenen Kunst-
werken Schutz, sondern boten auch den von der Vernichtung
bedrohten Kunstschätzen anderer belgischer Städte Unterkunft.
So übergab der Domherr Eooreman, Pfarrer der Ant-
werpener Augustinkirche, dem Museumsdirektor Pol de Mont
die wertvolle Gemäldesammlung seiner Kirche, darunter
berühmte Bilder von Rubens (die mystische Heirat der
heiligen Katharina), van Dyck (Ekstase des heiligen Augustin)
und Iordaens. Diesem Beispiele folgte die Antwerpener
Kathedrale mit ihren weltberühmten vier Rubens-Gemäl-
den, darunter eine Kreuzigung und Kreuzabnahme des
Heilands und die Wiederauferstehung. Schließlich über-
mittelte auch die Antwerpener paulskirche ihre Wand-
gemälde, worunter eine Flagellation" von Rubens, zum
Gewahrsam. Als Mecheln, die belgische Lrzbischofstadt,
von der Beschießung bedroht war, retteten die beiden Abbes
Barbe und de Keersmaeker die Kunstschätze der dortigen
Kathedrale, der übrigen Kirchen und des städtischen Mu-
seums nach Antwerpen. In zahlreichen Automobilfahrten
schafften sie, mehrfach unter Lebensgefahr, die „Heiligen
drei Könige", den „Heiligen Petrus" von Rubens, den
„Christ zwischen den Schächern" von van Dyck, verschie-
dene Bilder von Simon de Vos nach der Scheldestadl.
Die Privatgemäldesammlungen verschiedener Antwerpener
Patrizier wurden gleichfalls in den unterirdischen Museums-
gewölben untergebracht. Dagegen konnte das berühmte
Triptyk von van der weyden, welches die Pfarrkirche der
Stadt Lierre bei Antwerpen schmückte, nicht mehr recht-
zeitig nach Antwerpen übergeführt werden. Es wurde an
Mrt und Stelle eingemauert. Die Stadt Lierre wurde bald
darauf fast gänzlich zerstört, und bis zur Stunde weiß man
nichts Bestimmtes über das Schicksal des wertvollen Drei-
gemäldes.
Berliner Zeitungen bringen folgende Notiz:
Ein Hohenzollernprinz als Maler. Der jüngste
Sohn des Prinzen Friedrich Leopold, der f895 geborene
Prinz Friedrich Leopold, hat unter dem Künstler-
namen F. Lindau-Potsdam, in der Großen Berliner
Kunstausstellung zwei Gemälde ausgestellt, von denen
das Bild „Am Wasser" unter Z29 des Katalogs verzeich-
net ist. Man sieht das Bild im Saal 5, dem zweiten
Nebenraum der linken Seite. Der Prinz ist ein Schüler
Karl Hagemeisters, und seine Kunst zeigt von neuem die
malerische Begabung der Hohenzollern, wie sie uns schon
in Friedrich I., Friedrich Wilhelm IV. und auch in Kaiser
Wilhelm II. hervorgetreten ist.
Auch wir begrüßen mit Vergnügen den Eintritt
eines Hohenzollernsproffes in die Reihen der Kämpfer
für die Kunst. Schriftltg.
Nach einer Mitteilung des „I.e 1?einp8" ist in Paris
ein Salon „des koilus" eröffnet worden. Die Ausstellung um-
faßt Werke von Künstlern, die vor dem Feinde getötet oder
verletzt wurden, die gefangen sind oder sich noch bei dec
Armee befinden. Nach der Besprechung bewegt sich diese
Ausstellung ebenso wie eine gleichzeitig eröffnete Ausstellung
ganz in dem Rahmen des Haffes gegen Deutschland, was
uns daran aber mehr interessiert, ist die Tatsache, daß die
Franzosen so einen weg gefunden haben, die im Felde
stehenden Künstler wirtschaftlich zu stärken. v. B.
In Heft 2 des „Deutschen Künstler" wird in
dankenswerter weise darauf hingewiesen, „daß der vater-
ländische Frauenverein Postkarten herausgibt, von denen
im Begleitschreiben gesagt war, daß sie nach Gemälden
des .bekannten Hofmalers A. Fischer' hergestellt seien.
In Künstlerkreisen ist dieser Herr dadurch bekannt, daß
ihm durch Gerichtsbeschluß untersagt wurde, sich weiter mit
.Kunst'medaillen zu brüsten, die er auf einer Kochkunst-
und einer Hundeausstellung bekommen hatte. Auf einer
der erwähnten Postkarten ist der Kaiser dargestellt als ge-
naue Kopie des bekannten R^gnaultschen Reiterbildes des
französischen Generals prim, nur mit den durch die Porträt-
darstellung gebotenen Aenderungen. Der Vorstand hat den
vaterländischen Frauenverein darauf aufmerksam gemacht