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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 14.1914/​1915

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Heft 47
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Nichtamtlicher Teil
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Fälschungen
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58H

des Kohlestriches zu sehen, ein paar Zeichnungen
auf ein paar Bogen des neuen Papiers, sah aber,
daß es nichts taugte. Um sich zu vergewissern, ob
wirklich nichts damit anzufangen sei, gingen der
Künstler und der Verleger zu dem besten Drucker
von Paris, aber auch der verwarf das Papier, und
so war nicht mehr davon die Rede, Forain dachte
bereits wieder an etwas anderes.
wenn dann zehn Zahre später diese fünf unbe-
kannten Blätter auftauchen, die jener Händler nach
der Photographie als die fraglichen wiedererkannte,
so war nur die Möglichkeit denkbar, daß die flüch-
tigen Zeichnungen bei jenem Drucker in der Werk-
statt als wertlos liegen geblieben waren, daß ein
Unbefugter sie dann auf den Lithographenstein über-
tragen und Abzüge davon genommen hatte. Der
deutsche Händler, der sie anbot, stellte Untersuchungen
an über die weitere Provenienz, und es ließ sich
erweisen, daß sie tatsächlich von einem Lithographen
stammten, der damals zu der fraglichen Zeit bei
dem pariser Drucker als Angestellter tätig gewesen
war. Forain hatte den Vorfall vergessen, und da
die Sachen einmal sehr schnell, ohne tiefere künst-
lerische Absicht und nur zu technischem versuch ent-
standen waren, und ferner, infolge des untauglichen
Papiers, der Strich roh und unfein herausgekommen
war, begreift man wohl, daß Forain sie nicht als
eigene Arbeiten anerkannte. Ls erhebt sich aber
die Frage, ob und inwieweit es sich hier um Fäl-
schungen handelt. Die Originalität der Arbeit von
Forains Hand ist erwiesen, Forainsche Lithographien
sind meistens nicht direkt auf den Stein gezeichnet
(wie es übrigens bei sehr vielen Lithographien
ebenso der Fall ist), sondern auf Lithographenxapier.
Line Fälschung im juristischen Sinne liegt also nicht
vor. Wohl aber eine betrügerische Benutzung ver-
worfener Arbeiten — was im künstlerischen Sinne
allerdings sehr bedenklich aussieht. Als echt aner-
kennen muß man die Blätter wohl; ob als gut, ist
eine andre Sache, und zwar die Hauptsache. Ls
dreht sich bei der Kennerschaft, beim Erkennen von
Kunstwerken, ja schließlich immer darum, ob gut
oder schlecht. Die Kritik ist doch letzten Endes nur
Mittel, nicht Selbstzweck."
Diese Bemerkung Waldmanns müssen wir auf
das wärmste unterstreichen. Auf der Suche nach
Fälschungen kommen die Kunstgelehrten zu den
sonderbarsten Ergebnissen. So verweise ich nur dar-
auf, daß eines der schönsten Bilder von velasquez
„Don Jüan d'Austria" in Madrid von Zusti ein-
mal als zweifelhaft bezeichnet wurde. Die Frage, die
da nahe liegt, ist die: warum hat die Forschung
noch nicht festgestellt, wer der Künstler ist, der so
glänzend malen konnte, daß er — in diesem Falle
valasquez — an die Seite zu stellen ist? Man
ist sogar versucht, zu sagen: wenn dieser valesquez
unecht sein soll, dann ist es vielleicht umgekehrt: er
allein ist echt und alle anderen falsch!

XIV, Heft 47

Reber weitere technische Fälschungen und dergl.
sagt Waldmann noch:
„Seit einigen Zähren gibt es im Kunsthandel
Blätter von Torot und Daubigny, die vollkommen
so aussehen, wie Photographien, besonders aus dem
Grunde, weil sie auf lichtempfindliches und im Gold-
bad fixiertes Photographenpapier gedruckt sind. An-
fangs begegneten sie spöttischer Ablehnung, man
wollte doch keine Photographien kaufen! Das Rät-
selhafte war nur, daß man die Originale dieser
sogenannten Photographien nicht kannte und nie zu
sehen bekam und es wäre doch ein höchst sonder-
barer Zufall gewesen, daß diese aus Paris kom-
menden Photos ausnahmslos solche Originalblätter,
Zeichnungen oder Radierungen Torots und Dau-
bignys reproduzierten, die seither verschollen oder
verschwunden waren oder, wie man annahm, ver-
steckt gehalten wurden. Als die Blätter sich immer
mehrten, ging man der Frage nach und kam zu
der Feststellung, daß diese sogenannten clicke-verre
tatsächlich aus der Zeit Torots und Daubignys
stammten. Als in den fünfziger und sechziger Zähren
die photographische Technik sich zu entwickeln be-
gann, haben einige Künstler versucht, sich der photo-
graphischen Platte künstlerisch zu bedienen. Anstatt
auf eine mühsam präparierte Kuxferplatte zu zeich-
nen und zu ätzen, nahmen sie einfach eine dem
Tageslicht ausgesetzte photographische Platte und
ritzten in die Schicht ihre Zeichnung ein; die Ab-
züge wurden hergestellt wie bei jeder Photographie,
so daß das eingeritzte auf der photographischen
Kopie als schwarze Linie erschien. Man hat es
also ganz zweifellos nicht mit Fälschungen oder Re-
produktionen zu tun, sondern mit Griginalarbeiten.
Und die Frage, ob es sich um einen Neudruck han-
delt oder um einen alten Abzug, ist hier gleich/
gültig. Ganz abgesehen davon, daß die Abzüge,
die existieren, wahrscheinlich alt sind (weil es höchst
selten vorkommen dürfte, daß eine Glasplatte ein
halbes Zahrhundert lang unzerbrochen bleibt) —
selbst wenn es nicht der Fall wäre und die Platten
noch heute gedruckt werden, so würde doch der Be-
griff Neudruck hinfällig sein, denn photographische
Platten abziehen kann jeder Photographenjunge, was
bei Radierplatten natürlich nicht der Fall ist.
Heute werden also clicbe-vorres folgerichtig als
Originale gesammelt und bezahlt, die vor fünf
Zähren noch als Reproduktionen abgelehnt wurden.
Man muß also nach beiden Seiten lernen — sich
nicht mit dem Fälschungswittern begnügen, sondern
auch die Kehrseite der Medaille studieren."
Das Studium der Fälschung und die Technik
der Fälschung kann jeden Graphiker nur auf das
Dringendste empfohlen werden. Er wird dadurch
auf eine Menge neuer Wege bei der Herstellung
eigner Arbeiten gebracht werden.
v. B.

Die Werkstatt der Kunst.
 
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