Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 14.1914/1915
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Die Werkstatt der Kunst.
XIV, Heft 2.
lose, Verstümmelungen, wie sie kaum ein mittelalter-
licher Henkersknecht ersinnen konnte, ein über das
halbe Erdreich verbreiteter Pestdunst der Lüge und
der Heuchelei, das alles ist Kultur. Und barbarisch
ist der in unserem Volksheer lebende Idealismus,
barbarisch unser Pflichtgefühl und der Mut zum
Sterben, barbarisch ist es im höchsten Grade, wenn
deutsche Truppen, aus irgendwelchem malerischen
Stadtwinkel heraus beschossen, nicht erst im Bädeker
nachschlagen, ob sie wieder schießen dürfen.
Der Kaiser hat einmal ein Bild entworfen:
„Niemand zu Liebe, niemand zu Leide." Zu den
Füßen eines geharnischten Ritters am Eingang eines
Heiligtums windet sich da ein Gewürm teuflischer
Fratzen. Wie ein schwelender Höllenbrand drängt
es herauf und wälzt sich züngelnd gegen den Tem-
pel. Aber dessen Wacht ist stärker und hält die
Stufen des Heiligtums frei. — wir heute erleben
das Gesicht als Wirklichkeit. Ringsum steigt es
empor aus den abgründigsten Tiefen, von allen
Seiten wird der Höllenbrand geschürt. Die Welt
wird es Deutschland noch einmal Dank wissen, daß
auch die Wirklichkeit eine gewappnete Macht auf
ihrem Posten fand, die das tückische Gewühl nicht
Herr werden ließ über ein Heiligtum.
Lines nur will Unzähligen, deren Augen nun
erst sehen wurden, nicht in den Sinn: wie war es
möglich, daß so viel dunkle Mächte in der Runde
sich bilden und sammeln konnten? wie war es in-
sonderheit möglich, daß im westen, in Ländern „ur-
alter Kultur" sich alles das so jäh entwickelte, was
nun in düsterer Bereitschaft steht? Aber der furcht-
bare Rassenverfall im Westen, heute aller Welt
offenbar, kam durchaus nicht plötzlich. Durch viele
Jahre hindurch hat er sich angekündigt in all seinen
Stufen der Entwicklung, weniger in Worten (die
für die drüben immer noch da zu sein scheinen, um
Tatsachen zu verbergen) als in anderen Dingen, wer
Kunst zu lesen verstand, der sah das Unheil kommen,
Schritt um Schritt.
In der pariser Ungefährmalerei, der Kunst eines
unstet gewordenen, nervösen Blicks, hatten wir das
erste Zeichen der Entartung. Schärfere Gegensätze
gab es nie als zwischen dieser pariser Ungefähr-
kunst und der deutschen Malerei des festen Auges.
Was aber taten wir, um ein Hinübergreifen des
Leidens zu vermeiden? weniger als nichts.
Dann kam das Ende. In Paris, das mit seinen
wirklichen Apachen nicht mehr fertig werden konnte,
in dem allerorten die schlimme Saat aufging, die unser
gutes Heer nun niedertreten muß, im selben Paris
kam es zu einem Apachentum auch in der Kunst.
Künftige Kulturhistoriker werden es kaum fassen
können, wie diese gemalten Scheußlichkeiten in Form
und Inhalt je Anerkennung finden konnten. Aber
sie wurden anerkannt, in Paris und draußen.
Lang, lang ist's her, ganze anderthalb Monate,
daß diese Schreckensherrschaft dauerte. Der heilige
Krieg hat ihr ein Ende gesetzt. „Dieser Krieg hat
uns alle besser gemacht", sagt Fürst Bülow. Sogar
den Kunsthandel und seine Verbündeten. Mit jener
Virtuosität der Entwicklung, die wir an ihnen ge-
wohnt find, setzen sie sich urplötzlich ein für deutsche
Art und deutsche Kunst. Ls fällt schwer, nicht bitter
zu werden und bei dieser jähen Ableugnung des noch
gestern vergötterten nicht an die Fabel vom sterben-
den Löwen zu erinnern. Das Mildeste, was sich
noch zur Kennzeichnung sagen läßt, findet sich in
Reuters „Stromtid". Das Volk steht auf, was sollen
wir tun?" „was sollen wir tun — wir werden
Volk!"
Sei's wie es sei, wir wollen Burgfrieden halten
auch hier, wenn die neue Sinnesart nun wirklich
vorhält und ernst gewillt ist, zu den letzten Folge-
rungen. Ls wird sich zeigen müssen, ob unser Kunst-
handel über den Drang der Stunde hinaus willens
ist, nun deutsche Art in unserer Kunst zu pflegen
und ihr über die Grenzen weg die Geltung zu ver-
schaffen, die ihr zukommt.
Uns geht folgende beachtenswerte Zuschrift zu:
Eine Anregung.
Unter frdl. Unterstützung des hiesigen Generaloberarztes
habe ich die in Stettin neu errichteten HZ Baracken für
die deutschen verwundeten mit ca. 200 Bildern unentgelt-
lich geschmückt, um die Räume etwas wohnlicher zu ge-
stalten. vielleicht greifen die Kollegen anderer Städte diese
Anregung auf. Material (Kunstblätter aus Jugend, Kunst«
wart usw.) ist leicht zu beschaffen. Lin kurzer Aufruf in
den Zeitungen an das Publikum zur Beihilfe genügt.
Le^ebsrtd, Stettin.
2ei1ungs7cka«
Im Berliner Lokal-Anzeiger lesen wir:
Ausschluß der Deutschen aus französischen Kunst-
genossenschaften.
Aus Paris wird gemeldet: In ihrer Plenarsitzung am
15. September faßte die Nationalvereinigung der
Schönen Künste (Lociete äes Leaux-^rts) den ein-
mütigen Beschluß, die Streichung aller ihrer deutschen
Mitglieder vorzunehmen. Die Akademie wird diesem
Beispiel in kurzer Zeit folgen und den Ausschluß aller
ihrer deutschen und österreichischen korrespondierenden Mit-
glieder zur Durchführung bringen.
Der Beschluß der Nationalvereinigung stößt zweifel-
los nur offene Türen ein. viele unserer deutschen Künst-
ler haben bereits öffentlich bekanntgegeben, daß sie ihre
persönlichen Beziehungen zu den französischen Kunstgesell-
schaften abgebrochen und ihre französischen Orden und
Mitgliedszeichen für wohltätige Zwecke geopfert haben.
Es ist also nur eine wertlose Demonstration, die sich die
Herren Franzosen leisten, wenn sie eine allgemeine Streichung
aller deutschen Mitglieder in ihren Vereinslisten vornehmen.
Aus Rom wird dem „Berliner Tageblatt" unterm
26. September geschrieben:
Die Kathedrale vsir Reims.
Trotzdem die Berliner Akademie der Künste sowie die
deutsche Botschaft die wegen der Kathedrale von Reims
erhobenen Beschuldigungen in öffentlichen Erklärungen
zurückgewiesen haben, ist für heute abend eine Protest-