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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 14.1914/​1915

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Heft 16
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Redaktioneller Teil
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Matthaei, Adelbert: Der Krieg von 1914 und die bildende Kunst in Deutschland, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.55564#0192

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Die Werkstatt der Kunst.

XIV, heft 16.


ging, hingen da große Tafeln: „Bis auf unbestimmte
Zeit geschloffen." Daß ein großes Kulturvolk seiner
eigenen Bevölkerung und den Gästen, die herüber-
kommen, nicht wagen darf, seine Kunstschätze zu
zeigen aus Furcht vor der Zerstörungswut eines Teils
seiner eigenen weiblichen Bevölkerung, schien mir
ein bedenkliches Anzeichen und bestärkte in mir die
Überzeugung, daß unsere Kultur doch wohl auf
besseren Grundlagen aufgebaut sei, als die englische.
Aber als mir dann doch der Zugang ermöglicht
war, da wurde mir augenscheinlich, daß die Eng-
länder wirklich eine eigene nationale Malerei be-
sitzen, die sich deutlich abhebt von allem, was die
Völker des Festlandes geschaffen haben. Den Satz,
mit dem Robert de Sizerannes Werk über die zeit-
genössische englische Malerei 1899 anfängt: „Es
gibt eine englische Kunst", fand ich bestätigt. „So-
lange man die Säle in Deutschland, Österreich,
Italien, Belgien und Holland und sogar in den
Vereinigten Staaten durchwandere," sagte er, „glaube
man sich immer nach Frankreich versetzt. Line ästhe-
tische Karte der Welt müsse die Farbe Frankreichs auf
alle jene Länder ausdehnen, als ob es Kolonien der
französischen Kunst wären. Nur die britische Insel sticht
lebhaft von dem Rest der Weltkarte ab. Ihre Maler
scheinen zu ignorieren, daß es eine Kunst des Konti-
nents gibt." Seit dem 18. Jahrhundert, in dem das
heutige England geworden ist, seit England seine
Rivalen zur See, Frankreich und die Niederlande,
niedergeworfen hatte, hebt eine Linie an, die von
hogarth, Reynolds und Gainsborough fast ununter-
brochen über Hollmann Hunt, Madox, Brown und
Rossetti zu Millais, Watts, Burne Jones, Turner
und Whistler führt.
Diese Kunst zu erklären oder gar definieren zu
wollen, ist hier nicht meine Absicht.
Auch den Begriff „deutsche Kunst" mag ich nicht
definieren, so wenig, wie ich die Begriffe gut und
böse oder schön und häßlich definieren könnte, weil
sie eben Resultate eines Prozesses sind, den der ein-
zelne ebensowenig wie eine Nation zu Ende durch-
macht. Aber wenn der Begriff „deutsche Kunst"
auch nicht endgültig definierbar ist, so fühlt jeder,
was deutsche Kunst ist. Auch Mannesart und Frauen-
art sind nicht zu definieren, und doch fühlt jeder
den Unterschied. Die Kunst, sagt Thoma, kann sehr
wohl eine Antwort auf die Frage geben: „was ist
deutsch?" —
wenn ich als deutsche Eigenart hervorhöbe: die
Klarheit und Kraft der Zeichnung und die Reinheit
der Farbe, daß wir gerne auf schöne Linien zugunsten
einer um so schärferen Lharakteristik des geistigen
Wesens verzichten, daß wir gerne den geistigen Ge-
halt betonen und eine Wärme des Gemüts zeigen,
die in älterer Zeit deutsche Kunstwerke so deutlich
von anderen unterscheidet, so wären das doch nur
ungefähre Umrißlinien.
Man gehe nur zu Dürer, zu L- Richter, Schwind

und Menzel, und man wird wissen, was deutsche
Kunst ist. Die haben die anderen nicht! —
So hatten wir eine eigene deutsche Kunst, und
wir konnten sie auch in der Neuzeit haben!
Aber was haben wir statt dessen getan? wir
sind am Gängelbande Frankreichs geblieben, und
als man das loslassen wollte, ist man haltlos ge-
worden. — In internationalen Ausstellungen habe
ich vergeblich deutsche Art von französisch beeinfluß-
ter Art zu unterscheiden gesucht. Das Eigene wur-
de unter dieser Fremdherrschaft fast unterdrückt.
Man ist bei uns in der Überschätzung des Aus-
landes und der Geringschätzung des Eigenen fast
bis zu nationaler Würdelosigkeit gegangen.
Die Universität Jena und die Stadt Hannover
konnten keinen deutschen Maler für ihre Monumen-
talmalereien finden und wandten sich an den fran-
zösischen Schweizer Hodler. — Ich habe vor zwei
Jahren in einem Vortrag nachgewiesen, daß der
Mann trotz seines deutschen Namens nach Erziehung,
Sprache und künstlerischem Lntwickelungsgang ein
Franzose ist und demnach außerstande, eine Be-
wegung, wie die der deutschen Befreiungskriege oder
der deutschen Reformation künstlerisch zu erfassen.
Ls hat mir wohl mancher im stillen die Hand ge-
drückt und gesagt: „Sie haben ja recht, aber man
kann nicht gegen den Strom schwimmen."
Jetzt, wo der Mann sich entpuppt und unsere
deutsche Ehre beschimpft hat, indem er sich an einer
Protesterklärung gegen deutsches Barbarentum be-
teiligte, haben sich erfreulicherweise unsere Kunst-
genossenschaften und Sezessionen von ihm losgesagt,
und die Kgl. Akademie der Künste in Dresden hat
ihn ausgestoßen. Das sind hocherfreuliche An-
zeichen einer neuen Zeit.
wenn jetzt der Unwille auch groß ist, müssen
wir doch scharf aufpassen. Denn in Wien war vor
dem Kriege ein großes Monumentalwerk über Hod-
ler vorbereitet, und das Geschäftsinteresse wird in
der Angst, um seinen Gewinn zu kommen, bald wie-
der die Mohrenwäsche beginnen und die Lärmtrom-
mel schlagen.
Hodler ist nicht der einzige Ausländer gewesen.
Für die Neugestaltung unseres Kunsthandwerks
hat man den französischen Belgier van de Velde
nach Weimar berufen. Er, der, wie er hier in
einem Vortrag zeigte, weder die deutsche Sprache
beherrscht, noch von der geschichtlichen Entwicklung
Deutschlands eine Ahnung hat, der noch kürzlich in
einer seiner geistreichelnden Schriften (Amo) als die
erstrebenswerteste Blüte aller Kultur das Leben in
hyde-park anpries, der soll für die gesunde Gestal-
tung unseres deutschen Hausrats sorgen?!
Mit Unbehagen habe ich es längst empfunden,
daß man an wichtige Stellen im Berliner Kunst-
leben Ausländer berufen hat. Es waren darunter
Schweizer, deutsche Schweizer, zum Teil hervor-
ragende Gelehrte, wie h. v. Tschudi. — Die Wis-
senschaft fragt nicht nach Herkunft, und das mit
 
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