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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 1.1911-1912

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Amersdorffer, Alexander: Ludwig Knaus
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https://doi.org/10.11588/diglit.27186#0022

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LUDWIG KNAUS

ahmung oder an eine Beeinflussung durch diesen
zu denken.

Schon die ersten in den fünfziger Jahren
entstandenen Studien und Bilder zeigen deutlich
die Hauptvorzüge der KNAus’schen Kunst: Eine
ungemeine Beobachtungsgabe und ein seltenes
Talent der Charakterisierung. Rasches, scharfes
und vollständiges Erfassen eint sich bei Knaus
mit verblüffender Sicherheit der Wiedergabe.
Der Ausdruck des Seelischen in den Köpfen,
in der Haltung, in den Gebärden ist außer-
ordentlich wahr und lebendig. Rassen, Typen
und Individualitäten sind in ihren Eigenarten
scharf herausgearbeitet. Ein außergewöhnlicher
psychologischer Scharfblick mußte dem Künstler
eigen sein, der die verschiedensten seelischen
Regungen in ihren feinsten Abstufungen mit so
sicherer Meisterschaft darzustellen verstand.
Die Schilderung der Vorgänge ist von größter
Lebendigkeit, zuweilen von einer gewissen
Drastik. Auf den vielfigurigen Bildern ist jede
Gestalt für sich bis ins Kleinste hinein
charakterisiert. Jeder Zug des Gesichtes, jede
Bewegung, ist mit zwingender Wahrheit und
Treue und mit meisterlicher Beherrschung der
Zeichnung und der malerischen Technik dar-
gestellt. Und jeder Zug, den diese außer-
ordentliche Charakterisierungskunst hervorhebt,
dient schließlich nur dazu, den Gesamtvorgang
dem Beschauer verständlich und anschaulich
zu machen.

Es liegt in dieser psychologischen Durch-
arbeitung die bezwingende Macht, die die
packende Wirkung von Werken wie der
„Hauensteiner Bauernberatung“, des „Leichen-
begängnisses in einem hessischen Dorfe
im Winter“, „Se. Hoheit auf Reisen“ u. a.
erklärt.

Ungemein bezeichnend für Knaus sind
die zahlreichen eine Einzelfigur darstellenden
Bilder, die neben seinen großen Kom-
positionen entstanden sind, und in denen
eine bestimmte Individualität in ihrer ganzen
Eigenart meist mit geradezu verblüffender
Prägnanz der Charakterisierung wiedergegeben
ist. Es gehören in diese Reihe, um nur
einige wenige hervorzuheben: Der Invalide,
der kleine Dorfprinz mit seinem kindlichen,
den Erwachsenen vorzüglich abgelauschten,
trotzigen Selbstbewußtsein, der vergnügte
Schornsteinfeger, ein Werk von größten
malerischen Qualitäten, der köstliche humor-
volle Drehorgelspieler, der Starost (Sic transit
gloria mundi), dem man unter seinem ram-
ponierten Exterieur deutlich die einstige Vor-
nehmheit ansieht, vor allen das vielbeliebte
und wirklich liebenswerte Bildchen „Ich kann
warten“ (Abb. S. 6), auf dem mit feinstem

Witz und herzlichstem Humor der stillbescheiden
wartende Kolporteur so absolut überzeugend
und lebenswahr hingestellt ist. Die eminente
Wirklichkeitskunst des Meisters vermochte es, in
diesen Typen die beabsichtigte psychologische
Wirkung fast restlos zu erreichen, und gerade vor
diesen Werken fühlt man so recht, in wie innigem
Verhältnis er zu den Geschöpfen seines Pinsels
stand und mit welcher Vertiefung er ganz in
ihnen aufging. Darin beruht das Gleichgewicht
seiner Kunst, daß er zwei Eigenschaften in sich
vereinte: die kritische, verstandeskühle Schärfe
der psychologischen Beobachtung und die warme,
gemütvolle, innere Anteilnahme.

Was den Werken von Knaus eine so große
Frische verleiht und viele von ihnen so be-
sonders anziehend und lebensvoll macht, das ist
der tiefinnerliche Humor. Dieser Humor ist eine
hervorstechende Eigenschaft des Meisters und
seiner Kunst, und sinnvoll ist in der im Jahre
1898 ihm verliehenen, von Arthur Kampf
gemalten Ehrenmitgliedsurkunde des Düssel-
dorfer Malkastens (Abb. S. 16) hierauf angespielt. Es
ist nicht bloß äußerliche Situationskomik, die
Knaus gibt, sein Humor liegt tiefer. Sein Lachen
ist auch kein galliges, sarkastisches, es ist das
Lachen des Alles verstehenden praktischen Welt-
weisen, den sein gesunder Humor rascher und
unmittelbarer zu tiefer Erkenntnis von Welt und

ZIGEUNERIN L. KNAUS

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