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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 1.1911-1912

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Malkowsky, Georg: Altenglische Möbel
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https://doi.org/10.11588/diglit.27186#0079

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ALTENGLISCHE MÖBEL

Während das zielbewußte, sich entweder
auf die gesamte Mobiliarentwickelung oder
auf eine bestimmte Epoche erstreckende

*) D. h. nach den Zunftakten: Richard Wyatt, Zunft-
obermeister und Georg Isack, Altmeister. SCHALE NICOLAUS GEYGER-FLORENZ

gestaltet. So befindet sich in der Halle der
Londoner Zimmerleute ein prächtiges achteckiges
Tischchen mit der Datierung aus dem Jahre
1606 und dem über den Rundbogen angebrachten
Buchstaben: R.W. Q.I. I.R. W.W.*) Als Stützen
dienen, an den Sockeln durch Querleisten ver-
bunden, acht schlanke kanellierte Keulenfüße,
zwischen denen sich gezackte Rundbogen
spannen. Die kreuzförmige Verbindung zwischen
der unteren Umrahmung ist eine spätere Zutat.
Das Tischchen, in seinen Hauptformen an Dan-
ziger Arbeiten erinnernd, weist alle charakteri-
stischen Merkmale der Zierkunst der
Elisabethepoche auf.

Am wenigsten genügen die altenglischen
Sitzgelegenheiten dem modernen Be-
quemlichkeitsanspruch. Der „Spindelstuhl“,
wie er um der Form seiner Stützen und
Verbindungsstücke willen genannt wird,
soll zur Zeit Heinrichs VIII. vorwiegend
für Schlafzimmer verwendet worden sein,
dürfte aber einer späteren, von Holland
und Friesland beeinflußten Zeit ange-
hören, worauf seine Hauptformen, so
besonders der dreieckige, durch seine
erhöhte Kante auf ein eingepaßtes Kissen
hinweisende Sitz bezeugen.

Dem lebensfreudigen Zeitalter der
Stuarts gehören die reichdekorierten, be-
sonders in ihren Rücklehnen durch den
Tropfenzierrat gekennzeichneten Yorkshire-
und Derbyshire-Stühle an.

Während die Beine mit ihren Schwel-
lungen und Einziehungen noch die frühe-
ren, ein wenig plumpen Formen auf-
weisen, ist über die Lehnen und ihre
Verbindungsglieder eine Fülle von Or-
namenten, Rundbogen, Schnecken, geigen-
halsartigen Pfeilerbekrönungen usw. aus-
gestreut, die kaum noch einen konstruktiven
Zusammenhang bieten.

Das man zur Zeit Karls 11. auch den
Typ der Chaiselongue kannte und zu
schätzen wußte, beweist ein Ruhebett aus
Nußbaum, das mit seinem Rohrgeflecht,
den gedrehten Säulen und barocken Ver-
bindungsleisten fast modern anmutet,
ohne durch besonders geschmackvolle
Formengestaltung zur Nachahmung zu
reizen. Trotzdem stehen gerade diese
Möbelstücke um ihrer Seltenheit willen
ziemlich hoch im Preise.

Sammeln den Museen überlassen bleiben muß
und das Zusammenbringen einer einheitlichen
antiken Zimmereinrichtung selbst für den
reichsten Liebhaber große Schwierigkeiten bietet,
fügt sich ein besonders schönes altes Stück
jedem Raume an und bietet einen erwünschten
Ruhepunkt für das Auge.

Jedenfalls unterbricht es die Eintönigkeit
einer ornamentfeindlichen, die Form nur aus
dem Nutzzweck entwickelnden modernen Ein-
richtung.

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