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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 1.1911-1912

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Offermann, Friedrich: Die Organisationslosigkeit der Bildenden Künstler
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https://doi.org/10.11588/diglit.27186#0560

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MÜNCHENER SEZESSION

vervollkommneten Vervielfältigungstechnik; Gra-
vuren, Kohledrucke, Photographien und prächtige
Buntdrucke übernehmen schon seit längerer
Zeit die Befriedigung des Kunstbedürfnisses,
indem sie die Werke der großen alten Kunst
vertausendfachen; für die Bildhauer ein Überfluß
fabrikmäßig hergestellter, kaufmännisch ver-
triebener Bronzen oder dutzend-, ja hundertfach
mit Maschinen erzeugter Alabasterskulpturen,
dem Publikum skrupellos unter der Bezeichnung
Marmor aufgehängt. Auf beiden Gebieten reißt
der Industrialismus langsam und unwiderstehlich
die Herrschaft an sich, während sich zwischen
Künstler und Konsumenten keine direkte Be-
ziehung herstellen läßt.

Und wie sieht es denn mit den zustande
kommenden Verkäufen der Künstler in Wirk-
lichkeit aus? Bei einem Teile werden berühmte
Namen gekauft, nicht selten in der Absicht
späteren gewinnbringenden Wiederverkaufs. Die
Mehrzahl aller Käufe sind, wenn man sie beim
rechten Namen nennen will, Unterstützungskäufe
und nichts anderes! Eine Lage, in welcher

dergleichen Regel geworden, ist unhaltbar, denn
sie ist unwürdig für einen Stand. Aus reiner
Kunstbegeisterung, wirklich nur aus dem Wunsch
des Besitzes, wird ganz blutwenig gekauft.
Dementsprechend ist die materielle Lage der
Künstler schlecht. Ein kleiner Teil von ihnen
ist in Amt und Würden geborgen, ein anderer
durch besondere fachliche Tätigkeit und eine
glückliche Welle anderweit zu Ansehen und
in geruhiges wirtschaftliches Fahrwasser gelangt,
wieder ein anderer verdankt dasselbe schätzbarer
geschäftlicher Begabung oder hat Anschluß an
die Industrie und andere kunstverbrauchende
Stellen gefunden.

Für die große Mehrzahl bedeutet das Leben
einen fortdauernd sorgenvollen Kampf ums Da-
sein, in dem Auftrag und Verkauf nur gelegent-
liche Sonnenblicke abgeben.

Dieser unmögliche Zustand ist auch nicht
mit dem häßlichen Schlagwort vom Künstler-
proletariat erledigt. Es sind keineswegs allein
Untüchtige, um welche sichs handelt, sondern
auch gute Könner. „Es ist offenes Geheimnis“,

AUSSTELLUNG DER MÜNCHENER SEZESSION: DER ABEND. ÖLGEMÄLDE

LUDWIG VACATKA

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