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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 1.1911-1912

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Widmer, Karl: Die keramischen Werkstätten der Grossh. Manufaktur in Karlsruhe
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https://doi.org/10.11588/diglit.27186#0780

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DIE KERAMISCHEN WERKSTÄTTEN DER GROSSH. MANUFAKTUR IN KARLSRUHE

hier das Verdienst, daß sie die Bedeutung der
Sache erkannt und in großzügiger Weise die
Mittel für ihre Durchführung gewährt hat. Im
Jahre 1900 wurde das neue Werkstätten-Gebäude
im Hardtwaldt eröffnet, dessen Einrichtung jetzt
den Anforderungen der umfangreichsten und
schwierigsten Aufgaben genügen. Zugleich
wurde die technische und kaufmännische Leitung
in die Hand berufener Fachleute gelegt. Von
besonderer Wichtigkeit war es auch, daß für
die sachkundige Behandlung architektonischer
Aufgaben in der Person des Architekten Hans
Großmann ein Fachmann als künstlerischer Be-
rater und Mitarbeiter gewonnen wurde. So
hat die Manufaktur mit einem auserwählten
Stab alter und neuer Kräfte ihre neue Epoche be-
gonnen und in kurzer Zeit hat sich auch der
äußere Erfolg eingestellt. Sie erhielt eine Reihe
großer Aufträge, von denen der
bedeutendste wohl die Ausstattung
von sechs Räumen — darunter
einer großen Schwimmhalle — des
Berliner Admiralsbades war. Das
Bad will als ein Luxusbad die
internationale Kultur der modernen
Weltstadt etwa im Sinne der römi-
schen Thermen repräsentieren und
für den inneren Ausbau der Räume
werden alle Zweige der architek-
tonischen Keramik, von dem Ton-
plattenbeleg der Böden und Bassins
bis zum künstlerischen Schmuck des
Fliesenbildes und der dekorativen
Plastik Zusammenwirken. Die be-
sondere kulturelle Bedeutung des
Werkes liegt aber darin, daß hier
ein Stück Kunsthandwerk, das sich
bisher vorwiegend auf dem Luxus-
gebiet der Statuetten- und Vasenkunst
ausleben mußte, in den Dienst
großer praktischer Architekturauf-
gaben gestellt wird. Daneben wird
aber auch die Pflege der freien
künstlerischen Arbeit nicht vernach-
lässigt.

Auf dem Gebiet der kerami-
schen Kleinplastik haben u. a. die
graziösen Aktstatuetten von Hermann
Binz eine neue interessante Richtung
eingeschlagen. Auch auswärtige
Künstler haben sich inzwischen dem
Kreis der Mitarbeiter angeschlossen.

Die Tierplastik ist durch die lebens-
wahren Vogeldarstellungen von Emil
Pottner in hervorragender Weise ver-
treten; und neuerdings läßt auch der
Münchner Keramiker Prof. Wackerle,
der bekannte Schöpfer pikanter

HAUBENTAUCHER

EMIL POTTNER-KARRSRUHE
(Großherzogi. Majolika-Manufaktur, Karlsruhe)

Rokokofiguren, seine Arbeiten in Karlsruhe
ausführen.

So ist die Großherzogliche Manufaktur aus
einer kleinen Werkstatt in der kurzen Zeit von
einem Jahrzehnt zu einer der größten derartigen
Anstalten in ganz Deutschland angewachsen
und mit dem künstlerischen Erfolg hat auch
der äußere Schritt gehalten. Noch ist das Ziel
ihres Wachstums nicht erreicht; was aber das
Wesen der Sache bleibt: sie hat dabei den
Charakter einer künstlerischen Werkstätte be-
wahrt und hält an dem alten Programm fest,
nicht Fabrikware, sondern gediegnes künst-
lerisches Handwerk zu verbreiten. Darin liegt
die innere und dauernde Bedeutung der Grün-
dung.

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